Die 5. Sommerakademie in Hermannstadt hat im Juli 2016 stattgefunden
Ausgabe Nr. 2495
Erneut haben Frau Prof. Maria Sass und die Germanistik der Lucian Blaga-Universität in Zusammenarbeit mit der Donauschwäbischen Kulturstiftung eine beeindruckende Sommerakademie organisiert und durchgeführt. Das Programm war dabei genauso vielfältig, wie die Teilnehmer/innen aus vier Ländern. So kamen dieses Jahr etwa 40 Germanisten aus Novi Sad/Serbien, Budapest/Ungarn und Klausenburg, Temeswar und Hermannstadt zusammen. Aus Ludwigsburg in Deutschland nahm mit 16 Studierenden erneut die größte Gruppe an der Akademie teil. Die angehenden deutschen Lehrerinnen und Lehrer studieren alle Geschichte und ein weiteres Fach. Vertreten waren dabei Deutsch, Politik und Mathematik, aber auch Musik oder Englisch.
Zur Jubiläumsveranstaltung waren zudem der Vorsitzende der Donauschwäbischen Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg, Senator e. H. Hans Beerstecher, und der Geschäftsführer der Stiftung, Dr. Eugen Christ, angereist. Beerstecher sprach ein Grußwort und hob darin die besondere Bedeutung der internationalen Akademie hervor.
Die folgenden Tage waren für die Teilnehmer/innen mit Vorträgen und Workshops sowie einem ausgedehnten Kultur- und Besichtigungsprogramm gespickt. So wurden, neben einer Stadtführung durch Hermannstadt, das Freilichtmuseum und einige historische Städte besucht. In Schäßburg berichtete der Reiseführer Bogdan Muntean über Vlad den Pfähler, den alle als Dracula kennen, und die historische Altstadt mit ihrem wunderschönen Stundturm. In Kronstadt waren dagegen der Reformator Johannes Honterus und die Schwarze Kirche mit ihren Altären das Ziel der Gruppe. Aber auch die Michelsberger Burg mit der historischen Kapelle und den Gedenksteinen für die Opfer des Ersten Weltkriegs standen in dieser Woche genauso auf dem Programm, wie die Altstadt von Mediasch und die Kirchenburg in Birthälm. Dabei wurde ausführlich über die Kirchengeschichte Siebenbürgens und die mehrere Jahrhunderte dauernden Angriffe der Türken und Tataren berichtet.
Besonders beeindruckt hat die Studierenden die Kirchenburg in Tartlau, die aus dem 15. Jahrhundert stammt. Dort wurden die jungen Leute durch die vier Meter dicke und 10-12 Meter hohe Mauer geführt. Sie haben einige der ca. 200 Schlafkammern besichtigt, die etwa 2.000 Menschen während den Belagerungen durch die Osmanen Schutz boten. Aber auch die Wehranlagen und die protestantische Kreuzkirche waren Inhalte der Führung. Das Klassenzimmer, in dem die Kinder während der Belagerungszeiten gelernt haben, war besonders für die angehenden Lehrer/innen interessant. „So etwas habe ich noch nie gesehen“, war die einhellige Rückmeldung, als man wieder im Bus saß und nach Hermannstadt zurückfuhr.
Besonders werden den Studenten die Vorträge über die Geschichte der Siebenbürger Sachsen, über die deutsche Sprache und über die ungarn- und die rumäniendeutsche Literatur in Erinnerung bleiben. Positiv hervorgehoben wurden von allen Studierenden zudem die international zusammengesetzten Workshops in der germanistischen Fakultät. „Hier konnten wir uns mit einzelnen Autoren und deren Geschichten und Gedichten auseinandersetzen und uns darüber austauschen!“
Diese Arbeit kam den Studierenden sehr zugute, denn am vorletzten Tag stand ein Besuch bei Eginald Schlattner auf dem Programm. Der Literat, der auch Pfarrer ist, empfing die Studierenden zunächst in seiner Kirche in Rothberg. Dort hielt er einen Gottesdienst und stimmte auf das anschließende Gespräch in seinem Wohnzimmer ein. „Der Besuch bei Herrn Schlattner war ein absolutes highlight der Woche“, so eine deutsche Studentin. Der Autor dreier Werke zur Geschichte Siebenbürgens seit dem Zweiten Weltkrieg, ließ erst Tee und Plätzchen reichen, um danach allen Fragen nach seiner Person und seinem Werk ausführlich Rede und Antwort zu stehen.
In ihrem Rückblick auf die Akademie schrieben mehrere Studierende, dass neben all den wichtigen germanistischen und historischen Erkenntnissen, die sie innerhalb der Woche gesammelt hätten, besonders die internationalen Begegnungen beeindruckend waren. Ein Student resümierte: „Mit der Zeit wurden hier schon Freundschaften geknüpft und dementsprechend fiel uns der Abschied schwer.“ Andere betonten: „Das ist ein Stück Europa, das wir hier erleben durften!“ und die Lehrenden ergänzten „solche gemeinsamen Studienangebote, Universitätskooperationen und Austauschprogramme müssen wir auch in Zukunft fördern“. Senator Beerstecher hatte in seinem Grußwort zu Beginn der Woche deshalb auch gesagt: „Nur wenn wir uns gegenseitig kennen, Vorurteile abbauen und auf vielen Ebenen zusammenarbeiten, kann eine weitere Einigung Europas gelingen. In der gegenwärtigen Situation sind wir an einer friedlichen Pflege von Kultur, Literatur, Sprache und Geschichte mehr denn je interessiert. Gegenseitiges Interesse und Toleranz sind dafür die Schlüssel!“
Holger VIERECK
PH Ludwigsburg
Gruppenbild mit Teilnehmenden auf den Stufen der Fakultät für Sprach- und Theaterwissenschaften der Lucian Blaga-Universität.
Foto: Privat