Ein atemberaubendes Gesamterlebnis

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Streiflichter vom Internationalen Transilvania-Filmfestival (TIFF)
Ausgabe Nr. 2484
 
 

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Es ist wieder Junibeginn, das bedeutet für die Stadt Klausenburg: TIFF! Letzte Woche wurde erneut der rote Teppich vor dem Nationaltheater in Klausenburg ausgerollt, das Transilvanian International Film Festival feierte 15-jähriges Bestehen.

Was als kleine, improvisierte Zusammenkunft von Kinoliebhabern aus verschiedenen Ecken des Landes begann, hat sich in den letzten fünfzehn Jahren zu einem wichtigen europäischen Festival entwickelt, das inzwischen durch etliche Programmsparten, Workshops, Lectures, Presseveranstaltungen, mondäne Parties, 22 Schauorten innerhalb der Stadt und über 200 neuen und alten Filmen getrost mit Festivalgrößen wie Cannes, Locarno und Venedig mithalten kann. In diesem Jahr zählten die Veranstalter rund 80.000 Zuschauer.

 

Es scheint, dass Klausenburg während des Festivals niemals schläft. Von 10 Uhr morgens bis 24 Uhr gibt es Filme am laufenden Band. Die Stadt pulsiert und atmet Film. Auf dem Weg von einem Kino ins nächste hört man auf der Straße Filmbewertungen in den verschiedensten Sprachen. Leute (wie ich) nehmen sich 10 Tage frei, um auch möglichst 5 Filme am Tag zu schaffen. Es herrscht Ausnahmezustand!

Abends geht es weiter mit Konzerten, Parties und speziellen Veranstaltungen wie eine stumme Produktion über Hexenkult mit Live- Begleitung im Banffy- Schloss in Bontida, oder der „Passion der heiligen Johanna“ in der römisch-katholischen Kirche, musikalisch untermalt durch die dortige Orgel.

Um ein solch vielfältiges Angebotsspektrum zu schaffen, haben sich die Veranstalter ein starkes Sponsorennetzwerk aufgebaut, und dies durchaus erfolgreich mit wichtigen Marken wie HBO, der Raiffeisen-Bank oder der Whisky-Kultmarke Jameson.

Inzwischen ist auch die Anwesenheit hochkarätiger Kinogrößen als geladene Ehrengäste längst Tradition: Nach Catherine Deneuve, Michael York, Debra Winger und vielen anderen Weltstars durfte dieses Jahr nun Sophia Loren bei der finalen Gala im Nationaltheater den Preis für ihr künstlerisches Lebenswerk entgegennehmen. Die Diva sagte bescheiden: „Ich bin eine von euch“.

Das Festival entstand, laut Gründern Tudor und Oana Giurgiu, (beide selbst ausgebildete Regisseure und Produzenten) aus der Idee heraus, dem rumänischen Publikum die Möglichkeit zu bieten, europäische non-kommerzielle Filme zu schauen, die in den hiesigen Kinos nicht gezeigt werden. Inzwischen ist das Festival auch umgekehrt eine wichtige Plattform für den neuen rumänischen Film geworden, der durch das TIFF auch ausländischen Festivalbesuchern und Leuten aus der Filmbranche, wie zum Beispiel Vertriebsleuten nahe gebracht wird. So erlebte der Publikumsliebling „Două Lozuri“ (dt. Zwei Lotterielose) in der Regie von Paul Negoescu beim diesjährigen TIFF seine Weltpremiere. Auch bei den rumänischen Beiträgen wie „Sierranevada“ (Christi Puiu) und „Câinii“ (Bogdan Mirică), die schon beim diesjährigen Festival in Cannes Furore machten, waren die Kinos bis zum letzten Platz vollbesetzt. Miricăs Film gewann den diesjährigen Transilvania-Preis für den besten Film. Beide Filme sollten sich die Hermannstädter nicht entgehen lassen. Vom 22. bis 26. Juni gastiert nämlich das TIFF-Festival zum zehnten Mal in der Stadt am Zibin. Filmvorführungen wird es an mehreren Orten geben: in der Habitus-Buchhandlung, im Gong-Theater, im Astrafilm-Studio, auf dem Großen Ring, im Erlenpark, auf der Bühne am See im Freilichtmuseum im Jungen Wald, unterhalb des Stausees bei Gura Râului und auf der Michelsberger Burg. Mehr dazu unter www.tiff.ro

Eine der diesjährigen Retrospektiven wurde der jüngst verstorbenen belgischen Regisseurin Chantal Akermann gewidmet, deren frühe Werke man im kleinen aber feinen Arthouse-Kino Arta schauen konnte. Trotz dessen endgültiger Stilllegung im Jahre 2012 durch mangelnde Gelder, Besitzerwechsel und fehlendes Personal, öffnet das Kino nach wie vor während des TIFF seine Pforten und man hatte für zehn Tage die Möglichkeit, sein Filmerlebnis im Jugendstil-Ambiente zu genießen.

Neben Sponsoren und hochkarätigen Gästen hat sich im Laufe der Jahre auch ein sehr effizientes lokales Netzwerk entwickelt, durch das Partnerschaften mit verschiedenen Klausenburger Kulturinstitutionen entstanden sind. So waren auch das Goethe-Institut und das Deutsche Kulturzentrum als Schirmherren mit Beiträgen wie „Fado“, einem packenden Debütfilm des Regie-Neulings Jonas Rothaler über Eifersucht und deren fatale Folgen, oder der wilden Doku „B-Movie“ über das musikalische Underground-Berlin der 80er Jahre mit dabei.

Ein wenig enttäuschend war die Tatsache, dass die Abschlussgala nicht mehr wie jedes Jahr in dem stark heruntergekommenen aber nicht minder spektakulären Lobbyräumen des ehemaligen Continental-Hotels stattfand, von dem aus man, durch seine zentrale Lage, in Sekunden nach Hause torkeln oder ins Taxi sinken konnte. Durch das traurige Ereignis im Bukarester Colectiv-Club vergangenes Jahr, bei dem etliche Menschen ihr Leben verloren, und die dadurch ausgelöste Kontroll- und Sanktionen-Welle durch die rumänische Notfallbehörde (ISU) musste die Feier dieses Jahr in einer stark abgelegenen Villa oberhalb der Stadt stattfinden. Nur Taxis und festivaleigene Busse durften ab gewisser Höhe weiterfahren, um Stau auf dem schmalen Feldweg zu vermeiden. Dies kostete einige Damen die Kleiderschleppen und Schuhabsätze, und wer bis dahin auf den Anblick auf Sophia Loren oder Mădălina Ghenea gehofft hatte, musste sich wohl spätestens dann bewusst werden, dass er/sie ihre Zeit auf dem Anwesen mit Pool mit den Normalsterblichen verbringen müssen.

Nichtsdestotrotz war das Festival und dadurch auch die Stadt Klausenburg ein atemberaubendes Gesamterlebnis und die meisten Leute zählen wohl schon die Tage bis zum nächsten TIFF in 2017.

Pia IONESCU-LIEHN

 

Festivalsdirektor Tudor Giurgiu und die für ihr Lebenswerk geehrte Schauspielerin Sophia Loren.

Foto: TIFF

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Film.