Fortsetzungsgeschichte vor dem Einschlafen

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Sieglinde Bottesch erhält Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis 2016
Ausgabe Nr. 2479
 
 

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Für ihre künstlerischen Leistungen, die sie sowohl in Rumänien als auch in Deutschland erbracht hat, soll der 1938 in Hermannstadt geborenen Künstlerin Sieglinde Bottesch beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl am Pfingstsonntag der diesjährige Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis überreicht werden.

 

Quasi im Vorfeld dieser Preisverleihung eröffnete die Künstlerin eine Ausstellung mit Graphiken im Teutsch-Haus in Hermannstadt, die daselbst bis zum 19. Juli zu besichtigen ist. Gezeigt werden Graphiken zu siebenbürgischen Sprichwörtern und Sagen, mit denen Sieglinde Bottesch bekannt geworden ist und die sie dem Teutsch-Haus geschenkt hat.

Ihr Debüt mit Illustrationen zu Sagen der Siebenbürger Sachsen geht auf eine Zusammenarbeit mit dem Volkskundler und Journalisten Friedrich Schuster zurück. Schuster bat Sieglinde Bottesch, einige von ihm im sogenannten Krautwinkel aufgezeichneten Sagen und Erzählungen für die Hermannstädter Zeitung (damals Die Woche) zu illustrieren. Die dabei entstandenen Linolschnitte erschienen neben den Texten auf einer ganzen Seite unter dem Titel „Im Tal der Gertrude“ (ein Hinweis die Gründerin von Gürteln, eine der Ortschaften im Krautwinkel) in der Ausgabe vom 29. Dezember 1978. Weitere Zeichnungen folgten.

In einem HZ-Gespräch vor der Vernissage am 15. April d. J. erinnerte sich Sieglinde Bottesch daran, dass sie aus Zeitmangel oft ihre Graphiken direkt auf den Druckstock gezeichnet habe. Dabei habe sie mit dem graphischen Ausdruck gespielt, einmal schwarze Flächen auf weißem Grund dann wieder weiße Flächen auf schwarzem Grund gezeichnet. Ihre Vorliebe für Geschichten und Bilder – sie selbst betrachtet die Illustrationen als „Symbiose zwischen gedachtem Wort und gedachtem inneren Bild“ – sei ihr entgegengekommen. Schon als Kind habe sie sich vor dem Einschlafen selbst Geschichten erzählt, die sie dann immer weiter fortsetzte. Und alle Geschichten spielten im Wald.

An die Beziehung zur Natur knüpft eine ganz andere Facette der Werke von Sieglinde Bottesch an. Eine Facette, die sie selbst nicht missen will, denn sie sagt treffend von sich, sie passe in keine bestimmte Schublade. Ursprünglich durch die Illustrationen zu siebenbürgischen Themen und Motiven bekannt geworden, obwohl sie schon immer auch fantasievolle und farbenfrohe Gemälde in ihren Ausstellungen zeigte, versuchte Sieglinde Bottesch, vor allem nach ihrer Ausreise 1987 nach Deutschland, etwas anderes. Aus der Überzeugung heraus, dass ein Künstler Zeugnis ablegen müsse über das „Da-Sein“ (so der Titel ihrer großen Ausstellung mit Objekten und Installationen in Ingolstadt, September-Oktober 2015), nimmt Bottesch mit ihren Objekten und Installationen den Betrachter mit auf ihre gedankliche und ins Gegenständliche umgesetzte Reise zu den Ursprüngen des Lebens („Eisprung“), zu dem Moment der Eingebung („Schlummer“) über das Leben als „großes Geheimnis“. Sie sagt: „Das Unbedeutende steht für alles, was bedeutsam ist“. Eine „Wahnsinnsarbeit“ sei die an der Installation „Verlangen“ gewesen, wo Kälber aus Chinapapier an der Decke hängen und das Gras in den Holzstelen, die im Mittelgang aufgestellt sind – den „Sehnsuchtsort“ nie erreichen werden. Sehnsucht sei nie äquivalent mit der Erfüllung. Die Sehnsucht sei der Erfüllung übergeordnet und bestimme diese. Als Künstler könne man nur Bruchstücke anbieten, Zeichen, die Deutung verlangen.

Rückblickend sagt Bottesch: „Die in der Woche veröffentlichten Illustrationen definieren mich als Siebenbürgerin, meine Zeichnungen, Gemälde, Objekte und Installationen aus letzter Zeit definieren mich als Menschen von besonderer Art.“ Und so, als komplette Künstlerin, wie sie selbst wahrgenommen werden will, apelliert sie an Beobachtungsgabe und Einfühlungsvermögen des Betrachters.

Den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis betrachtet Sieglinde Bottesch nicht als „eine Aufwertung der Person sondern als eine Wertschätzung, die ich entgegenzunehmen weiß.“

Zu beiden erwähnten Ausstellungen sind Kataloge erschienen. Der Katalog zur Ausstellung im Teutsch-Haus liegt im Erasmus-Büchercafé aus.

Beatrice UNGAR

 

Sieglinde Bottesch bei der Vernissage ihrer Ausstellung „Transsylvania Mythologica – Siebenbürgisch-sächsische Sagen und Sprichwörter in Bildern“ im Terrassensaal des Friedrich Teutsch-Kultur- und Begegnungszentrums am 15. April d. J.                                                       

Foto: Fred NUSS

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kunst.