Wie klingen große Landschaften?

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Interview mit der Zeichen-Konzert Gruppe „Bonnage Horreur“ aus Wien
Ausgabe Nr. 2475
 
 

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Ein außergewöhnliches Trio besucht im April das Comics-Festival in Hermannstadt. Zwei österreichische Musiker und ein US-amerikanischer Zeichner werden das originelle Konzept eines Zeichen-Konzertes vorführen. Die Idee ist vor vier Jahren entstanden, als sich Benjamin Schiemer (Sitar und Gitarre), Bernd Ammam (Kontrabass) und S.R Ayers – auch Rob – (Zeichner), nach einer gemeinsamen Erfahrung in einer Theatergruppe mit ähnlichem Konzept, zusammengesetzt und ihre Gruppe „Bonnage Horreur“ getauft haben. Mit dem Trio, das heute ab 15 Uhr, Kinder und Jugendliche ab 11 und bis 18 Jahren zu einem Workshop in das Deutsche Kulturzentrum Hermannstadt einlädt, sprach HZ-Praktikantin Lara C e r o s k y.

 

Wie seid Ihr auf die Idee gekommen eine Zeichen-Musik Gruppe zu gründen ?

Benjamin Schiemer (BS): Uns gibt es seit 2012. Wir waren ursprünglich Teil einer Theatergruppe, die transmediale Aufführungen gemacht hat. Wir waren zu neunt und haben versucht, gesellschaftskritische Theaterstücke auf der Bühne umzusetzen mit Schauspiel, Live-Zeichnung und Musik. Was uns früher gebremst hat, waren die ganzen Proben, die teilweise auch die Kreativität unterdrückt haben. Wir wollten mehr spielen, mehr tun, aber verhedderten uns in diesem Konzept- und Theorie-Denken. Also haben wir beschlossen zu dritt ein kleines Projekt zu wagen, wo nur Rob zeichnet und wir ihn dabei musikalisch begleiten, ganz ohne Konzept.

Bleibt die gesellschaftskritische Dimension weiterhin Leitmotiv für „Bonnage Horreur“?

BS: Die Inspiration bleibt die Gleiche, man will weiterhin diese Dimension einfließen lassen, aber nicht mehr auf der Konzeptebene. Wir waren mal bei einer Konferenz, bei der es um Strafe ging. Rob überlegte sich zu diesem Thema Visuelles, wir sprachen kurz darüber und dann spielten wir. Wir geben uns sehr wenige Einschränkungen und die Umsetzungen sind jedes Mal anders. Es gibt schon Dinge, die sich wiederholen, weil sie gut funktioniert haben. Ich weiß nicht, ob es für Rob und Bernd auch so ist, aber ich habe meine eigene Vorstellung, wie große Landschaften und weite Ebenen, wie Gesichter und konkretere Dinge klingen.

Gab es das Konzept eines Zeichen-Konzertes schon?

Bernd Amman (BA): Zu dem Zeitpunkt, an dem wir angefangen haben, gab es sowas glaube ich nicht. Sicher gab es Sachen, wo live gemalt und projiziert wurde, in Richtung Audio und visuelles zugleich, das Konzept ist uralt. Aber gerade mit diesem Projekt ist es ziemlich einzigartig.

BS: Das Live-Zeichnen ist die Kernidee. Wir haben Rob gerne zugeschaut, wenn er gezeichnet hat, und dann wollten wir es den Leuten ermöglichen zu sehen, wie seine Bilder überhaupt entstehen. Wir beschreiben uns als Live-Kino.

Spielt Ihr nach Laune oder folgt ihr bestimmten Musikstücken?

BA: Wir haben schon immer eine Lieder-Karte gehabt, zu der Rob improvisiert, dann haben wir irgendwann mal beschlossen das strukturierter zu machen. Also wie in einer Aufführung, wo man ungefähr weiß, wie die Lieder ablaufen und wie lang die werden, aber dass weiterhin trotzdem improvisiert wird.

BS: Es sind musikalische Module, kleine Ideen, wie Bausteine, die zur Musik zusammengesetzt werden. Wir spielen mit sehr vielen verschiedenen Instrumenten und wechseln diese während der Zeit. Man schaut natürlich immer, was Rob so malt. Wenn er solche großen Bogen malt, kann man zum Beispiel gut mit der Sitar mitspielen.

Wie stellst du dich, Rob, als Zeichner darauf ein ?

Rob (R): Ich zeichne jedes Mal was Anderes. Wir wissen nie im Voraus wie es sich entwickeln wird. Ich höre mir das Lied an, das sie spielen, dann setze ich mich, schaue mir alle meine alten Zeichnungen aus meinem Zeichenblock an. Dann denke ich: „das wäre toll auf einer großen Leinwand zu zeichnen“. Es macht Spaß diese dann mit der Musik zu vergleichen, denn die neuen Bilder haben zum Schluss nichts mit den alten zu tun. Mein Kopf ist wie ein alter Kessel, wo alle Ideen herumschwirren bis ich plötzlich die eine besondere an der Oberfläche finde und das ist, was ich dann versuche mitzuteilen. Während einer 45-minutigen Aufführung, zeichne ich üblicherweise vier „ganze“ und ein kleineres Bild.

Wo seid ihr zu sehen ?

BS: Wir treten meistens im Ausland auf. Wir haben gemerkt, dass wir wirklich gut in Festival-Projekten sind, und nicht wirklich in Bars oder so. Wir spielen zum Beispiel im Street-Music-Festival in Österreich. Es ist schön, im eigenen Land zu spielen, aber es sind so viele talentierte Menschen dabei, dass es nicht gerade einfach ist, unser Projekt durchzusetzen.

BA: Es macht keinen Sinn, mehr als zwei Mal im Jahr in Österreich aufzutreten, die Comics-Szene ist hier noch relativ klein. Im Ausland schauen sich die Menschen die Show an, als wäre es ein Film.

R: Wir haben bis jetzt 6 oder 7 Konzerte gegeben, in Österreich, Deutschland und Rumänien. Wir haben leider bisher keine geplanten Konzerte für die Zukunft, aber wir sind ständig dabei, uns umzuschauen, wo wir auftreten könnten. Wir würden gerne in Amerika auftreten und im Norden Europas wie Finnland, gerne auch in Indien.

Wie lauten die Rückmeldungen aus dem Publikum?

R: Für die Zuschauer kann es schwierig sein, die verschiedenen Auftrittselemente zu verstehen, aber wenn Musik und Overheadprojektor zusammenfinden, genießen die Leute was sie sehen und hören. Bisher hatten wir keine einzige negative Kritik. Es ist immer entweder Konfusion oder die Zuschauer lieben es.

BS: Die Menschen sehen es anders und ihr Feedback ist sehr wichtig für uns. Manche zum Beispiel denken, dass wir einem sehr strikten Konzept folgen, eine Geschichte, über die wir uns im Voraus viel überlegt haben.

Wie finanziert ihr eure Reisen und Konzerte?

R: Natürlich haben wir zu Beginn unser eigenes Geld investiert, und gratis Konzerte gegeben, um auf uns aufmerksam zu machen. Aber mittlerweile fangen wir an, für unsere Auftritte bezahlt zu werden. Es ist eine interessante Stellung, denn die Summe, die wir beantragen, reflektiert natürlich auch unser Ego und was wir von unserem Projekt halten, aber andererseits wollen wir auch nicht zu viel beantragen, sonst sagen die Leute „raus mit euch“.

BS: Es ist toll, denn wir haben die Unterstützung der österreichischen Botschaft. Sie sind sehr offen für solche neuen Projekte. Jedoch versuchen wir nicht nur die österreichische Kultur zu repräsentieren, sondern einen Mix der Vielfalt an kulturellen Einflüssen, die es hier in Wien gibt und die in unserer Musik zu finden ist.

BA: Wir spielen die Musik, die wir mögen und können in dieser Hinsicht auch nicht lügen was unsere Inspirationen und musikalischen Einflüsse sind.

Was inspiriert euch denn ?

BA: Jeder von uns hat seine eigenen Inspirationen die er an den anderen weitergibt. Jeder hat seine Musik, die er viel hört, die er dann dem anderen mitteilt und daraus ergibt sich einiges. Da wir in diesem Projekt nur zu zweit sind, unterstützen wir uns und inspirieren uns dann auch sehr stark gegenseitig.

Ihr seid also auf derselben musikalischen Wellenlänge.

BA: Auf jeden Fall. Vom Geschmack her sind wir uns sehr ähnlich, mit Rockelementen, Weltmusik, afrikanischen Rhythmen. Unsere Musik ist sehr klischeehaft in dem Sinne, dass wir sehr bekannte Klänge spielen. Man muss aufhören sich die ganze Zeit Gedanken zu machen, die Musik solle durchgehend spannend sein. Am Anfang war es oft so, dass man dauernd versucht hat neue Teile aufzubauen aber, wenn man das dann als gesamtes Bild sieht, reicht es aus wenn man längere Zeit dasselbe spielt.

Wie ist überhaupt der Name eurer Gruppe „entstanden ?

BS: Ich habe mit Bernd in einem Café in Wien gearbeitet, und wir hatten zwei Abend-Schichten gemeinsam, an denen vor allem im Winter immer recht viel los war. Wir waren ein gutes Team und machten beide alle Tische gemeinsam, also teilten keine Bereiche auf im Cafe, wo wer zu kellnern hat. Darum mussten wir auch gut darauf achten alle Bestellungen zu dokumentieren, damit wir beim Abrechnen nicht verwirrt waren. Das macht die Registrierkasse. Dort wird bonniert und wenn jemand zahlen will, lässt man dort den Bon heraus. Nur waren wir sehr oft sehr faul und bonnierten schlecht.

Dann verlief das so, dass ich an der Kasse stand und einen Bon für einen großen Tisch ausdrucken wollte und auf diesem Tisch, an dem sicher 20 Getränke getrunken wurden, war lediglich ein Bier bonniert, oder ein Toast. Das, du kannst es dir vorstellen, war eine „Bonnage Horreur“! Der, der an der Kasse stand und sich nicht mehr auskannte, rief dem anderen hinterher: „Bonnage Horreur!“ Im Gegensatz dazu gab es auch den viel selteneren Fall, wenn jemand von uns einen sehr guten Tag hatte, und alle Tische perfekt bonniert waren. Da konnte es vorkommen, dass man ein lobendes „Bonnage Extraordinaire!“ zu hören bekam. Selten, aber doch.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Rob, Benjamin und Bernd in Aktion.                                      

Foto: Privat

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kunst, Musik.