Die Zukunft der Urzeln ist gesichert

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Ausgabe Nr. 2466
 

Zehnter Urzellauf nach Wiederaufnahme des Brauches in Agnetheln

 

Kuhschellengeläute und Peitschenknall waren schon zu hören, doch viel später erst waren die ersten zotteligen Gestalten zu erkennen, die sich am Sonntag auf der Hauptstraße in Agnetheln in geordnetem Zug dem Rathaus näherten. Erraten: Die Urzeln liefen wieder, in diesem Jahr zum zehnten Mal nach allen Regeln der Kunst.

Den Anstoß hatte der Grundschullehrer Bogdan Pătru vor zehn Jahren gegeben. 2006 führte er mit den Viertklässlern von der deutschen Abteilung der Agnethler Grundschule ein Urzel-Projekt durch, um die alte Tradition der Agnethler Zünfte erlebbar zu machen. Die Schüler und ihre Eltern nähten Urzelkostüme, kramten von überall Kuhglocken und Peitschen hervor und veranstalteten am 5. Februar 2006 einen Urzellauf. 1990 hatte der letzte vor der massiven Auswanderungswelle der Siebenbürger Sachsen stattgefunden. 2007, im Jahr als Hermannstadt in Partnerschaft mit Luxemburg und der Großregion den Status einer Europäischen Kulturhauptstadt inne hatte, liefen die Urzeln erstmalig auch über den Großen Ring. Im gleichen Jahr wurde die Agnethler Urzelzunft (Breasla Lolelor) als eingetragener Verein gegründet, 2008 kam es zu einem gemeinsamen Lauf mit der Sachsenheimer Urzelzunft, die 1965 ausgewanderte Agnethler gegründet hatten und die seit 1987 Mitglied im Schwäbisch-Alemannischen-Narrenzünfte-Verein ist. ist. Günter Folberth, Jahrgang 1960, der eigens aus Deutschland angereist war, erinnert sich noch, dass 1969, als der Brauch wieder aufgenommen wurde, die Schmalspurbahn „Wusch" vor dem Milchladen stoppen musste, weil die Urzeln praktisch die Schienen blockiert hatten. Beim diesjährigen Lauf wurde wie immer die Straße vor dem Rathaus für ca. eine Stunde für den Kfz-Verkehr gesperrt. So konnten die Gestalten des Umzugs ihre Darbietungen absolvieren, nachdem sie zuerst den Gästen, der Tanzgruppe des Hermannstädter Jugendforums, den Vortritt gegeben hatten.

Nach deren schwungvollem Auftritt kamen nach und nach zu den Klängen der Neppendorfer Blaskapelle Reifenschwinger, Rösschen und Mummerl, der Bär und der Bärentreiber zum Zuge. Vor dem Rathaus begrüßte der Zunftmeister, die Urzel mit der Nummer 1, kein anderer als Bogdan Pătru, alle Anwesenden und ließ den schon bekannten Urzelruf „Hirräii!" erschallen. Ansprachen hielten desgleichen der Stadtrat Marius-Radu Curcean, ebenfalls im Urzelkostüm, und der amtierende Bürgermeister Ioan Dragoman, „in Zivil". Den Darbietungen und Ansprachen zollten die Urzeln lautes Glockengeläut und sie stimmten zum Schluss gemeinsam mit dem Publikum das „Siebenbürgenlied" an. Dieses erklang dann auch beim Empfang einer der 8 Parten im evangelischen Pfarrhaus durch Pfarrer Reinhardt Boltres. Ebenda beglückwünschte Hans Klein, Vorsitzender des Hermannstädter Zentrumsforums, die Agnethler Urzelzunft für die Veranstaltung und versprach, dieser im nächsten Jahr mehr an Unterstützung und Teilnahme aus Hermannstadt zukommen zu lassen.

Indessen müssen sich die Agnethler keineswegs Sorgen machen was die Zukunft dieses Brauches vor Ort betrifft. 230 Urzeln machten in diesem Jahr mit, 78 davon Kinder, also ist für den Nachwuchs gesorgt.

Beatrice UNGAR

 

 

 

Foto 1: Um den Schaulustigen die Sicht auf die Darbietungen der verschiedenen Gestalten des Umzugs sowie der Blaskapelle und der Tanzgruppe zu gewährleisten, gingen die Urzeln in die Hocke. 

 

Foto 2: Der Reifenschwinger Bogdan Dobre.

Fotos: Beatrice UNGAR

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.