„Wir sprechen Deutsch!“ in Schule und Wirtschaft

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Ausgabe Nr. 2456
 

Gespräch mit Dr. Wiegand Fleischer, Geschäftsführer des DWS

 

Der 25. von der Schulkommission des Siebenbürgenforums veranstaltete Siebenbürgische Lehrertag, der am 24. und 25. Oktober d. J. in Hermannstadt stattgefunden hat, stand unter dem Motto „'Wir sprechen Deutsch!". Den Lehrerinnen und Lehrern standen für Interviews 16 Vertreter von deutschsprachigen Einrichtungen in Hermannstadt Rede und Antwort. Einige der dabei geführten Gespräche stellten die Veranstalter auch der Hermannstädter Zeitung zur Verfügung und die Redaktion hat beschlossen, sie in loser Folge nach und nach abzudrucken. Dies ist das erste Gespräch.

 Wiegand Fleischer ist als ehemaliger Brukenthal-Schüler, gegenwärtiger Dozent an der Hermannstädter Lucian-Blaga-Universität (ULBS), Unternehmensberater und Geschäftsführer des Deutschen Wirtschaftsclubs Siebenbürgen (DWS) der ideale Ansprechpartner, wenn es um Beziehungen zwischen deutschsprachigen Schulen und den Unternehmen aus Siebenbürgen geht. Zudem zieht sich sein politisches Engagement als ehemaliger Referent der Schulkommission und als aktuelles Mitglied im Vorstand des Hermannstädter Forums als roter Faden durch seine Biographie, was ihm eine ganzheitliche Sicht der Dinge ermöglicht. Mit Wiegand Fleischer sprachen die Lehrer: Simona Vaida (Elisabethstadt), Birgit van der Leden (Hermannstadt – Deutschland), Marius Vasilca (Hermannstadt), Mihaela Vass (Reps), Alida Vonica (Großpold), Helmut Wagner (Kronstadt) und Christa Ziegler (Mediasch), koordiniert von Diana Zoppelt (Hermannstadt).

Sehr geehrter Herr Fleischer, Sie sind Abgänger des Brukenthal-Gymnasiums. Könnten Sie uns bitte von Ihren guten und schlechten Erfahrungen mit dem deutschsprachigen Schulwesen in Rumänien berichten?

Ich habe hauptsächlich positive Erinnerungen, da das Brukenthal-Gymnasium seine Schüler sehr vielseitig fordert und eine gute Schule für das Leben ist. Ein kleiner Nachteil war, dass ich mir im darauffolgenden Studium die rumänischen Fachbegriffe erarbeiten musste. Allgemein wurden wir aber als Brukenthal-Absolventen an der Hochschule sehr positiv aufgenommen, da die Hochschullehrer allgemein der Meinung waren, dass wir eine gute Arbeitsdisziplin mitbringen; daher fühlte ich mich gezwungen, diesen Erwartungen gerecht zu werden.

Aus einer vor kurzem im Schiller-Verlag veröffentlichten Studie bei der landesweit etwa 600 Personen (Lehrer, Eltern und Absolventen) zu den Stärken des deutschsprachigen Schulwesens in Rumänien befragt wurden, ist ersichtlich, dass der Erwerb der deutschen Sprache und die damit verbundenen besseren Aussichten der Absolventen auf dem Arbeitsmarkt als besonders wichtig eingeschätzt wird. Auch die Erziehung zur Multikulturalität wurde als eine wichtige Stärke erkannt.

Können Sie bestätigen, dass gute Deutschkenntnisse essentiell für den beruflichen Einstieg in ein deutsches Unternehmen, welches in Rumänien produziert, sind?

Essenziell finde ich Deutschkenntnisse nicht, sondern eher die fachliche Kompetenz, die letztendlich bei der Auswahl der Arbeitskräfte entscheidend ist. Ich glaube aber, dass Deutschkenntnisse die Kommunikation im Betrieb und mit der Geschäftsleitung, sowie den Schriftverkehr ungemein erleichtern. Deutschkenntnisse sind schon im Studium von Vorteil. Deswegen ermutige ich auch meine Studenten, ihre deutschen Sprachkenntnisse zu erweitern.

In der eben schon genannten Studie wurden der Mangel an deutschsprachigen Lehrkräften und die unzureichende Finanzierung des gesamten Schulwesens in Rumänien als Schwächen des deutschsprachigen Schulwesens genannt. Inwieweit können deutsche Unternehmen aus Rumänien etwas tun?

Dieses Thema ist mir und dem DWS bekannt und es gab Gespräche mit dem Deutschen Forum sowie dem Ministerium, wie der Missstand behoben werden könnte. Als Lösungen angedacht sind ein Zuschuss für deutsch-unterrichtende Lehrkräfte aus der Wirtschaft, sowie das Motivieren durch attraktivere Gehälter von Studenten, um Lehrer zu werden. Eine weitere Option wäre, fachkompetente Lehrkräfte aus Deutschland zu holen, um so Lücken zu schließen.

In Hermannstadt werden am Pädagogischen Fachgymnasium „Andrei Șaguna“ und an der ULBS deutschsprachige Lehrkräfte für den Grundschulbereich ausgebildet. Nur wenige der Absolventen entscheiden sich aber für den Lehrberuf. Ohne genügend deutschsprachige Lehrkräfte wird es mittelfristig keine deutschen Schulen mehr geben. Sehen Sie darin ein Risiko für die zukünftigen Investitionen aus deutschsprachigen Ländern?

Deutschsprachigkeit ist natürlich ein großer Vorteil unseres Landes, und eine Seltenheit im osteuropäischen Raum. Einerseits ist es historisch bedingt, dass es dieses Schulsystem gibt, aber nicht zuletzt die hohe Nachfrage nach deutschsprachigen Arbeitskräften wird dazu führen, dass es weitergeführt wird. Sprache ist aber nur einer der Gründe, warum die Investoren nach Rumänien kommen. Es gibt viele andere, einer davon ist, dass Rumänien Ostgrenze der Europäischen Union ist, andererseits liefert die europäische Gesetzgebung eine gewisse Stabilität. Investoren haben gute Erfahrungen mit rumänischen Arbeitskräften gemacht, diese seien sehr motiviert, da sie etwas bewegen wollen. Trotzdem sind wir aber noch weit entfernt von dem hohen Niveau der westeuropäischen Länder. Ein Kollege von mir, der bereits in mehreren Ländern Neufirmen aufgebaut hat, meinte, dass es in keinem anderen Land so schnell und reibungslos ging, wie bei den Investitionen hier in Hermannstadt. Die beste Erfahrung, die er in Rumänien gemacht hat, war die feine Art, wie die Menschen auf ihn eingegangen sind.

Insgesamt müssten wir alles daran setzen, dass die deutsche Schule weitergeführt wird und deswegen werden wir alles tun, um sie auch zu unterstützen.

Neben dem Lehrermangel, ist auch der Fachkräftemangel in Rumänien ein groβes und wachsendes Problem. Eine Ursache ist die Abwanderung nach Deutschland. Was kann man aus Ihrer Sicht dagegen tun?

Ja, das ist unser größtes Problem und eine der größten Herausforderungen aus der Perspektive der Wirtschaft und der deutschsprachigen Investoren. Es gibt erste Initiativen, bei denen Kronstadt Vorreiter war und eine duale Ausbildung anbietet, zunächst aus dem konkreten Bedarf der Betriebe heraus. Inzwischen gibt es solche Bemühungen an mehreren Standorten: Man versucht, dieses duale System in Hermannstadt, Temeswar und Karslburg einzuführen und hat auch das Bildungsministerium für diese Idee gewonnen. Wichtig ist, dass es für geeignete Schüler zur Option wird, dass sie lieber einen Beruf erlernen, als das Bakkalaureat anzustreben, das ihnen, wenn sie die Prüfungen überhaupt bestehen, kaum etwas bringt. Die Vorteile des dualen Systems bestehen darin, dass theoretische mit praktischen Erfahrungen kombiniert werden, so dass die Schüler bereits in der Ausbildung in Kontakt mit ihren potentiellen späteren Arbeitgebern sind. Zusätzlich erhalten sie noch eine finanzielle Unterstützung.

Zu diesen Berufsschulen mit der dualen Ausbildung habe ich noch eine weitere Frage: Sie wissen vielleicht, dass die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen das Deutsche Sprachdiplom der Stufe I und II anbietet. Für Berufsschulen wird nun ein weiteres Format eingeführt, das so genannte DSD I pro. Haben Sie schon davon gehört?

Ich denke, dass dies eine sehr gute Initiative ist. Der Unterricht an diesen Schulen findet bisher leider ausschließlich in rumänischer Sprache statt – das ist noch ein Nachteil dieser Ausbildung. Es wäre von Vorteil, auch hier den Deutschunterricht einzuführen oder zu erweitern, um den Schülern die Möglichkeit zu geben, diese Prüfung abzulegen.

Für Kinder der deutschen Investoren aus Rumänien, die eine deutschsprachige öffentliche Schule besuchen, besteht das Problem der Aufnahmeprüfung ins Lyzeum bzw. des Abiturs darin, dass Rumänisch als Prüfungsfach Pflicht ist. Wie könnte man Ihrer Meinung nach dieses Problem lösen?

Ich weiß natürlich, dass es Schüler gibt, die mit ihren Eltern nach Rumänien kommen. Konkret habe ich mich aber mit dieser Situation nicht auseinandergesetzt. Was mir einfällt ist, dass diese Schüler die Möglichkeit haben, in Bukarest und Temeswar das deutsche Abitur abzulegen.

Kennen Sie das Projekt „Fit for future“/„Die Zukunft in guten Händen“, eingeführt im Jahre 2009 vom DWS Kronstadt, zuerst mit der Honterus-Schule und später mit weiteren Lyzeen, in dem Schüler eine Woche Praktikum in einem deutschsprachigen Unternehmen leisten? Letztes Jahr haben an dem Projekt 16 deutsche Firmen teilgenommen, mit insgesamt 140 Praktikumsplätzen. Finden Sie dieses Projekt attraktiv auch für Hermannstadt?

Ja, ich denke die Chancen stehen sehr gut. Einige Firmen aus Hermannstadt machen etwas Ähnliches. Sie haben verstanden, dass die Zeiten um sind, in denen man eine breite Auswahl von Bewerbern hatte und gehen bereits auf die Schulen zu. Auch an den staatlichen Hochschulen gibt es spezielle Programme für Schüler, um das Lehrangebot der Uni vorzustellen, Laboratorien zu besichtigen und über die einzelnen Studiengänge informiert zu werden. Ferner gibt es für Studenten die Möglichkeit, nebenbei zu arbeiten, um schon während der Studienzeit Berufserfahrung gewinnen. Wir haben viele Studenten, die neben dem Studium einen Teilzeitberuf ausüben und nach dem Abschluss schon auf einer höheren Position ihre Berufslaufbahn beginnen können.

Welche Kompetenzen neben Sprachen sollen in deutschsprachigen Schulen bei den Schülern gefördert werden, damit die Absolventen gute Aussichten auf dem Arbeitsmarkt haben?

Aus meiner Sicht ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Schulen und Unternehmen von großer Bedeutung, im Sinne der Anpassung der Inhalte und Ziele der schulischen Ausbildung an den Kompetenzbedarf auf dem Arbeitsmarkt. Es sollen Fertigkeiten entwickelt werden, die auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind. In Rumänien war das lange problematisch, hat sich aber in der Zwischenzeit deutlich gebessert, mindestens was die Studenten und die engere Zusammenarbeit zwischen Universitäten und der Wirtschaft betrifft. In den Schulen kenne ich die Situation nicht so gut, aber es ist wichtig, dass es auch hier eine Abstimmung gibt. Die Schüler orientieren sich natürlich auch selber: An der Fakultät für Ingenieurwesen in Hermannstadt gibt es zum Beispiel in den letzten Jahren einen größeren Zulauf, gerade weil die Nachfrage in diesem Spezialisierungsbereich hier sehr groß ist.

Allgemein beklagen die Vertreter der Industrie in Rumänien, dass es auf dem Arbeitsmarkt an Bewerbern fehlt, die in der Lage sind, problemorientiert und kritisch zu denken, ihre Kreativität bewahrt haben und eine proaktive Einstellung haben. Sind Ihrer Meinung nach die Absolventen deutscher Schulen in Rumänien für die aktuellen Anforderungen im Berufsleben entsprechend vorbereitet?

Rumänien hat auch historisch bedingt das Problem, dass in den Schulen die traditionelle, inhaltslastige Unterrichtsgestaltung weiterhin die Hauptrolle spielt. Im Unterricht ist der Lehrer derjenige, der aufgrund seines Wissensvorstands das Sagen hat und lange vorträgt, während die Schüler eher passiv sind. Das hat sich aber insgesamt gebessert und ich denke gerade in den deutschsprachigen Schulen ist das Geschehen wesentlich interaktiver geworden. Ich bekomme immer wieder Rückmeldung sowohl aus der Wirtschaft, als auch von meinen Kollegen von der Fakultät für Ingenieurwesen, dass Absolventen deutschsprachiger Schulen besser vorbereitet seien, in dem Sinne, dass sie nicht nur theoretisches Wissen haben, sondern dass man ihnen auch beigebracht hat, für verschiedene Probleme Lösungen zu finden. Schüler, die die Möglichkeit haben, schon während der Schulzeit an verschiedenen Projekten zusammen zu arbeiten, sich mit Problemsituationen auseinanderzusetzen und selbstständig zu lösen, sind sowohl für das Studium als auch für den Beruf besser vorbereitet. Dass deutschsprachige Schulen Sozialkompetenzen besser bilden, liegt wahrscheinlich auch daran, dass es den engen fachlichen Kontakt zu dem deutschsprachigen Raum gibt, dass ein Teil der Lehrbücher ähnlich wie in Deutschland didaktisch gestaltet ist und den Lehrkräften ein gutes Angebot an Fortbildungen hierzulande oder in Deutschland zur Verfügung steht. Ferner gibt es im deutschsprachigen Schulwesen auch aus Deutschland endsandte Lehrkräfte, die moderne Unterrichtsmethoden verwenden. Im Austausch mit den rumänischen Kollegen, haben diese die Gelegenheit zu erfahren, wie der Unterricht in Westeuropa abläuft.

Wir danken für das Gespräch.

 

Gruppenbild der Interviewpartner im neuen Sitz des DWS in der Fleischergasse/Mitropoliei 28 (v. l. n. r.): Simona Vaida, Birgit van der Leden, Mihaela Vass, Wiegand Fleischer, Helmut Wagner,  Christa Ziegler, Alida Vonica und Marius Vasilca.                                                            

Foto: Diana ZOPPELT

 

 

 

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