Ausgabe Nr. 2418
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Radu Jude erhielt Silbernen Bären für Regie bei der 65. Berlinale
2013 hatte Călin Peter Netzer in Berlin mit seinem Film „Mutter und Sohn” (Originaltitel „Poziția copilului") den ersten „Goldenen Bären” für einen rumänischen Regisseur gewonnen. Bei der 65. Auflage der Internationalen Filmfestspiele in Berlin rückte das rumänische Kino erneut ins Rampenlicht: Der junge Filmemacher Radu Jude (37) wurde bei der Berlinale mit dem „Silbernen Bären” für Regie ausgezeichnet. Sein Streifen „Aferim!” war als einziger Beitrag aus Rumänien für den Hauptwettberb ausgewählt worden und hatte am 11. Februar Weltpremiere. Ab 6. März kommt er auch in die Kinos in Rumänien. Ebenfalls für die beste Regie ausgezeichnet wurde die polnische Regisseurin Malgorzata Szumowka für „Body".
Botschafter Lazăr Comănescu war bei der Weltpremiere dabei und fand den Film „sehr gut" und sagte der Hermannstädter Zeitung, Radu Jude habe den Preis voll verdient. Das meinen auch unterschiedlichste Filmkritiker und Feuilletonisten, die den Film über die im Jahr 1835 angesetzte Suche eines Gendarmen und seines Sohnes nach einem entlaufenen 'Zigeunersklaven' unter die Lupe genommen haben. Jude lässt die beiden Hauptfiguren auf Menschen unterschiedlicher Nationalität und verschiedenen Glaubens treffen und entwirft laut Berlinale-Präsentation eine „Parabel über das spätfeudale Europa, seine Hierarchien und Konflikte".
So schreibt Lukas Förster in seinem Berlinale-Blog „Ausser Atem" unter www.perlentaucher.de: „'Aferim!' ist keine postmoderne Western-Anverwandlung, die sich einen Spaß daraus macht, das amerikanischste aller Genres in ein denkbar unamerikanisches Setting zu verpflanzen (tatsächlich existieren bereits eine Reihe rumänischer Western, Mircea Veroiu hat einst eine ganze „Transylvanische Trilogie" gedreht). Statt dessen präsentiert Radu Jude: 108 Minuten entspanntes Wühlen im atavistischen Morast der menschlichen Zivilisation."
Vor allem werden Vorurteile gegenüber Roma und Juden transportiert, wobei der Regisseur das Thema der Sklaverei von Roma in den Rumänischen Fürstentümern erstmals aufgreift. In einem Interview sagte Radu Jude, er habe aufzeigen wollen, dass die aktuelle Lage der Roma in Rumänien sehr wohl ihre Wurzeln in der Vergangenheit habe: „Schließlich behaupten wir ja auch immer, dass viele unserer Probleme daher rühren, dass die Rumänischen Fürstentümer ständig mit dem Osmanischen Reich in Konflikt gestanden haben, sich stets an der Kreuzung großer Konflikte befanden und dass dies Folgen für unsere Geschichte hatte. Warum akzeptieren wir nicht, dass dies auch im Falle der Roma-Minderheit zutreffen könnte? Hunderte Jahre Sklaverei müssen doch Spuren hinterlassen."
Zu bemerken wäre, dass Jude mit der gleichen Produzentin zusammengearbeitet hat wie der Goldene Bär-Preisträger Călin Peter Netzer. Es handelt sich um Ada Solomon, die offenbar einen „guten Riecher" hat. Ada Solomon sagte nach der Preisverleihung: „Dieser Preis ist wichtig, weil er uns ins Scheinwerferlicht rückt und das internationale Interesse für rumänische Filme aufrecht erhält. Mehr noch, diese Produktion ist komplett anders als das was wir gewöhnlich als 'rumänischen Minimalismus' bezeichnen, es handelt sich um einen Epochenfilm mit vielen Gestalten. Diese Produktion zeugt von einer anderen Art und Weise, wie man in Rumänien Filme machen kann und verfügt über ein großes internationales Potential".
Und noch etwas: Die Sklaverei von Roma wurde 1855, also vor 160 Jahren in der Moldau und 1856, also vor 159 Jahren in der Wallachei abgeschafft, neun Jahre früher als in den USA (22. September 1865, Proklamation der Emanzipation)…
Beatrice UNGAR
Foto 1: Nach zwei Jahren stand bei der Berlinale erneut ein rumänischer Regisseur im Rampenlicht. Radu Jude wurde bei der 65. Auflage der Internationalen Filmfestspiele in Berlin für seinen Spielfilm „Aferim!" mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet. Unser Bild: Radu Jude bei der Preisgala am Samstag.
Foto: gettyimages © Andreas RENTZ
Foto 2: Filmszene mit den Schauspielern Toma Cuzin, Alberto Dinache und Teodor Corban (v. l. n. r.)
Foto: Silviu GHEȚIE