Ausgabe Nr. 2403
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Carmen-Francesca Banciu ist Dorfschreiberin von Katzendorf 2014
Auf dem Brunnenrand sonnt sich eine Katze in aller Ruhe, eine Ziege läuft von einem Baum zum anderen, auf dem runden Tisch unter der Linde steht ein großer Topf, es duftet verlockend nach „ciorbă de perișoare", der beliebten sauren Suppe mit Fleischbällchen. Das durfte man auf dem evangelischen Pfarrhof in Katzendorf erleben bei den diesjährigen Kulturtagen, die der Dramaturg und Filmemacher Frieder Schuller, der hier als Pfarrerssohn seine Kindheit verbracht hat, 1992 ins Leben gerufen hatte.
Der Rumänisch-deutsche Freundeskreis Felicia-Caţa, die Kronstädter Filiale des Rumänischen Schriftstellerverbands, der Exil-P.E.N. Deutschsprachige Länder, das Demokratische Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt, die Kronstädter Zeitschrift Satul (Das Dorf) und das Bürgermeisteramt Katzendorf luden im Rahmen dieser Kulturtage Anfang Oktober ein zur dritten Verleihung des von diesen Einrichtungen auf Initiative von Frieder Schuller gestifteten Dorfschreiberpreis. Die dritte Dorfschreiberin von Katzendorf wurde die 1955 in Lippa geborene und seit 1990 in Berlin lebende Schriftsstellerin Carmen-Francesca Banciu.
Was darf eine Dorfschreiberin? Die Veranstalter erklären: „Sie kann wohnen nach schreibeslust ein Jahr lang im Pfarrhaus von Katzendorf, und ihr Preisgeld – das in diesem Jahr von der Deutschen Botschaft in Bukarest gestiftet wird – als tägliches Brot hinnehmen.
Sie kann und soll sich umsehen, in die Sprache der Dorfbewohner hineinhören, sich wundern, mitreden, um einen Dichterbeitrag zum gegenwärtigen Transsilvanienbild hinzuzufügen."
Wie die Literaturwissenschaftlerin Michael Nowotnick in ihrer Laudatio sagte, darf man gespannt sein darauf, was die Berliner Autorin, die u. a das Buch „Berlin ist mein Paris" geschrieben hat, aus dem sie auch vorlas, aus diesem Preis machen wird. Die bisherigen beiden Dorfschreiber seien jeder auf seine ihm eigene Art beeindruckt gewesen von dem „Europa im Kleinen" wie Nowotnick Katzendorf bezeichnete. Elmar Schenkel „sog alle Geschichten auf, die in seine Ohren flatterten" und Jürgen Israel, der an dem Tag auch verabschiedet wurde, „wählte einen anderen Weg, stürzte sich in das Dorfleben, ging in ihm auf". Nowotnick sollte auch Recht behalten mit ihrer Aussage, bei den Katzendorfer Kulturtagen herrsche „drei Tage Ausnahmezustand".Frieder Schuller, der laut Nowotnick „dem multikulturellen Gepräge des Ortes (Katzendorf/Cața/Kaca) noch einen aufgesetzt hat" fügte hinzu: „Begegnungen rumänisch, ungarisch und deutsch mit Dichtern, Musikern, Malern, Bauern, Roma und Neugierigen, ergeben sich an diesen drei Kulturtagen von selbst."
Es ging nämlich nicht nur um die Verleihung des Dorfschreiberpreises, es gab literarische Begegnungen, Lesungen, Musikabende und nicht zuletzt eine Theateraufführung, genauer gesagt eine Welturaufführung in der Scheune auf dem Pfarrhof. Das Stück „Tanz mit der Stille" bezeichnet der Autor Frieder Schuller als „siebenbürgische Bühnenerinnerung". Inszeniert hat es seine Tochter Marie Schuller, das Bühnenbild schuf sein Sohn Hannes Schuller.
Wenn das Stück auf der Bühne des Hermannstädter Radu Stanca-Nationaltheaters Premiere feiern wird, dürfte das Atmosphärische fehlen – die Kälte, die Dunkelheit, die beklemmende Stille, der von einem Pferd gezogene Leichenkarren, das Maisfeld mit den vertrockneten Maisstengeln… Beatrice UNGAR
Probenfoto mit Andrei Hansel, Ria Schindler und Johanna Adam (v. l. n. r.) in der „pfarrherrlichen Scheune".
Foto: die Verfasserin