„Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst”

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Ausgabe Nr. 2402
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Internationale Medienkonferenz in Passau stattgefunden

 

Zu der internationalen Medienkonferenz „Freiheit durch Medien” lud die Universität Passau im Rahmen des internationalen Tempus IV-Projektes „Crossmedia und Qualitätsjournalismus. Innovationen für eine universitäre Journalistenausbildung in der vernetzten Gesellschaft” (CuQ) ein. Die Uni Passau ist Projektkoordinator, am Projekt nehmen allerdings über 25 Partner teil, unter ihnen auch die Hermannstädter „Lucian Blaga”-Universität, genauer gesagt die Journalistikfakultät, denn das Projekt „hat die curriculare Modernisierung der Journalistenausbildung in der Ukraine und Moldau nach Bologna-Kriterien und Lissabon-Strategie zum Ziel.”

Die Medienkonferenz ist der Höhepunkt des dreijährigen Projektes, erklärte Projektleiter Ralf Kendlbacher von der Uni Passau, der den Teilnehmern aus den fünf Ländern – Deutschland, Österreich, Rumänien, Republik Moldova und der Ukraine – drei erkenntnisreiche Tage wünschte.

Die Idee von unabhängigem freiem Journalismus stand vor mehreren Jahren, diesem Projekt zugrunde, so Ralph Kendelbacher, als es wichtig war, „Qualitätsjournalismus nach Rumänien zu bringen, wozu niemand verpflichtet wurde. Die Idee wurde so begierig aufgenommen, dass wir uns verpflichtet fühlten, die in mehrere Ländern zu exportieren.”

Der Grund, Qualitätsjournalismus zu „exportieren” lag auf der Hand. Kendlbacher: „Zu unserer Geschichte: Wir hatten das schlimmste Regime, dass es weltweit je gegeben hat, die Nazis, und zu uns kamen nach '45 Amerikaner und Engländer, und haben uns gezeigt, was freiheitlicher Journalismus der Gesellschaft und niemand dem anderen verpflichtet ist. Jetzt, 70 Jahre später, sind wir in der Lage, dass wir es anderen erklären können und wollen. Uns hat das  sehr gut getan, es hat uns 70 Jahre Frieden beschert, eine freie Presse, eine offene Gesellschaft, die ohne Furcht diskutieren kann.”

Dabei ist es besonders wichtig, die Journalistenausbilder zu trainieren, und die Uni Passau bot im hypermodernen „Zentrum für Medien und Kommunikation” die perfekte Umgebung für eine Fachtagung. Dazu brachten die deutschen Partner viel mehr  ins Projekt ein. Ralf Hohlfeld: „Deutschland bringt Erfahrung in der Journalistenausbildung in dieses Projekt mit ein: Wir haben vor gut fünf Jahren begonnen, ein Curriculum zu entwickeln, denn unter der jetzt veränderten Medienumgebung, dadurch, dass alles digital und crossmedial geworden ist, muss Qualitätsjournalismus anders gelehrt werden, da haben wir Kompetenzen, die wir weiter exportieren.”

Wie erwartet, beeinflusste die Ukraine-Krise natürlich auch die Konferenz. Hohlfeld: „Die aktuelle Krise in der Ukraine hat das Projekt, das weit vorher konzipiert wurde, nochmals aufgewertet, umso wichtiger wurden auch die Projektziele, die von der EU vorgegeben wurden:  die Modernisierung der Journalistenausbildung in einem Drittstaat. Das Stärken der Zivilgesellschaft durch eine bessere Journalistenausbildung ist jetzt drängender denn je.”

Ioana Creţu von der Uni Hermannstadt und Projektkoordinatorin für Rumänien, ist auch über das Projekt begeistert: .„Die Tempus-Projekte sehen vor, dass aus den europäischen in den nicht europäischen Ländern ein Transfer stattfindet,  sei es Technologie, sei es Wissen. Wir haben insbesondere eine interkulturelle Rolle, weil nicht nur Rumänien, sondern insbesonders Hermannstadt sowohl kulturell, als auch in der Gesellschaft und im europäischen Kontext sehr gut plaziert ist. Das war unsere Rolle, als Drehscheibe zwischen Westen und Osten.”

Nicht nur beruflich, sondern auch persönlich war das Projekt eine Bereicherung für die Teilnehmer. Ioana Creţu: „Das Schönste am Projekt war, sehr viele Leute kennen zu lernen, aus sehr unterschiedlichen Ländern, und bei dieser Konferenz haben wir verstärkt bemerkt, dass nach zwei Jahren die Freude sehr groß ist, bekannte Gesichter wieder zu sehen.”

Ralf Hohlfeld: „Das Schönste war, dass ich unglaublich viel gelernt habe, weniger wissenschaftlich, sondern eher auf einer interkulturellen Ebene. Ich muss sagen, dass ich vor dem Projekt eher wenig Kontakt zu Osteuropa hatte und ich weiß jetzt sehr viel mehr, wie die Gesellschaft funktioniert, was das für eine Kultur ist, und  ich glaube, dass es mir als Mensch hilft, nicht nur wie bisher aus einer zentraleuropäischen Perspektive zu beurteilen.”

Ralph Kendlbacher konnte sogar einen ganz besonderen Moment im Projektverlauf erwähnen, der sich vor Kurzem zugetragen hat: „Bei der Tutorenschulung haben ukrainische Studenten und Dozenten auf einmal hautnah gespürt, an ihrer eigenen Geschichte, was es bedeutet, unabhängigen Journalismus zu machen, gerade in einer emotional geladenen Zeit wie jetzt, wenn man als Journalist seine eigene einseitige Meinung rediviert im Dienste der Wahrheit, das ist was Großes und das hat mir riesig großen Spaß gemacht. Das war ein geschichtlicher Ansatz, dass das russische soziale Netzwerk Vkontakte das Böse ist und das amerikanische Facebook das Gute. Dann haben wir in die allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Facebook gelesen, da haben sie plötzlich festgestellt, dass die sind ja gar nicht gut, sondern genauso böse ist. Das ist das Tolle an Journalismus, dass man Positionen revidiert.”

Der interessanteste Teil der Medienkonferenz war sicherlich die CuQ-Podiumsdiskussion „Die Propagandaschlacht in der Ukraine-Krise”, in der es darum ging, ob im Krieg die Wahrheit zuerst stirbt. Dabei lautete die Hauptfrage: Fallschirmjournalismus, Patriot Journalism – hat das Mediensystem in der Ukraine-Krise versagt?  Mit Moderator Sigmund Gottlieb (Chefredakteur, Bayerisches Fernsehen, München) diskutierten Johannes Grotzky (ehem. Fernsehdirektor BR, Moskau-Korrespondent, Uni Bamberg, Bamberg), Vadym Lubchak (stv. Chefredakteur Denj, Kiew), Sergij Iwanow (Direktor Akademie der Ukrainischen Presse, Kiew), Oliver Hahn (Arabienexperte, Professur für Journalistik, Passau) und Andreas Bock (Redaktionsleiter eurotopics – Europäische Presseschau, Berlin). Die Diskussion wurde auch im Internet veröffentlicht (http://vimeo.com/108918831), interessant ist sie nicht nur für (werdende) Journalisten, sondern auch für diejenigen, die die journalistische und gesellschaftliche Positionen im Ukraine-Konflikt ein bisschen besser vestehen wollen.

Bis Ende des Projektes sollen noch mehrere Schritte gemacht werden, denn unter anderem soll ein Handbuch gedruckt werden, außerdem müssen die Partner noch Bilanz ziehen und auch besprechen, wie man die Nachhaltigkeit dieses Projektes sichern kann.           

Ruxandra STĂNESCU

Foto 1: Projektkoordinator Prof. Dr. Ralf Hohlfeld begüßte die Gäste in Passau.

Foto 2: Passau ist auch als Dreiflüssestadt bekannt, die Kreuzfahrtschiffe fahren auf der Donau bis nach Rumänien.                          

Fotos: die Verfasserin

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Wirtschaft.