„Allen Unkenrufen zum Trotz“

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Ausgabe Nr. 2399
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Beim 24. Sachsentreffen in Mühlbach feierte das DFDR sein 25. Jubiläum

 

 

Die Straßen um die Stadtpfarrkirche in Mühlbach sind an diesem Samstag, den 20. September 2014, abgesperrt. An den Durchgängen stehen Polizeibeamte. Vom Innenhof der Kirche dringen Geräusche über die Mauer: deutsche Sprachfetzen, Schritte auf Stein- und Grasboden, vereinzelt der Klang einer Trompete. Es ist 9.30 Uhr, in einer halben Stunde beginnt der Festgottesdienst des 24. Sachsentreffens, das erstmals in Mühlbach stattfindet.

 

30 Minuten – Zeit für einen Gang über das Festgelände. Die Kirche ist von vier Straßen umgeben: Auf der nördlichen Rosengasse und dem westlichen Marktplatz ist nicht viel los. Ein Hund streckt sich im Schatten eines Reisebusses. Dacias und Renaults mit rumänischen Kennzeichen stehen neben BMWs und Audis aus Augsburg, Ingolstadt und Wien.

Das eigentliche Fest spielt sich an der Siculorumgasse (heute Lucian Blaga-Boulevard) ab. Vor der Kirchenmauer sind in der Petrigasse Stände von Handarbeitskreisen, Druckereien und Verlagen aufgebaut. Kleine Tafeln verraten ihre Namen: Honterus-Druckerei, hora- und ADZ-Verlag. Von der anderen Straßenseite weht der Geruch von Mititei, Gulasch-Suppe und Baumstriezel herüber. Imbissbuden reihen sich aneinander.

Dazwischen: die Teilnehmer des Treffens, manche in Anzug oder Kleid, andere in Windjacken. Eine Frau winkt einem Pärchen, das auf sie zugelaufen kommt. Zwei ältere Herren schauen einer Gruppe von Mädchen in Trachten hinterher. Das Motto des diesjährigen Sachsentreffens steht auf einem Banner, das auf dem Rathausplatz aufgestellt ist: „Wir sind hier. 25 Jahre Forum“. Im Rahmen des Treffens wird das 25-jährige Bestehen des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien gefeiert.

10 Uhr: Die Stadtpfarrkirche füllt sich, neben den Holzbänken stehen Stühle, damit alle Teilnehmer Platz finden. Pfarrer Alfred Dahinten begrüßt die Gäste und beschreibt die Kirche als steinernes Zeugnis sächsischer Kultur und sächsischen Lebens in Rumänien: „Unsere Existenz an diesem Ort bezeugt diese Kirche.“ Dafür genügt ein Blick durch den Innenraum des Bauwerks – der romanische Eingang, das gotische Schiff und der barocke Kanzeldeckel beweisen die mehr als 850 Jahre alte Geschichte der Siebenbürger Sachsen.

Dechant Dr. Wolfgang Wünsch ruft in seiner Predigt zu Dankbarkeit gegenüber Traditionsvermittlern, wie dem Elternhaus, der Schule und nicht zuletzt der Kirche auf, denn: „Das Sächsische ist das, was wir empfangen haben und an kommende Generationen weitergeben werden.“

Bischof Reinhart Guib lobt die Arbeit des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, das auf regionaler, landesweiter und internationaler Ebene als Sprachrohr der deutschen Minderheit viel gewirkt und bewirkt hat. Weiter erinnert er an die diakonische Tätigkeit der Kirche. Das Dr. Carl Wolff-Altenheim in Hermannstadt und das Dr. Karl Friedrich Müller-Pflegenest in Schäßburg feiern dieses Jahr ihr 20. Jubiläum. Beide Einrichtungen zeigen, dass die Kirche für Hilfsbedürftige da ist und zwar egal welcher Konfession und Ethnie.

11.30 Uhr: Der Gottesdienst ist zu Ende. Die Gäste verlassen die Kirche und werden im Innenhof von drei singenden Pfarrern empfangen, die sich „Trio Pastores“ nennen. Kinder in Trachten laufen umher, weißhaarige Herren schütteln sich die Hände und einige Jugendliche deuten auf den Himmel, der sich verdunkelt hat.

Zwei Führungen werden angeboten: Architekturinteressierte können gleich in der Kirche sitzen bleiben und sich von Friedrich Mauksch das Baudenkmal zeigen lassen, das im letzten Jahr restauriert wurde. Wer sich ein wenig bewegen will, den führt der Kurator Karl Krauss durch die Mühlbacher Altstadt.

An der Hauptstraße sind beinah alle Plätze an den Imbissbuden besetzt – es regnet. Erst um 12 Uhr leert sich die Straße: Der Himmel klärt auf und das Konzert der drei Silberfäden-Gruppen aus Hermannstadt, Mediasch und Schäßburg beginnt.

Der Trachtenumzug startet um 13.30 Uhr vor dem Rathaus. Die Mühlbacher Gruppe geht unter Blasmusik voran und erreicht schließlich die Hauptstraße, an deren Ende eine Bühne aufgestellt ist. Bei dem Auftritt der Volkstanzgruppen klatscht das Publikum mit, ein älterer Herr lächelt, greift die Hand seiner Ehefrau und beide tanzen neben der Bühne. 

14 Uhr: Bevor die Festveranstaltung im Lucian Blaga-Kulturhaus beginnt, wird das Buch „Altstädte, Dörfer und Kirchenburgen – Zeichnungen aus Siebenbürgen“ vorgestellt. Im Foyer des Gebäudes sind die Aquarelle des Malers Theo Damm ausgestellt. Zweimal besuchte dieser Siebenbürgen, vernarrte sich in das Land und fertigte die Arbeiten an.

Die Reihe der Grußworte eröffnet Hans Gärtner, der Vorsitzende des Verbands der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften. Ihm folgen u.a. der DFDR-Landesvorsitzende Dr. Paul Jürgen Porr, der Bürgermeister von Mühlbach Adrian Alexandru Dăncilă und der Deutsche Botschafter in Bukarest Werner Hans Lauck. Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten MdB Hartmut Koschyk fügt dem Motto „Wir sind hier“ ein solidarisches „Und wir sind an Ihrer Seite“ hinzu. MdB Bernd Fabritius, der Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, überrascht die Zuhörer mit der Verleihung zweier Goldener Ehrenwappen an den Vorsitzenden der HOG Schönau Hans Gärtner und den Schönauer Bürgermeister Ioan Horşia. Beide hatten beschlossen, das 600. Jubiläum der Gemeinde Schönau gemeinsam zu feiern. Die Schönauer Sachsen, die vor allem in Deutschland leben, reisten in die Heimat und übernachteten in ihren alten Höfen – als Gäste ihrer früheren rumänischen Nachbarn.

Die Festrede hält der Vertreter des Demokratischen Forums der Deutschen in Siebenbürgen Benjamin Józsa. Mit heiterer Leichtigkeit beantwortet er die großen Fragen des diesjährigen Treffens. Ein Beispiel: „Die Siebenbürger Sachsen sind allen Unkenrufen zum Trotz eine Gemeinschaft geblieben. Um den Wohnort des Einzelnen müssen sich die Einwohnermeldeämter kümmern, nicht wir.“ Als einen der wichtigsten Bereiche zum Fortbestand der Sachsen in Rumänien, nennt Józsa die deutschsprachigen Schulen. Doch gerade diese kränkeln. In den letzten 10 Jahren mussten 30 Prozent der Klassenzüge geschlossen werden, weil es an Lehrern mangelt. Józsa resümiert: „Lassen Sie es mich deswegen mit aller Deutlichkeit sagen. Dieses stolze Lehrsystem eingehen zu lassen, wäre keine Fahrlässigkeit, es wäre ein Verbrechen!“  

Die Honterusmedaille wird dieses Jahr an Dr. Paul Jürgen Porr verliehen für seine „Verdienste zum Zusammenhalt der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft.“ Der Arzt und ehemalige Vorsitzende des Siebenbürgenforums nimmt die Medaille sichtlich gerührt in Empfang und dankt all seinen Freunden, Partner und Kollegen, mit denen er in den fast 25 Jahren des Forums zusammenarbeiten durfte.

Gegen 17 Uhr ist die Festveranstaltung zu Ende, einige hundert Meter die Straße herunter, hat sich die Gruppe der Tanzenden vergrößert. Und die Polizisten? Der eine oder andere wippt mit dem Fuß im Takt.

Lennardt LOSS

 

Foto 1: Den Umzug um die Kirchenburg eröffnete wie immer schwungvoll die Tanzgruppe des Hermannstädter Jugendforums, gefolgt von der Tanzgruppe aus Sächsisch Reen und vielen anderen.              

Foto: Tudor GECUI

Foto 2: Paul Jürgen Porr präsentiert die Honterus-Medaille (rechts), Martin Bottesch (1. v. l.) und Reinhart Guib freuen sich mit.           

Foto: George DUMITRIU

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.