Ausgabe Nr. 2377
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Duo Bastet feierte Premiere mit „Pflegefall"
Ein Balanceakt zwischen manipulativer Hilflosigkeit und hilfloser Manipulation, lebendig, frisch und pointiert gespielt, das war die neueste Premiere des Kronstädter Theaterensembles Duo Bastet (Carmen E. Puchianu und Robert G. Elekes) mit dem Improvisationsstück „Pflegefall" am vergangenen Freitag Abend in Kronstadt.
„Einmal von Eros zu Thanatos und zurück, bitte!" lautete das Motto der 17. Auflage der Internationalen Germanistiktagung in Kronstadt am vergangenen Wochenende, in deren Rahmen diese Premiere im Veranstaltungsraum des Studentenkulturhauses gezeigt wurde. Zwei Germanisten spielten vor ihren Germanistenkollegen aus Rumänien, Georgien und Deutschland.
Das Thema des Stücks habe mit dem Motto der Germanistentagung gar nichts zu tun, beteuerten die beiden Protagonisten nach der Premiere. Eros und Thanatos spielten trotzdem die Hauptrollen. Es ging um Krankheit und Tod, Liebe und Abhängigkeit, Träume und Erinnerungen, Zerbrechlichkeit und Härte, aber auch um Vergänglichkeit allgemein.
Anders als bei ihren bisherigen Inszenierungen hätten sie dieses Stück regelrecht selbst „komponiert", ohne also wie gewöhnlich auf Texte aus der Weltliteratur zurückzugreifen, sagten Puchianu und Elekes. Zunächst bereitete jeder für sich die zugewiesene Rolle vor, schrieb also auch den zu sprechenden Text dazu. Elekes übernahm die Rolle des Altenpflegers, Puchianu jene der nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmten gealterten Schriftstellerin.
Was dann die Zuschauer am Premierenabend erlebten, war doch viel komplexer und facettenreicher, als es sich die beiden zu Beginn vorgestellt hatten. Vieles sei im Zuge der freien Improvisation auf der Bühne entstanden, sie hätten selbst nicht gemerkt, wie lange die Vorstellung eigentlich gedauert hatte, beteuerten die beiden Germanisten. Dem Betrachter selbst kann das wohl nicht aufgefallen sein. Alles lief wie am Schnürchen, wohl dosiert, ohne Längen.
Gerade das machte ja auch die Stärke dieser Inszenierung aus: die fließenden Übergänge zwischen den unterschiedlichsten Verfassungen der beiden Hauptdarsteller, die den eingangs erwähnten Balanceakt mit Bravour meistern. Am Anfang schleppt der Pfleger die Gelähmte regelrecht Schritt für Schritt auf die Bühne, müht sich sichtlich ab, sie auf das in der Mitte aufgestellte Bett zu hieven, alles vor dem Hintergrund eines farbigen Postkartenpanoramas von Kronstadt, das auf einem riesigen Transparent zu sehen ist. Diese Kulisse steht in krassem Widerspruch zu dem Geschehen auf der Bühne und dient wohl der Phantasie, die sich im Verlauf des Stücks über alle Grenzen hinweg entfaltet. Ohne jedoch aus dem Ruder zu laufen.
Der Plot ist schnell erzählt: Eine gelähmte Seniorin soll am nächsten Tag in ein Pflegeheim umsiedeln, so will es der Sohn, und der Pfleger, die sie eine längere Zeit über betreut hat, will es noch einmal so richtig krachen lassen.
Was dann auf der Bühne zu sehen ist, ist bei aller Übertreibung und bei aller Überzeichnung durchaus glaubhaft und nachvollziehbar.
So die ehrliche Feststellung des Pflegers, er habe Grund zu trauern, er sei schließlich bald arbeitslos, da die Seniorin in ein Pflegeheim „abgeschoben" werde. Er holt Bier und Zigaretten und redet in einem fort von seiner doch so ausgezeichneten Fürsorge, die er der Gelähmten geboten hätte, und beschwert sich über den herzlosen Sohn, der dies nicht zu schätzen weiß. Während er sich schließlich in die Lektüre der Tagebücher der Schriftstellerin vertieft und verstummt, übernimmt die Kranke das Steuerrad und lässt ihr Leben Revue passieren, bindet den Pfleger dann überraschend in ihre Geschichte ein: Sie habe sich schon immer eine Tochter gewünscht und so landet der Pfleger in Travestie, lässt sich auch ganz artig schminken.
Zum Schluss tanzen die beiden ausgelassen auf der Bühne, die Seniorin kollabiert und stürzt, hilflos liegt der Pfleger unter ihrem Gewicht und redet sich Mut zu in dem Sinn: „Irgendjemand wird ja kommen und mich finden". Vorhang und Stehapplaus.
Die Hermannstädter dürfen sich auf den Gastauftritt des Duos im Herbst freuen.
Beatrice UNGAR
Szenenfoto mit den beiden Protagonisten Robert G. Elekes (im Vordergrund) und Carmen E. Puchianu.
Foto: Beatrice Ungar