Auf hoher Ebene nichts tun lohnt sich

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Ausgabe Nr. 2354
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Premiere mit Dürrenmatts Romulus der Große"  am Radu Stanca-Theater

 Nichts tun zahlt sich auf hoher Ebene aus, Aktionismus führt ins Verderben: Romulus Augustus, der alles darauf gesetzt hatte, als letzter Kaiser von Westrom in die Geschichte einzugehen, wird von dem Germanenfürsten Odoaker wider Erwarten nicht getötet sondern in Rente geschickt, seine Familie und einige Minister, die sich auf dem Schiff nach Sizilien absetzen wollte, kommen in den Wellen um.

 So könnte man die neueste Inszenierung an der deutschen Abteilung des Radu Stanca-Nationaltheaters zusammenfassen, ironisch natürlich. Es handelt sich um Friedrich Dürrenmatts Frühwerk „Romulus der Große", das die Regisseurin Anca Bradu kurzweilig und brisant in Szene gesetzt hat. Dabei bedient sie sich fast aller Sprachen. So  lässt sie den vertriebenen oströmischen Kaiser Zeno der Isaurier (Pali Vecsei)  rumänisch sprechen, dessen Kämmerer Sulphurides und Phosphoridos ebenfalls. Lauthals lachten die Premierenbesucher am Dienstagabend, als Zeno in leuchtendem Mantel auftrat und seinen an den byzantinischen Gesang angelehnten „Antrag auf Asyl" in die Runde schmettert, aufmerksam sekundiert von seinen Kämmerern, die eigentlich seine Aufpasser sind.  Sein Diskurs über Vaterlandliebe usw. erinnerte an jenen des demagogischen und ambitionierten Politikers Nae Cațavencu in Caragiales „O scrisoare pierdută" (Ein verlorener Brief).

Was für die Zuschauer zuweilen strapaziös ist, schafft der Luxemburger Schauspieler Daniel Plier als Romulus sozusagen mit links. Er spricht alle Sprachen, die auf der Bühne zu Gehör kommen. Deutsch, Französisch, Italienisch, Rumänisch, ja sogar ein Paar Brocken Lateinisch. Schwieriger ist es für die nur einer Sprache Kundigen. Übersetzt wird z. B. das auf Französisch geführte Gespräch zwischen dem Kaiser und dem Antiquitätenhändler ins Deutsche. Dabei sollte ja die Übersetzung denen entgegen kommen, die kein Deutsch können…

Dieser Kunstgriff mit dem Sprachenwirrwarr verleiht dem Stück angesichts der Wirtschaftskrise in der Welt und auf Rumänien gemünzt der Vertrauenskrise, in der sich die Politiker befinden, eine überraschende Aktualität.

Dürrenmatt selbst nannte sein Werk eine „ungeschichtliche historische Komödie", die „vom Morgen des 15. bis zum Morgen des 16. März vierhundertsechsundsiebzig nach Christi Geburt" auf dem Sommersitz des Kaisers in Campanien spielt. Auf diesem Sommersitz frönt der Kaiser seiner Leidenschaft, der Hühnerzucht, und tut außer Schlafen, Essen und Hühner füttern, die übrigens Namen berühmter römischer Kaiser aber auch von Widersachern von Rom tragen, nichts. Der aus der germanischen Gefangenschaft geflohene Verlobte der Kaiserstochter Rea, Ämilian (Wolfgang Kandler), bringt es auf den Punkt: „Willkommen Imperator des guten Essens und des gesegneten Schlafs in der Mittagshitze. Sei gegüßt, Cäsar der Hühner und Stratege des Eierlegens!" Romulus unternimmt auch dann nichts, als die Germanen Rom stürmen und wartet nur noch auf seinen Tod. Allerdings erweist sich die Rechnung des Kaisers von Rom als falsch. Odoaker, der „Barbare", erweist sich als gar nicht so grausam, sondern ebenfalls als leidenschaftlicher Hühnerzüchter. Er ruft auch verzweifelt in die Runde: „Ich bin Bauer, ich hasse Krieg!"  

Beatrice UNGAR

 

Foto 1: Hühnerzüchter unter sich: Odoaker (links, Daniel Bucher) und Romulus der Große (Daniel Plier) auf der Bühne des Radu Stanca-Nationaltheaters. Foto: Fred NUSS

Foto 2: Der letzte römische Kaiser, Romulus Augustus (Daniel Plier), inmitten seines Hühnerhofes.                                                          

Foto: Fred NUSS

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kultur.