Vom prozesshaften Wandel

Teile diesen Artikel

Ausgabe Nr. 2344
 >

Peter Jacobi und seine Studie für eine Kreuzigung"

 

Nach dem Studium an der Kunstakademie Nicolae Grigorescu in Bukarest wurde Peter Jacobi 1961 auf eine Lehrerstelle am musischen Gymnasium im südrumänischen Craiova zugeteilt, die er jedoch vor Jahresfrist kündigte. Als positiv an seinem Aufenthalt in Craiova schätzt Jacobi, dass er im nahe gelegenen Târgu Jiu das Skulpturenensemble von Constantin Brâncuşi kennenlernte. Auch beeindruckten ihn auf seinen Wanderungen durch Oltenien Webarbeiten aus Ziegenhaar und die einfachen Holzikonen in den Dörfern.

 

Die oltenischen Holzikonen sind durch eine besonders freie Stilisierung gekennzeichnet. Da das Thema der Kreuzigung den Künstler schon lange interessierte, begann er an der Studie für eine Kreuzigung, obwohl religiöse Themen zu der Zeit unerwünscht waren.

Im Laufe von fünf Jahrzehnten bearbeitete Jacobi eine frühe Bronzefassung der Skulptur immer wieder, so dass heute kaum noch etwas an die erste Fassung erinnert.

2013 schenkte Peter Jacobi den „Studie für eine Kreuzigung" benannten Torso dem Landeskirchlichen Museum im Teutsch-Haus in Hermannstadt.

Die lange Entstehungsgeschichte dieses Werkes beeindruckt.  Es schwingt darin viel mit:  ausgeliefert sein, leiden, lernen, sich entwickeln, überwinden, frei sein.

Durch die Kunst wirkt der schöpferische Mensch gegen den Zwang der kommunistischen Zeit, er hinterfragt, sucht andere Antworten.

In der Figur des leidenden Christus, in diesem intensiv bearbeiteten Material, bündelt sich die Vorstellung des prozesshaften Wandels.

Die jahrelange Bearbeitung hat erst zu dieser Form geführt: Zwar zerfurcht, aber nicht zerbrochen;  zwar verändert, aber nicht zerstört.

Der Torso strahlt die Kraft aus, die über Jahre hinweg hineingelegt wurde.

Ein Andenken aus einer Zeit der Unfreiheit, nun ein Trost in einer Zeit der Freiheit.

Gerhild RUDOLF

 

Peter Jacobi mit seiner Studie für eine Kreuzigung" (1964-2009, Bronze, 69x43x17 cm).                                                      

Foto: Beatrice UNGAR

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kultur.