Ausgabe Nr. 2343
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Die Erfindung des Luftballons vor 230 Jahren – und wie sie von den Hermannstädtern miterlebt wurde
Das muss den Hermannstädtern zugute gehalten werden, sie waren immer auf dem Laufenden. Auch in Sachen Luftballon: Im Juni 1783 gelingt es den Brüdern Montgolfier aus Frankreich, den ersten Heißluftballon – Kaiser Josef II. nannte ihn „ein Spiel der Weisen in Europa" – zu starten. Ein Jahr darauf, 1784, sollte die große Erfindung auch hier ausprobiert werden. Dieses Ereignis wird von der Hermannstädter Zeitung Nr. 39/1784 wie folgt beschrieben:
„Unsere Muthmassung, dass wir in Hermannstadt ganz sicher eine Luftkugel, später oder früher sehen würden, hat uns nicht betrogen, ob wir gleich alles grösstentheils nur dem Zufall zu verdanken haben. Ein fremder Officier brachte eine etwa 30 Zoll im Durchschnitt dicke von Wien, welche in der Behausung des Titl. H. Brigadier Generals v. Rall, aufsteigen sollte. Man füllte sie zum Theil in seiner Gegenwart, weil aber der Mittag heranrückte, und der Herr General nicht zu Hause speisen sollte, so machte in seiner Abwesenheit der Herr Adjutant mit genanntem Officier den Versuch nur vor sich in dem Hof. Eine Schnur von 50 Klafter war daran gemacht, und der Ballon stieg, mit äusserster Leichtigkeit eine beträchtliche Höhe. Durch ein Versehen entwischte aber derselbe, und in weniger als zwo Minuten erreichte er eine solche Höhe, dass man ihn kaum erkennen konnte. Man weiss noch nicht wo er sich niedergelassen haben wird. Es ist aber an alle Militär Oerter deswegen ausgeschrieben worden, und dem Finder desselben wird eine ansehliche Vergütung versprochen.“
Und bekümmert schließt der Berichterstatter: „Das Wunderding ist uns früher entrissen worden, als dass es unsere Mathematiker und Mechaniker von Angesicht zu Angesicht gesehen hätten, um wenigstens ein Modell zu einem neuen davon zu nehmen“
Gewiss, die ernsten Vorgänge vor 230 Jahren erscheinen uns heute weniger ernst. Doch wer weiß, ob man nicht in 100 Jahren schon über unsere jetzige Unwissenheit – vielleicht betreffs fliegender Untertassen – von Herzen lachen wird.
Horst KLUSCH
Anmerkung der Redaktion: Hätten die Veranstalter des Spektakels „Zburătorul" (Der Fliegende, der Mensch im Weltraum), das am 21. Juli d. J. auf dem Großen Ring gezeigt wurde und u. a. Konrad Haas und Hermann Oberth als Raumfahrtpioniere würdigte, diese Zeilen gelesen, hätte es vielleicht auch einen Heißluftballon in der Show gegeben.
Bildtext: Horst Zay: Und das Wunderding steigt. Diese Zeichnung illustrierte den Beitrag zum 200. Geburtstag des Luftballons in der Hermannstädter Zeitung Nr. 45 vom 6. Dezember 1968