,,Meisterwerk an edler Knappheit“

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Laudatio auf Dr. Harald Roth zur Verleihung der Honterus-Medaille 2025

Ausgabe Nr. 2931

Dr. Harald Roth bei der Vorstellung des 11. Bandes des Schriftsteller-Lexikons im Teutsch-Haus am 22. September d. J..           Foto: Beatrice UNGAR

Der gebürtige Schäßburger Historiker Dr. Harald Roth, Direktor des Deutschen Kulturforums östliches Europa, wurde im Rahmen des 35. Sachsentreffens, das am 19. und 20. September d. J. in Zeiden stattgefunden hat, mit der Honterus-Medaille ausgezeichnet, die gemeinsam von dem Siebenbürgenforum und der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien verliehen wird. Die Laudatio auf den Geehrten hielt der DFDR-Geschäftsführer Benjamin Józsa, der sie dankenswerterweise der HZ zur Veröffentlichung zur Verfügung stellte:

Die Laudatio auf Dr. Harald Roth hatte zwei Voraussetzungen: Sie musste knapp gehalten werden und der Geehrte mag Aufhebens um seine Person überhaupt nicht. Zugegeben sind das die denkbar stiefmütterlichsten Voraussetzungen für eine Laudatio. Folglich werde ich mich der Frage widmen, was ein Historiker ist und wie ein Historiker gemacht wird. Dazu müssen wir freilich ein wenig Gott über die Schulter zu schauen versuchen, was aber nicht so abwegig ist, wie es auf den ersten Blick scheint, denn Gott und die Historiker sind, eines Bonmots zufolge, sich ergänzende Kreise: Gott kann die Zukunft ändern, die Historiker auch die Vergangenheit.

Man nehme also: ein gesundes Mannsbild und blase ihm ein: Respekt vor historischen Quellen und dem Geschriebenen im Allgemeinen; eine enge Freundschaft zu Büchern, so eng, wie sie nur ein Bücherfreund pflegen kann und die Liebe zur Heimat, auch wenn Zeitläufte die geographische Ferne zur Heimat mitbrachten. Man gebe eine kräftige Prise trockenen Humors dazu, der dazu führt, dass man Merkwürdigkeiten der Archive, Staats- oder andere, mit Gelassenheit erträgt. Dann lasse man ihn studieren, wie in dem uns vorliegendem Fall Neuere und Osteuropäische Geschichte und Evangelische Theologie in München, Freiburg und Heidelberg, schließlich jage man ihn hinaus in die weite Welt, etwa mit einem Fulbright Stipendium nach Seattle. Nebenbei lasse man ihn promovieren, wobei jeder weiß, dass das Wort nebenbei nur ein Stilmittel ist. Dieser Historiker macht nichts nebenbei – das ist einer seiner grundlegenen Wesenszüge.

Wenn er auf diese Weise leidensfähig genug geworden ist, lässt man ihn das alte Wort spüren: „Wen die Götter strafen wollen, dem machen sie die Leidenschaft zum Beruf“ und lässt ihn Gremienarbeit machen, wie etwa den Vorsitz des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde, den Vorsitz des siebenbürgisch-sächsischen Kulturrats und wenn das alles noch nicht genug ist, den Geschäftsführer des Siebenbürgen-Instituts und den Leiter der Siebenbürgischen Bibliothek auf Schloss Horneck. Danach setze man sich kurz hin und staune: Aus dem Bücherwurm ist im Handumdrehen ein Bücherlöwe geworden, der nicht nur die Gundelsheimer Geschäftsstelle finanziell konsolidierte und absicherte, sondern sogar nach mehr giert. Also lasse man ihn ruhig durch die siebenbürgisch-sächsische Savanne streifen und sich um Nachwuchs kümmern, um den eigenen (gemeint sind Charlotte und Johannes, laut eigenem Bekunden, ich zitiere „das einzig wirklich Wichtige, alles andere verblasst dagegen“) aber auch um den siebenbürgisch-sächsischen, historischen Nachwuchs, sei es mit Studium Transylvanicum und Siebenbürgischer Ferienakademie (die bis zum heutigen Tage weitergeführt werden) aber auch durch die Gründung des siebenbürgisch-sächsischen Jugendpreises.

Wer bisher genauso atemlos zugehört hat, wie dieses geschrieben wurde, stellt sich sicher die Frage: Wie hat der Historiker noch Zeit für die Königsdisziplin gefunden, nämlich Bücher zu schreiben und in Publikationen zu veröffentlichen?

Hier sieht man zum ersten Mal des Schöpfers Meisterhand. Dem Historiker Harald Roth wurde die seltene Gabe zur Synthese gegeben, die Besinnung auf das Wesentliche, ohne dass das Wesentliche leblos daherkommt. Persönlich habe ich keine besser zusammegefassten Bücher zur siebenbürgischen Geschichte gelesen als die „Kleine Geschichte Siebenbürgens“ (die auch in rumänischer und ungarischer Übersetzung vorliegt), die Kleine Geschichte von Hermannstadt bzw. von Kronstadt. Sie sind nicht nur ein genaustens fundierter Abriss zu der jeweiligen Geschichte aber auch ein Meisterwerk an edler Knappheit.

Freilich lässt es sich trefflich streiten, ob zuerst die Gabe der Besinnung auf das Wesentliche erst die vielen Aufgaben möglich gemacht hat oder die vielen Aufgaben das Wesentliche erzwungen haben. Meine bescheidene Vermutung ist, dass die ausgeübte Geschäftsführung hier mehr bewirkt hat als zehn Proseminare dazu.

Einem hervorragenden Historiker steht es aber auch gut an, über den Tellerrand hinwegzusehen, was in diesem herrlich selbstzufriedenen Siebenbürgen schwerer fallen mag als anderswo. Der Historiker, über den wir heute sprechen, hat dieser Versuchung nicht nachgegeben und verlegte sein Aufgabenfeld ab 2008 nach Potsdam, ans Deutsche Kulturforum Östliches Europa, wo er seit 2013 die Direktorenstelle einnimmt und so zur Aufgabe hat, alle deutschen Siedlungsgruppen im östlichen Europa zu präsentieren, nicht nur in Deutschland aber auch in den Herkunftsregionen.

Bei so einer Vita bleiben auch die Ehrungen nicht aus. Außer der heutigen Honterus-Medaille ist Harald Roth Träger des Ernst-Habermann-Preises, des Georg-Dehio Förderpreises und des Siebenbürgisch-Sächsischen Ehrenpreises. Doch die Ehrung, die dem mit-Herz-und-Seele-Kronstädter wohl am meisten bedeutet hat, war sicherlich die Ehrenbürgerschaft der Stadt Kronstadt im Jahr 2011.

Dass ein vollständiger Abriss aller Meriten einer derart reichen Vita in der gebotenen Kürze nicht möglich ist, wird jedem sofort einleuchten. Deswegen möge man mir nachsehen, dass ich das eine oder andere ausgelassen habe.

Erlauben Sie mir zum Abschluss noch einmal zu unterstreichen, dass wir heute die Exzellenz in Reinform ehren, die Freude und Ausdauer an der Gestaltung, den unbestechlichen historischen Blick und die Liebe zu Siebenbürgen. Menschen wie Harald Roth geben immer weit mehr als sie nehmen. Deswegen verleihen wir ihm heute symbolisch diese Ehrengabe, die nach Johannes Honterus benannt wurde.

Herzlichen Glückwunsch zur Honterus-Medaille. Durch Deine Tätigkeit bist Du ein mehr als würdiger Nachfolger Johannes Honterus‘. Habe Dank für alles, was Du für Siebenbürgen und nicht nur, getan hast – Gott erhold Dech noch viele Jahrzehnte!

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Persönlichkeiten.