Nachlese zum 32. Internationalen Hermannstädter Theaterfestival
Ausgabe Nr. 2919

Szenenfoto aus „Winter” mit David Cristian (links) und Viviane Havrilla.
Foto: Volker VORNEHM
Das 32. Internationale Hermannstädter Theaterfestival (FITS) ist am 29. Juni zu Ende gegangen, davon zehren könnte man allerdings, wenn man sich nur auf das Angebot konzentrieren würde, bis Jahresende. Einige Ausstellungen sind noch bis Ende August zu sehen, vier Produktionen des TNRS für das Nationale Theaterfestival ausgewählt.
Zwei der Sonderausstellungen befinden sich im Brukenthalpalais: „Costume. Sculpture. Body” mit Theaterobjekten von Tadeusz Kantor, und „Ovidiu Maitec 100”. Bei den ausgewählten Theaterstücken handelt es sich um zwei von der rumänischen Abteilung – „Lungul drum al zilei către noapte” (Eines langen Tages Reise in die Nacht) von Eugene O’Neill (Regie Timofey Kuljabin) und „Iona” von Marin Sorescu (Regie Silviu Purcărete) – und zwei von der deutschen Abteilung – „Bluthochzeit” von Federico García Lorca (Regie Hunor Horváth) und „Einfach das Ende der Welt” von Jean-Luc Lagarce (Regie Eugen Jebeleanu).

Bei der Pressekonferenz im ehemaligen Landkartenkabinett (v. l. n. r.): Raluca Teodorescu, ad interim Managerin des Museums, Irina Ungureanu Sturza, Kuratorin der Sonderausstellung, Dana und Stephane Maitec.
Foto: Beatrice UNGAR
Im Rahmen des Theaterfestivals gab es gleich zwei Vorstellungen mit der „Bluthochzeit” am gleichen Tag. Ebenfalls in die Auswahl hätte auch die andere Inszenierung von Hunor Horváth gehört: Ein Theaterstück von Jon Vosse. Seine „innovativen Theaterstücke“ und Prosa gäben „dem Unsagbaren eine Stimme“. So begründete die schwedische Akademie in Stockholm die Verleihung des Literaturnobelpreises 2023 an den norwegischen Schiftsteller Jon Fosse. Unsagbares und Unsägliches stehen auch im Mittelpunkt seines Stücks „Winter”, das Horváth an der deutschen Abteilung des Hermannstädter Radu Stanca-Nationaltheaters inszeniert hat und das im Rahmen des FITS 2025 ausnahmsweise in einer Halle in der Kulturfabrik aufgeführt wurde. Die Vorpremiere hatte auf der TNRS-Bühne stattgefunden.

Zwei Skulpturen hat die Familie von Ovidiu Maitec dem Brukenthalmuseum geschenkt: Eine davon ist „Der Vogel” (1972 aus Nußholz), die im Kuriositätenkabinett ausgestellt ist.
Foto: Beatrice UNGAR
Wer die Vorstellung erlebt hat, musste unweigerlich an die Sonderausstellung zum 100. Geburtstag des Bildhauers Ovidiu Maitec denken, die im Brukenthalpalais zu sehen ist. Maitec hat im Dezember 1989 mit ansehen müssen, wie sein Atelier in Bukarest in Flammen aufgeht. Danach hat er sich eingekapselt, sagte sein Sohn Stephane Maitec bei der Vernissage. Bis dahin hatte er offene nahezu filigrane Holzskulpturen mit „Durchblick” geschaffen, ab dem Zeitpunkt gab es nur noch Holzblöcke. Die Frage drängt sich auf: Wie geht es einem Menschen, der sein ganzes Werk, also alles, verliert? Dieser Frage geht auch Jon Vosse nach: Es geht in seinem Stück um ein Wechselspiel zwischen Offenheit und Verschlossenheit, um die Unfähigkeit, eine echte Kommunikation zuzulassen. Sobald der Mann – eindrücklich gespielt von Daniel Bucher – aufbricht, also Nähe zulässt und auf die Frau – gespielt von Fatma Mohamed – , die ihn anfangs umgarnt und regelrecht anmacht, zugeht, tut sie so, als wüsste sie von nichts. Derweilen tanzt ein Paar – das Alter Ego der beiden Hauptdarsteller, die übrigens ein Ehepaar sind -, ständig um die runde Bühne herum. Auf der Bühne stehen zwei Paare, de facto sind es vier Solisten. Gesprochen wird hauptsächlich englisch, geflucht rumänisch und ganz am Ende hört man auch einige deutsche Sätze. Doch die Sprache spielt eigentlich keine große Rolle, wenn es darum geht, sich zu verstehen, zu verständigen. Das ist die Botschaft der Inszenierung, die mit Untersützung des Goethe Instituts Bukarest und der Botschaft des Königreiches Norwegen zustande kommen konnte.

Szenenfoto aus „Winter” mit Daniel Bucher.
Foto: Volker VORNEHM
Sprache spielte auch bei den Vorstellungen des polnischen Künstlers und Regisseurs Tadeusz Kantor (1915-1990) keine Rolle. Kantor gilt als einer der wichtigsten Vertreter des Absurden Theaters überhaupt. Die Aufführungen seiner 1955 gegründeten Gruppe „Cricot2” überwanden Grenzen zwischen bildender Kunst und Theater. Die Kantor gewidmete Sonderausstellung im Brukenthalpalais gibt Einblick in das Wirken dieses Künstlers, der nach eigener Aussage aus der „armseligen Stube meiner Vorstellungskraft” schöpfte.
B. U.

Blick in die Ausstellung „Costume. Sculpture.Body” mit Theaterobjekten von Tadeusz Kantor im 2. Stock im Brukenthalpalais. Foto: Beatrice UNGAR