Die 32. Auflage des Hermannstädter Internationalen Theaterfestivals
Ausgabe Nr. 2918

Sieben Sterne wurden dieses Jahr vergeben, die seit Samstag auf der Ruhmesmeile im Harteneckpark zu sehen sind. Unser Bild (v. l. n. r.): der Schauspieler Kuranosuke Sasaki, Julien Chiappone-Luccesi (für Alexis Michalik), Roxana Mânzatu (für Eugène Ionesco), Festivalsleiter Constantin Chiriac, die Schauspielerin Kathleen Turner (USA), Bürgermeisterin Astrid Fodor, der Nobelpreisträger Wole Soyinka (Nigeria), der Schauspieler Bill Murray (USA). Foto: Sebastian MARCOVICI
Beeindruckende Zahlen, zufriedene Besucher, entspannte Organisatoren: Die 32. Auflage des Internationalen Hermannstädter Theaterfestivals ist am Sonntag zu Ende gegangen, genau wie es begonnen hat, mit einer Drohnen- und Lasershow, in deren Mittelpunkt „Mulțumesc” (Danke) stand, das Motto des zehntägigen Festivals. 842 Veranstaltungen, 5.000 Künstler aus 82 Ländern und 100.000 Besucher pro Tag – eines der größten Theaterfestivals der Welt ist sicherlich das wichtigste Kulturevent des Jahres hier in Hermannstadt.
Die Anzahl der Events pro Tag war sehr groß, doch viele davon waren Ausstellungen und Online-Events – und das bringt schon die erste gute Nachricht für diejenigen, die dieses Jahr nicht dabei sein konnten oder nichts verpassen wollen: Viele Stücke kann man online auch in den nächsten Wochen oder Monaten sehen und auch die Ausstellungen sind zum Teil noch geöffnet. Die Anzahl der Indoor-Events war vergleichbar hoch wie in den Vorjahren, zum Teil auch weil die Anzahl der passenden Säle noch nicht gestiegen ist, doch für Theaterliebhaber war das Angebot eher überschaubar. So konnte man die meisten Theaterstücke sehen, wenn man richtig plante und auch bereit war, entsprechend viel Geld dafür auszugeben. Die Kartenpreise sind seit einigen Jahren nicht mehr gestiegen und bewegten sich zwischen 30 und 150 Lei, wobei die Karten für die bekanntesten Vorstellungen – von Tanz bis Theater – bei 120 und 150 Lei kosteten.

Weltklasse-Akrobaten aus Australien traten in der
Kulturfabrik auf. Unser Bild: Links zu sehen ist ein Flipchart, auf dem eine Zuschauerin den Akrobaten vorzeichnet, wie die Pyramide aussehen sollte. Danach gab es sogar Noten.
Foto: Ruxandra STĂNESCU
Akrobatik pur brachten am Mittwoch die acht Australier von „Gravity & Other Myths“ in der Regie von Lachlan Binns auf die Bühne. Ihr Performance „Ten Thousand Hours” (Zehntausend Stunden) wurde im Programm ein bisschen unglücklich übersetzt und als die „Perfektion des Zirkus” vorgestellt, denn das Stück war genau das, was der Originaltitel sagte: Eine Hommage an die unzähligen Stunden, die es braucht, um Großes zu erreichen. Die Weltklasse-Akrobaten stellten all ihre Fähigkeiten unter Beweis, zu den pulsierenden Beats der Live-Percussion, ohne jegliche Glitzerkostüme, die etwas hätten vertuschen können, einfach nur die Sensationen und die Risiken ihrer Kunst, die sie an den Rand ihrer Grenzen brachten und fast der Physik trotzten.
Die US-Schauspielerin Kathleen Turner – eine der berühmtesten Persönlichkeiten, die einen der inzwischen 77 Sterne auf der Ruhmesmeile in Hermannstadt erhalten hat -, war in dem Stück „Listen to me” (Hör mir zu) auf der Reitsportanlage von CSM Sibiu zu sehen. Teil der Show waren auch vier Pferde und Reiter. Das Stück in der Regie von David Kaplan war auch eines der anspruchsvollsten Stücke, die man in den letzten Jahren bei FITS sehen konnte, in dem die gesprochenen Worte weitaus weniger wichtig waren als ihr Rhythmus, typisch für die Autorin Gertrude Stein. Das Thema war einfach: Gertrude Stein sitzt mit ihrer Lebensgefährtin Alice Toklas in ihrer Pariser Wohnung 1936 und betrachtet ein Gemälde mit Zirkuskünstler von Picasso und kommt auf die Idee, ein Theaterstück zu schreiben. „Hör mir zu“, sagt sie öfters zu Alice, und auch hie und da mal „Hör auf mich und nicht auf sie”. Der Reihe nach erscheinen ihre Freunde – Picasso, Hemingway, Josephine Baker – und werden Figuren im surrealistischen Stück, das vom Publikum zum Teil eher negativ empfangen wurde. Auch dieses Stück kann man weiterhin online sehen.

Kathleen Turner (rechts) und Brenda Currin präsentierten auf der Reitsportanlage von CSM Sibiu als Weltpremiere das Stück „Listen to Me”.
Foto: Sebastian MARCOVICI
„Regina nopții” von Leta Popescu brachte die Schauspieler des Dramatischen „Fani Tardini” Theaters aus Galați nach Hermannstadt. Der Titel „Königin der Nacht” bezieht sich auf den Ziertabak (Nicotiana alata), der Sommerabende auf dem Dorf verschönert. Das moderne Stück war sehr erfrischend, trotz der Hitze im Saal. Die Geschichte ist eher einfach: Oma und Opa trommeln die ganze Familie zusammen – die drei Töchter mit und ohne Ehemann und deren erwachsene Kinder – , weil der Uropa spürt, dass er bald sterben wird. Mensch und Tier bereiten sich darauf vor – Erzähler ist übrigens der Ziegenbock der Familie. Die rumänischen Traditionen – insbesondere die auf dem Lande – müssen alle eingehalten werden und auch typisch rumänisch ist der Ruf des Steinkauzes (cucuvea), der den Tod einer Person ankündet. Trotz oder vielleicht wegen diesen Vorbereitungen ist das Stück sehr lustig, bis das Ganze ein dramatisches Ende hat und das Publikum nicht nur überrascht hat, sondern größtenteils auch weinen ließ.
Eines der besten Konzerte gab übrigens Mihai Mărgineanu und seine fantastische Band, mit Nicu Dumitrescu, Florin Ionescu, Cristi Horia, Michele Vișan, Vasile Malic und Mirel Cumpănaș. Mărgineanus Musik ist aus dem städtischen Folklore inspiriert, bekannt sind auch die alten rumänischen Trinklieder und unzensierte Roma-Lieder, die von seiner multiethnischen Band allerdings fast klassisch wiedergegeben werden. Tatsächlich stellte der Musiker seine Kollegen liebevoll vor, von der musikalischen Vorbereitung – Konservatoriumabsolventen und Rockmusiker bis zu ihrer Ethnie, denn mehr als die Hälfte der Band besteht aus Roma, worauf er sehr stolz ist. Auf dem Großen Ring sangen sie Mărgineanus bekanntesten Hits.
Viele hatten sich auf die „Kibbutz Contemporary Dance Company” aus Israel gefreut, die Tanzvorstellung, die für den Dienstagabend geplant war, allerdings wegen des Nahost-Krieges abgesagt werden musste. An deren Stelle wurde das Theaterstück „Ierbar“ (Herbarium) in der Regie von Radu Afrim gezeigt, das 2023 den UNITER-Preis für den besten rumänischen dramatischen Text, der in absoluter Erstaufführung inszeniert wurde, gewonnen hat. Der Text, eine Adaption nach dem „Buch der Pflanzen und Tiere“ (Cartea plantelor și animalelor) von Simona Popescu wird von den Schauspielern des Nationaltheaters Târgu Mureș interpretiert. Im ausverkauften großen Saal des Ion Besoiu Kulturzentrums staunten die Zuschauer zuerst über die üppige Bühnengestaltung von Irina Moscu: Ein großes Gewächshaus und viele natürlich aussehende Blumen, Sträucher und Büsche schmücken die mit Mulch bedeckte Bühne, Vögelchen zwitschern im Hintergrund. In diesem einzigartigen Ambiente wird man Zeuge einer poetischen Meditation über Pflanzen und die Vergänglichkeit des Lebens, die sowohl lyrische als auch komische Züge trägt. Kurz gesagt, ein älteres Ehepaar, das diesen botanischen Garten betreibt, ein Paar mittleren Alters und einige Jugendliche werden in diesen faszinierenden Raum hineingezogen, in eine atemberaubende szenische Erfahrung, die zu einer Allegorie des Lebens wird und eine Gelegenheit bietet, sich wieder mit der Natur zu verbinden, die wir in der Stadtwelt vergessen haben. In den Hauptrollen: Nicu Mihoc als Viorel – ein alter Gewächshaus- und Gartenbesitzer, der sich, nachdem er die Weisheit erlangt hat, erlaubt, bissige Witze über die jüngeren Generationen zu machen, in denen sich sein früheres unreifes Ich spiegelt -, Katalin Berekméri als Róza – eine nostalgische Kommunistin, die sich den sprühenden Humor ihres Mannes zu eigen macht -, Laura Mihalache als hysterische und naive SunnyMoon, Alex Stoicescu als überschwänglicher Darius. Radu Afrim gelingt es mit „Ierbar“ eine dramatische Ode über das Verwelken, die Regeneration, die Frische und die Wahrnehmung zu formulieren, mit reichen spektakulären Mitteln, immer spontan und mit Bewunderung für das Lebendige.

Szenenfoto aus „Ierbar” mit Katalin Berekméri, Alex Stoicescu, Nicu Mihoc (v. l. n. r.). Foto: Cynthia PINTER
Aus der Natur ging es in den staubigen Sportsaal mit Sprossenwand, Sprungkasten und Basketballkorb. Sechs junge Männer in weißer Sportkleidung hüpften und trainierten schwitzend, während die Zuschauer ihre Plätze im kleinen Studiosaal einnahmen. Das Theaterstück „Cine l-a ucis pe tata“ (Wer hat meinen Vater umgebracht) von Édouard Louis wurde vom Bukarester „Metropolis“-Theater, unter der Regie von Andrei Măjeri am Mittwoch, dem 25. Juni, aufgeführt. Das Stück erzählt die Geschichte einer turbulenten Vater-Sohn-Beziehung, die von Themen wie Gemeinschaft, Mitgefühl und toxischer Männlichkeit geprägt ist. Ein Schauspieler liest einen Satz vor, die anderen Schauspieler beginnen, je nach Inhalt des Satzes, das soeben Gelesene aufzuführen. Die Figuren beschreiben ihre Gesten und Handlungen, während sie sie ausführen, die Wortmeldungen kommen schließlich und wiederholen was gerade angekündigt wurde, als Bestätigung. Der Vater ist Alex Iezdimir, der passendste als Statur der sechs Schauspieler in der Besetzung. Der Sohn ist anfangs Adelin Tudorache, der dann aber nach dem Prinzip der Rotation von den anderen Schauspielern abgewechselt wird. Die Dynamik des Stücks ist sehr lebendig und lässt keine Langeweile aufkommen. Die Energien der sechs jungen Männer heizen die spannungsgeladenen Momente an, ohne sie der Harmonie zu berauben, und das alles in einem affektiven, spirituellen und intellektuellen vielstimmigen Vortrag.
Einer der Tanz-Höhepunkte des Theaterfestivals war die Aufführung von „Jackie Chans Long Yun Kung Fu Troupe“ aus China, die unter dem Titel „11 Warriors“ (11 Krieger) vor allem die jüngeren Zuschauer im Saal der Kulturfabrik beeindruckten. Jackie Chan ist einer der berühmtesten Schauspieler Asiens, der ewige Retter der Welt mit einem verschmitzten Lächeln, Regisseur, Stuntman, Drehbuchautor, Produzent und Philanthrop. In seiner Beijinger Kompanie versammelte er ein einzigartiges kreatives Team: Er kombinierte Tänzer und Athleten für eine unglaubliche Performance, die Elemente des Kung-Fu, des traditionellen chinesischen Balletts und des modernen Tanzes miteinander verband. In fünf Akten der Show wird die Geschichte des Kung Fu dargestellt: von den mythischen Ursprüngen der Praktiken der Shaolin-Mönche bis hin zu ausgefeilten modernen Techniken. Mit Nunchucks, Langstöcken und Säbeln kämpften und tanzten sich die Krieger in die Herzen der Hermannstädter.

Die Mitglieder der „Jackie Chans Long Yun Kung Fu”-Truppe aus China führten die Akrobatik- und Tanz-Performance „11 Krieger” im Faust-Saal in der Kulturfabrik auf.
Foto: Cynthia PINTER
Tanz gab es auch am vorletzten Abend. „Coup fatal“ in der Choreografie von Alain Platel war eine Mischung zwischen europäischer Barockmusik und traditioneller kongolesischer Musik, mit dem jungen Kontratenor Serge Kakudji und einem Orchester von 12 Musikern aus Kinshasa. Für einige konservative Zuschauer der älteren Generation war „der Mann, der wie eine Frau singt“ etwas gewöhnungsbedürftig. Auf der Bühne wurde gesungen, getanzt, gesprochen und zum Schluss gab es sogar eine bunte Modeschau. Opernarien von Vivaldi und Gluck wurden von Serge Kakudji mit einem verblüffend androgynen Kontratenor gesungen, während die Schlagzeuger der Band teuflisch komplexe Polirhythmen auflegten. Tänzerinnen und Tänzer sangen in atemberaubenden Harmonien, ließen ihre Hüften wie Stripperinnen und Stripper kreisen. Die riesigen Bühnenvorhänge klirrten angenehm wie ein Glockenspiel, wenn die Perkussionisten und Tänzer durch sie hindurchliefen – sie sind aus ausrangierten Patronenhülsen aus den Bürgerkriegen in der Demokratischen Republik Kongo gefertigt worden. Es war eine atemberaubende, zum Nachdenken anregende Show, die mit einer wohlverdienten Standing Ovation begrüßt wurde.

Szenenfoto aus dem Stück „Cine l-a ucis pe tata“ von Édouard Louis des Bukarester „Metropolis“-Theaters. Foto: Cynthia PINTER
Der Regisseur Silviu Purcărete war dieses Jahr beim FITS mit mehreren Stücken vertreten, u. a. mit dem Theaterstück „Tertium non datur“ von Sacha Guitry des „Odeon“Theaters und des „George Coșbuc“ Kulturzentrums Bistritz. „Endlich eine Komödie“, seufzte ein Zuschauer in der 6. Reihe des Ion Besoiu-Kulturzentrums. Tatsächlich waren Komödien eine Seltenheit beim diesjährigen FITS. Die kurzen Szenen in „Tertium non datur” (geschrieben zwischen 1905 und 1939) sind voller Fantasie und Charme, mit würzigen Dialogen, die mit Witz und Humor gespickt sind. Sie sind flüssig, leicht und erfassen den französischen Geist in seiner ganzen Pracht. Unter Berufung auf das von Aristoteles eingeführte Grundprinzip der formalen Logik (Tertium non datur – es gibt keinen dritten Weg / keinen Mittelweg) hat Purcărete eine weitere außergewöhnliche Leistung erbracht. Einige verließen das Theater sichtlich beeindruckt von der tadellosen Leistung der jungen Schauspieler (und eines lebendigen Chihuahua). Es spielten: Pavel Bartoș, Ioana Bugarin, Claudiu Bleonț, Ioan Batinaș, Vlad Bîrzanu, Ruxandra Maniu, Ana Maria Moldovan und Meda Victor.

Szenenfoto mit Chihuahua und den Schauspielerinnen Meda Victor und Ana Maria Moldovan aus der Inszenierung des Stücks „Tertium non datur” von Sacha Guitry durch Silviu Purcărete, eine Koproduktion des Bukarester Odeon-Theaters und des Städtischen Kulturzentrums Bistritz.
Foto: Cynthia PINTER
Mit „Casa Bernardei Alba” (Bernarda Albas Haus) bringt das Teatrul de Stat Constanța unter der Regie von Diana Mititelu Federico García Lorcas letzte große Tragödie auf die Bühne – eine Geschichte über Unterdrückung, Sehnsucht und das unsichtbare Gefängnis weiblicher Existenz. In einem kargen andalusischen Haus, das an ein klösterliches Refektorium erinnert, herrscht Trauer – und mit ihr die eiskalte Kontrolle der matriarchalen Bernarda über ihre fünf Töchter, ihre Mutter und die Dienstmagd. Die Inszenierung besticht durch eine bewusst reduzierte Ästhetik: weiße Wände, eine lange Holztafel, schwarze Kleider – alles spricht von Ordnung, Strenge und dem Verlust von Farbe und Leben.
Luiza Martinescu in der Rolle der Bernarda überzeugt mit einer Präsenz, die sowohl autoritär als auch unerwartet verletzlich wirkt. Ihr starrer Blick, ihre schneidende Stimme und ihre Körperhaltung schaffen eine Figur, die sich zwischen Tyrannei und versteckter Menschlichkeit bewegt. Die Produktion fragt nach dem Preis der Anpassung, der Kraft des Widerstands und dem unstillbaren Verlangen nach Freiheit und Liebe – Themen, die weit über die andalusischen Mauern hinausweisen. Trotz einzelner szenischer Schwächen entfaltet „Casa Bernardei Alba” eine intensive emotionale Wirkung und bleibt als klares, beklemmendes Bild weiblicher Gefangenschaft in Erinnerung.
In einer Zeit, in der politische Extreme und gesellschaftliche Spaltungen weltweit wieder zunehmen, setzt das dokumentarische Theaterprojekt „În zori, lumina e mai aspră” (Im Morgengrauen ist das Licht härter) von ADO und dem Centrul Replika ein starkes Zeichen. Regisseur Radu Apostol und Autorin Mihaela Michailov widmen sich der Biografie von Golda (genannt Olga) Bancic – einer fast vergessenen Widerstandskämpferin, deren Geschichte zwischen Kommunismus, Judentum, Mutterschaft und politischem Idealismus oszilliert. Gleichzeitig öffnet die Inszenierung den Blick auf gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklungen: Die Rückschau auf die 1930er- und 1940er-Jahre wird hier zur dringlichen Erinnerung an einen nationalistischen, gewaltgeprägten Teil der Geschichte – mit klaren Bezügen zur Gegenwart.
Mihaela Michailov hat über ein Jahr in die Recherche und das Verfassen des Textes investiert. Sie sichtete Dossiers antifaschistischer Kämpferinnen aus der illegalen kommunistischen Bewegung, las erschütternde Zeugnisse des Widerstands und analysierte französische und rumänische Presseberichte über die Gruppe Manouchian, der Bancic angehörte. Aus diesem umfangreichen Material ist ein vielschichtiges Stück entstanden, das auf Pathos verzichtet und stattdessen eine dichte Collage aus Archivmaterial, dokumentarischen Fragmenten und szenischer Verdichtung bietet. Projektionen und Bühnenbild verschmelzen zu einem stimmigen Ganzen; die raue Metallstruktur der Szenerie wirkt dabei wie ein kühler Echoraum vergangener Ereignisse. Die Klanggestaltung bewegt sich zwischen gespannter Stille, eindringlicher Wiederholung und plötzlichen Ausbrüchen – eine akustische Dramaturgie, die sowohl Nachdenklichkeit als auch Unbehagen erzeugt.
Im Mittelpunkt der Inszenierung steht die beeindruckende Leistung der drei Schauspielerinnen Silvana Negruțiu, Katia Pascariu und Florina Gleznea, die gemeinsam die Figur Olga formen. Jede bringt eine eigene Qualität ein – sanfte Verletzlichkeit, entschlossene Strenge, scharfsinnige Ironie – und gemeinsam entwerfen sie kein geschlossenes Porträt, sondern eine dynamische, sich wandelnde Identität. Die Darstellung reicht dabei weit über klassische Rollenarbeit hinaus: Die drei sind zugleich Figur, Erzählerin und Reflexionsfläche. Gerade im dokumentarischen Theater verlangt diese Mehrfachfunktion ein hohes Maß an Präzision und Präsenz. Stilmittel wie Groteske, Überzeichnung und Parodie – etwa in der überzeichneten Begegnung mit Eliade, Cioran und Nae Ionescu – werden dabei gezielt eingesetzt, nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zur kritischen Auseinandersetzung mit historischen und ideologischen Strukturen.
„În zori, lumina e mai aspră” ist ein durchdachtes, eindringlich gespieltes Theaterstück, das Geschichte nicht musealisiert, sondern als lebendigen Prüfstein für unsere Gegenwart begreift – herausfordernd, politisch und zutiefst menschlich.
Mit „Un spectacol al ei și numai al ei” (Ein Stück ganz für sie allein) präsentierte die britische Künstlerin Laura Murphy beim FITS 2025 ein intimes und kraftvolles Solo – eine hybride Performance, die Elemente aus zeitgenössischem Zirkus, Videokunst, Clowning, Drag, feministischer Theorie und persönlicher Erzählung miteinander verbindet. Unter der Regie von Ursula Martinez entsteht ein vielschichtiges Selbstporträt, das große Themen behandelt: queere Identität, psychische Gesundheit, neurodivergente Wahrnehmung, Raumfahrt und die Suche nach einem Platz in einer oft feindlichen Welt. Unterstützt von Projektionen, kreativen Untertiteln und akrobatischen Sequenzen gelingt Murphy eine radikal offene, zugleich spielerische und analytische Auseinandersetzung mit dem Ich und seiner Umwelt.
Dabei überzeugt sie nicht nur mit physischer Präsenz und technischer Präzision, sondern vor allem durch eine entwaffnende Ehrlichkeit. Ihre Auseinandersetzung mit Wut, Verletzlichkeit und Sichtbarkeit ist mal komisch, mal verstörend – oft beides zugleich. Nicht alle Szenen fügen sich nahtlos ins Gesamtbild ein, doch gerade dadurch entsteht eine fragmentierte Form, die bewusst mit Brüchen arbeitet. Eine besonders irritierende Episode bleibt im Gedächtnis: Murphy steckt ihren Kopf in einen mit Pappe nachgebauten Heliumkanister und schlägt dabei rhythmisch mit dem Mikrofon gegen das Gehäuse, während Whitney Houstons „I Will Always Love You” in voller Lautstärke erklingt. Ein Moment irgendwo zwischen Performance-Gag, Überforderung und grotesker Verweigerung – überzeichnet, vielleicht bewusst deplatziert, aber ebenso Ausdruck ihrer künstlerischen Radikalität.
In ihrer Gesamtheit wirkt die Inszenierung wie ein Puzzle: Nicht jedes Teil ergibt einzeln Sinn, doch gemeinsam fügen sie sich zu einem eindrucksvollen Bild. „Un spectacol al ei și numai al ei” ist ein ungewöhnliches, mutiges Stück, das das Publikum herausfordert – und eine scharfsinnige, humorvolle und schmerzhafte Reflexion darüber bietet, was es heißt, als queere Frau in einer normativen Welt Raum einzunehmen.
Mit „Trăiască flamenco!” (Es lebe der Flamenco) brachte der gefeierte Tänzer und Choreograf Manuel Liñán ein kraftvolles, genreüberschreitendes Spektakel auf die Bühne, das die Codes des traditionellen Flamenco mit spielerischer Lust hinterfragt. Sechs Männer in voluminösen, farbenfrohen Flamenco-Kleidern wirbeln, stampfen, drehen sich – mal mit überschäumender Freude, mal mit zarter Intimität. Was wie ein Bruch mit jahrhundertealten Konventionen beginnt, entpuppt sich als tiefe, aufrichtige Hommage: an die Weiblichkeit, an Identität in ihrer Vielfalt – und an den Flamenco selbst. Liñán verwandelt das Bühnenbild in einen offenen Raum der Befreiung, in dem Geschlechterrollen bewusst verwischt werden und das Persönliche sichtbar wird. Unterstützt von der beeindruckenden Sängern David Carpio und Antonio Campos sowie der gesamten Company, die sich auch stimmlich beteiligt, entsteht eine Atmosphäre zwischen tänzerischer Präzision, emotionaler Offenheit und musikalischem Feuer. Immer wieder wird der Tanz eingerahmt durch bewegliche Bänke und Stühle, auf denen die Tänzer einander zuschauen, anfeuern oder begleiten – ein Gefühl von Gemeinschaft, das sich auf das Publikum überträgt. „¡Viva!” ist mehr als eine Performance – es ist ein künstlerisches Manifest für Freiheit, Zugehörigkeit und die Schönheit des gelebten Widerspruchs.

Szenenfoto aus der Vorstellung „New Worlds” mit dem Hollywood-Star Bill Murray und den Musikern Mira Wang (Geige), Jan Vogler (Cello) und Vanessa Perez (Klavier) auf der Bühne des Thaliasaals. Foto: Cynthia PINTER
Der englische Spruch „Save the best for last“ passte beim diesjährigen Theaterfestival wie die Faust aufs Auge. Das Highlight war die Show „New Worlds“ (Neue Welten) des mehrfach prämierten Schauspielers Bill Murray, und nun auch Besitzers eines Sterns in der Ruhmesmeile in der Harteneckgasse. Zusammen mit den ebenfalls berühmten Musikerinnen Mira Wang (Geige), Vanessa Perez (Klavier) und Jan Vogler (Cello) schaffte der Hollywood-Star eine entspannte und freundschaftliche Atmosphäre im Thaliasaal am Sonntagabend. Amerikanische Literatur wurde mit amerikanischer Musik verwoben. Bill Murray las aus den Werken von James Fenimore Cooper, Ernest Hemingway und James Thurber während seine Freunde Stücke von George Gershwin und Franz Schubert spielten. Dass Bill Murray auch singen kann, das ist weniger bekannt, wurde nun aber unter Beweis gestellt. „It ain’t necessarily so“ sang er lauthals vor und bewog das Publikum dazu auch das Lied „noch lauter“ zu singen, denn „Leute, ihr habt den Kommunismus besiegt, also gebt alles!“. Amüsant war auch seine Interpretation von „I Feel Pretty“ aus dem Film „West Side Story“, wo der 74-Jährige wie ein junges Mädchen über die Bühne stolzierte. Sowohl die Zuschauer als auch die Künstler auf der Bühne hatten Spaß an der Performance und das sah man auch. Zum Schluss ließ Bill Murray den Charmeur raus und warf den Damen im Publikum rote Rosen zu. Während des fast zweistündigen Auftritts stellte Murray seine Talente unter Beweis, darunter Akzente und Imitationen, gesprochenes Wort, Gesang und Komik. Murray war nicht unbedingt lustig, aber er brachte einen komödiantischen Charme in die Vorstellung, wie ihn nur Bill Murray, ein vollkommener Künstler, haben kann. Und das Hermannstädter Publikum liebte ihn dafür.
Cynthia PINTER
Ruxandra STĂNESCU
Mirona STĂNESCU