,,Das muss man erlebt haben“

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Ausgabe Nr. 2913

Gespräch mit der scheidenden Deutschen Konsulin Kerstin Ursula Jahn

Konsulin Kerstin Ursula Jahn vor dem Street-Art-Bild von Claudiu Peța.

Die Diplomatin Kerstin Ursula Jahn ist seit 2021 Konsulin am Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt. Ab Juli 2025 wird sie dienstlich nach Bordeaux wechseln. Sie habe sich aus zwei Gründen für den Posten in Hermannstadt beworben, sagte sie in einem Interview kurz nach ihrem Amtsantritt: „Der erste Grund ist, dass es in meiner Laufbahn sehr wenige vergleichbare Posten gibt, wo jemand im gehobenen Dienst eine Auslandsvertretung leiten darf. Mein Mann und ich haben uns dann über Land und Leute dokumentiert und uns dann dafür entschieden.” Vor ihrem Abschied von Hermannstadt gewährte Kerstin Ursula Jahn der HZ-Chefredakteurin Beatrice U n g a r folgendes Interview:

Vor vier Jahren haben Sie sich für diese Stelle beworben. Es hatte etwas mit Ihrer Laufbahn zu tun gehabt, aber auch mit Ihrem Interesse an Land und Leuten. Was ist da mehr zur Geltung gekommen in diesen vier Jahren?

Beides zu gleichen Teilen. Wenn man so eine Auslandvertretung oder eine Abteilung leitet, ist man dafür verantwortlich. In der Vorbereitung hat man in einem Seminar den klugen Satz gesagt: Als Führungsperson können sie nicht nicht führen. Das hat mich sehr geprägt. Man kann sich nicht zurückziehen, als ob man etwas nicht mitkriegt, als ob dies oder jenes nicht wichtig wäre. Insofern ist das jeden Tag, in dem ich in diesem Konsulat bin, auch eine Aufgabe und es war eine sehr spannende Aufgabe und so wird es bis zum Schluss bleiben. Ich würde sagen, 50 Prozent der Aufgaben, die man als Leiterin oder Leiter des Konsulates hat sind intern und 50 Prozent extern.

Nun zum Thema Land und Leute. Inwiefern haben Sie es geschafft, ein bisschen mehr von Rumänien kennen zu lernen?

Es war ein unbekanntes Terrain für mich in jeder Beziehung, also sowohl landschaftlich als auch was die Leute und ihre Geschichte betrifft. Das eine ist, was du im Geschichtsbuch liest über Rumänien und über Siebenbürgen insbesondere und das andere ist, was dir die Menschen erzählen. Ich habe das große Glück gehabt, hier auf offene Arme, Herzen und Geister zu stoßen und Fragen stellen zu dürfen. Die Menschen haben sich gerne fragen lassen und haben dann gerne ihre Geschichten erzählt und ich habe festgestellt: Auch wenn es eine verbindende Geschichte gibt, gleicht kein individuelles Schicksal dem anderen und keine individuelle Geschichte der anderen. Insofern habe ich mir bis heute gerne erzählen lassen, frage gerne nach, wie es bei ihnen ist, in ihrer Familie in Deutschland oder warum haben sie beschlossen, hier zu bleiben, gab es irgendwann den Gedanken, auch auszuwandern? Die Fragen sind eventuell ähnlich, aber die Antworten sind immer andere, und es ist besonders bereichernd.

Gibt es große Unterschiede zwischen der Wahrnehmung über Rumänien im Ausland und vor Ort?

Das ist übertragbar auf jedes Land. Wenn man dort oder von dort niemanden kennt und wenn man selber nie da war, dann ist das immer völlig anders als das, was man in Büchern lesen kann oder was dir die Leute darüber erzählen, weil du immer auch deine eigene Persönlichkeit mitbringst. Dann gibt es natürlich nach wie vor Vorurteile in Deutschland was Rumänien angeht. Aber es war ein großer Unterschied zwischen denen, die uns gratuliert haben, als sie gehört haben, wir gehen hierher, weil sie das Land oder Leute aus dem Land kannten, und denen, die mit ihren Vorurteilen unterwegs waren und uns gefragt haben Was hast du verbrochen, dass du da hingehen musst? Doch dieses war nie meine Einstellung. Da musste zum Glück bei mir nichts korrigiert werden. Ich bin nicht mit einer bestimmten Erwartung gekommen, sondern mein Mann und ich sind offen hierher gekommen und wurden genauso offen empfangen. Wir hatten viele wunderbare menschliche Begegnungen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier während eines Staatsbesuchs in Rumänien

Können Sie eine besonders hervorheben?

Keine bestimmte. Immer wieder hat mich natürlich überrascht, wenn ich auf Deutsch angesprochen worden bin. Also in bestimmten Kreisen war mir das klar. Aber wenn ich auf dem Markt einkaufen gehe und dann mit meinen drei rumänischen Brocken, die ich mir bis dahin angeeignet habe, stolz da irgendetwas bestellen möchte und mir dann ein junger Mensch auf Deutsch antwortet, da war ich schon überrascht. Ich kann mich noch sehr genau erinnern, was ich an einer Theke auf dem Samstagmarkt vor der Transilvania-Halle erlebt habe: Das sagte mir ein Verkäufer: Wir können gerne deutsch sprechen. Ich lerne Deutsch in der Schule. Das ist echt besonders hier.

Wie sieht es im Rückblick mit den Zielen aus, die Sie sich 2021 gesetzt haben?

Tatsächlich meine nicht nur ich selber, sondern viele andere, dass ich nur drei Jahre da war, weil mir pandemiemäßig ein Jahr fehlt. Wir haben z. B. im Herbst 2021 die Reise eines Bundespräsidenten geplant, die wenige Tage vor dem Termin abgesagt wurde oder wir haben den Empfang zum Tag der Deutschen Einheit geplant, der vier Tage vorher abgesagt werden musste, und das zieht sich natürlich durch dieses ganze erste Jahr meiner Amtszeit. Das sind einfach Grenzen gewesen, die durch meine gesamte Amtszeit spürbar blieben. Als ich auf einer Dienstreise in Klausenburg war, saß ich abends alleine und traurig im Hotel, weil alle Termine abgesagt werden mussten und das zieht sich natürlich durch das Jahr. Da kann man sich noch so viele Gedanken machen über die Förderung bilateraler Beziehungen. Da sind ein paar Grenzen gewesen, das hat sich durch meine Amtszeit hindurch gezogen. Z. B. habe ich es erst jetzt gegen Ende meiner Amtszeit hier geschafft, einen herausragenden Termin in Bistritz wahrzunehmen. Immer wieder musste ich feststellen, dass man eine Konsulin nicht in vier teilen kann, so dass ein Teil bei einer Veranstaltung in Bistritz, einer in Kronstadt und einer in Hermannstadt bzw. in Schäßburg ist. Das war immer eine Abwägung, die eben nicht einfach war. Und tatsächlich muss ich sagen, ist die meist zu Gunsten von Hermannstadt ausgefallen. Wenn also hier ein wichtiges Ereignis stattgefunden hat, dann habe ich entschieden, dass die Konsulin, die hier ihren Sitz hat, gar nicht fehlen darf. Es ist halt ein großer Amtsbezirk, so dass ich eben nicht alles so schaffen konnte, wie ich es mir vorgenommen habe.

Beim Kulturmittlertreffen habe ich bemerkt, wenn Frau Konsul einlädt, da kommen die Leute.

Das hat mich total gefreut und ich möchte sagen, man sollte es nicht nur alle drei Jahre stattfinden lassen, das sicherlich nicht, aber es wäre schön, dass man einen Rhythmus hat. Ein Mal im Jahr wäre das Thema sehr wertvoll.

Können Sie einige Highlights aus Ihrer Amtszeit nennen?

Das Highlight 2021 war, überhaupt mal hierher zu kommen und mich persönlich mit dieser Region auseinander zu setzen. 2022 war wie ein Geschenk der 30. Geburtstag des Deutsch-Rumänischen Freundschaftsvertrages. Das Jahr konnten wir so schön abschließen. Ich freue mich immer über die Einweihung des Street-Art-Gemäldes von dem lokalen Künstler auf dem Gelände des Konsulats. Das sieht noch so schön aus wie am ersten Tag und er hat gesagt, als er uns das quasi übergeben hat: Ich würde mich freuen, wenn dieses Kunstwerk jeden Tag ein Lächeln aufs Gesicht bringen würde. Das ist bis heute so. In diesem kleinen Eck ist es total bunt, total lebensfroh, die Kinder, die Hand in Hand in eine bunte Zukunft gehen, sind einfach bezaubernd.

Das absolute Highlight war natürlich 2023 der Besuch des Bundespräsidenten Frank Walther Steinmeier in Begleitung des Staatspräsidenten Rumäniens, Klaus Johannis. Und was haben wir für ein Glück gehabt, mit dem Wetter, mit den Gesamtumständen. Wir konnten die deutsch-rumänische Freundschaft in lockerer Atmosphäre feiern. Wo gibt es das, dass zwei Staatspräsidenten über einen Platz laufen, ohne dass alles von der Security abgesperrt ist und ein Bad in den Menge nehmen können, bei strahlendem Sonnenschein.

2024 hatten wir ein ebenso großartiges Event, dass nicht wir organisiert haben aber in dem wir doch teilweise sehr miteingebunden waren. Das war das große Sachsentreffen, zu dem eine große Gruppe wichtiger Politiker aus Deutschland und 20.000 Menschen gekommen sind. Jeder, der dabei war, wird es nie in seinem Leben vergessen. Die große Überraschung war die junge Frau aus Kanada, die in der vierten Generation immer noch reinstes Deutsch sprach. Eingebettet war alles in ein riesiges Wohlwollen und Mitmachen der rumänischen Mehrheitsbevölkerung. Das war extrem besonders. So etwas kann man sich nicht vorstellen, das muss man erlebt haben.

Wie hat sich die Beziehung zur deutschen Minderheit gestaltet?

Von meiner Seite würde ich sagen: Es gab große gegenseitige Sympathie und Respekt. Ob das jetzt die politisch organisierte oder die kirchliche Minderheit ist, sie gehen Hand in Hand. Ich habe mich da hineinfinden können und wurde außerordentlich offen aufgenommen.

Haben Sie Rumänisch gelernt?

Das war die Ambition, ich   habe es bis zu einem Grad gelernt, aber es genügt meinen Ansprüche nicht. Ich hätte gerne mehr gelernt. Es macht Freude. Je länger ich mich damit beschäftige, desto sympathischer wird es mir. Ich finde die Sprache total nett. Eine nette lustige Sprache, bei deren Erlernen ich oft lache. Das Französisch hat mir sehr viel geholfen. Das Leseverständnis ist mittlerweile ziemlich gut. Man muss aber was übrig lassen für später und ich beschäftige mich mit dem Gedanken, hier einmal Sprachurlaub zu machen.

Wenn Sie jetzt nach Bordeaux gehen, schließt sich ein Kreis…

Ich bin insgesamt schon elf Jahre in Frankreich gewesen, also ist es ja sprachlich wie ein bisschen nach Hause zu gehen. Ich bin nicht bilingual, es ist eine Fremdsprache, die ich später aber eben gut gelernt habe. Es ist ein bisschen eingerostet. Mein letzter französischsprachiger Posten war Burkina Faso. Da bin ich 2009 weg. Seitdem habe ich nicht mehr täglich Französisch gesprochen.

Welches war für Sie die größte Herausforderung in ihrer Amtszeit, außer der Pandemie?

Darüber haben wir uns lange unterhalten, mein Mann und ich, weil wir erst kürzlich jemandem begegnet sind, der echt unhöflich war. Wir haben geschlussfolgert: Das war die absolute Ausnahme für uns.

Danke für das Gespräch.

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft, Persönlichkeiten, Politik.