Anmerkungen zu Irina Neacșus künstlerischem Buch ,,Flori transilvane“
Ausgabe Nr. 2908

Irina Neacșu: Flori transilvane. Intersecții istorice între natură și cultură pe teritoriul Transilvaniei. Editura Litera Bukarest 2024, 224 S., 45 Lei, ISBN 978-630-342-310-4.
Ein optisch außergewöhnlich ansprechendes Buch liegt frisch im Buchhandel auf. Da mich Deckel und Titel aufmerken ließen, erwarb ich das Buch und las es in einem Zug durch, sogar konkret, nämlich während der Zugfahrt von Kronstadt nach Hermannstadt. Das Buch ist in rumänischer Sprache verfasst, trägt den Titel „Flori transilvane. Intersecții istorice între natură și cultură pe teritoriul Transilvaniei” und würde übersetzt etwa so heißen: „Siebenbürgische Blumen. Historische Überschneidungen von Natur und Kultur in Siebenbürgen“.
Die junge rumänische Autorin Irina Neacșu ist Diplomarchitektin, Kunsthistorikerin und vor allem eine begnadete Graphikerin in der Sparte botanische Kunst, was ihr bereits einige renommierte Preise einbrachte. Ihr Buch ist in drei große Abschnitte unterschiedlicher Prägung geteilt. Zunächst geht es um allgemeine Betrachtungen über das Reisen in der neuen Lieblingsregion der ursprünglich aus dem Süden Rumäniens stammenden Autorin. Im zweiten Teil widmet sie sich dem Thema „Landschaft und Vegetation“. Im dritten Teil untersucht Irina Neacșu Blumenmotive in der Möbelmalerei, Keramik, Stickerei und Holzschnitzkunst, wobei sie auf vier Ornamente näher eingeht: Tulpe, Nelke, Granatapfel, Rose.
Vorangestellt ist dem Buch ein Vorwort aus der Feder des britischen Botanikers John R. Akeroyd, während sich im Anhang Endnoten, der Bildnachweis, sechs Kurzbeschreibungen einheimischer Pflanzen, das Pflanzen-Kapitel aus Johannes Honterus‘ „Rudimenta Cosmographica“ und eine ausführliche Bibliographie befinden.
Gerade diese Liste der konsultierten und zitierten Werke hat mich gefreut: ein beachtlicher Teil der Namen sind von siebenbürgisch-sächsischen Volkskundlern, Botanikern, Humanisten und anderen Fachleuten. Wir finden hier: Julius Bielz, Roswith Capesius, Carl Göllner, Marga Grau, Josef Haltrich, Johannes Honterus, Horst Klusch, Paulus Kyr, Rose Schmidt, Pauline Schullerus, Emil Sigerus, Claus Stephani, Herta Wilk, Theo Zelgy u. a. Somit ist es erfreulich, dass das Wissen siebenbürgisch-sächsischer Forscher und Autoren auch einem rumänischsprachigen Publikum dargeboten wird. Mehrfach zitiert wird Pauline Schullerus (1858-1929), die bereits vor über hundert Jahren Pflanzen- und Volkskunde miteinander verknüpfte.
Leicht zu lesen ist das Buch jedoch nicht. Die verschachtelte, essayhafte und fast poetische Schreibweise kann für Leser, die eher einen sachlichen Stil mögen, etwas ermüdend sein. (Außerdem gibt es auch einige wenige Ungereimtheiten sowie orthografische Fehler zu bemängeln.)
Neben vielen Passagen, die in sehr subjektiver Weise Natur und Kultur in Beziehung setzen, bringt Neacșu auch konkrete Beispiele von Blumenmotiven im volkstümlichen Kunsthandwerk. Dabei spielen vor allem die sächsischen Stickmuster, Kacheln und bemalten (Kirchen-)Möbel eine wichtige Rolle, gipfelnd im Motiv des Lebensbaums.
Neacșu bedauert den Exodus der Siebenbürger Sachsen. Ihrer Meinung nach geben die zurückgebliebenen Ortschaften und Landschaften dem nostalgischen Besucher Rätsel auf: „Reisende von überall verspüren in diesem chaotischen Haufen historischer Fragmente das Bedürfnis, das Puzzle zu lösen, sich ein nachsächsisches Arkadien (‚Arcadia postsăsească’) vorzustellen, die fehlenden Teile dieses Ortes durch etwas zu ersetzen, das uns, die wir per definitionem städtisch sind, fehlt.” (Vgl. S. 31.) Siebenbürgen wird gedeutet als „ein faszinierendes Labyrinth aus Fäden, eine Gegend, in der multiethnische Gemeinschaften ihre Sitten und Bräuche miteinander verweben, wobei sie stets vom Reichtum der Ideen und Praktiken der anderen profitieren“. (Vgl. Buchdeckel IV.)
Sehr en vogue ist die interdisziplinäre Herangehensweise, die in diesem Fall noch viele Fragen offenlässt und dazu einlädt, selbst zu suchen, sehen, forschen, entdecken, hinterfragen, Zusammenhänge finden, das Wahrgenommene mit Bedeutung füllen. Die Seiten dieses Buches „laden den Leser ein, den Charme Siebenbürgens neu zu entdecken und seine eigene Geschichte in dieser lebendigen Landschaft weiterzuschreiben.“ (Vgl. Buchdeckel IV.)
Allein schon wegen der hervorragenden botanischen Zeichnungen und seiner bilderreichen Aufmachung ist das Buch empfehlenswert.
Gerhild RUDOLF