Anmerkungen über die Hermannstädter evangelische Stadtpfarrkirche
Ausgabe Nr. 2897

Ludwig Reissenberger.
Foto: www.teutsch.ro
Einer Transmigrantenfamilie, die 1752 aus Oberösterreich vertrieben wurde, entstammte Ludwig Reissenberger, der am 23. Januar 1819 in Hermannstadt geboren wurde. Nach dem Abschluss ebenda des Gymnasiums studierte er ab 1837 Naturwissenschaften an der Berliner Universität, wobei ihn besonders die Vorlesungen über Erdmagnetismus, Physik und Meteorologie interessierten. Danach heimgekehrt, entwickelte er sich zu einem vielseitig begabten Schulmann, Meteorologen, Archäologen und Kunsthistoriker.
Im Alter hatte er als Kustos und Bibliothekar am Brukenthalmuseum eine Monographie über die Hermannstädter Stadtpfarrkirche verfasst. Durch die damaligen politischen Verhältnisse wurde er allerdings von dem Vertreter der ungarischen Akademie der Wissenschaften E. Henszlmann gezwungen, diese Abhandlung zuerst in ungarischer Sprache in der Landeshauptstadt Budapest zu veröffentlichen. Doch mit dem Ergebnis war Ludwig Reissenberger nicht zufrieden. So stattete er seinen deutschsprachigen Text mit zahlreichen Illustrationen aus und veröffentlichte ihn mit Hilfe einiger Freunde im Jahre 1884.
Ludwig Reissenberger starb am 27. November 1895. Doch seine Monographie wird auch heute noch geschätzt und diente einstmals sogar als Vorbild für die Ausarbeitung ähnlicher wissenschaftlicher Abhandlungen. So hat beispielsweise Kronstadt durch Ernst Kühlbrandt (1857-1933) 1898 eine ähnliche Veröffentlichung über die Schwarze Kirche erhalten, die aber erst 1927 überarbeitet und vollendet wurde.
Zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Hermannstadt noch ein bedeutendes Verwaltungszentrum mit erheblichen militärischen Körperschaften, die eine entsprechende Zuwanderung anregten. So kam beispielsweise am 22. September 1849 im südmährischen Weiler Klobouk unter dem Höhenzug des Steinitzer Waldes ein Junge zur Welt, der bald nach der römisch-katholischen Taufe auf den Namen Mauritius von Kimakowicz nach Hermannstadt kam, wo sich die zahlreiche Familie im Hause an der Dreieichenstraße Nr. 7 ansiedelte.
Mauritius kam in Hermannstadt in ein römisch-katholisches Gymnasium. Doch als sich im Jahre 1868 die Habsburgermonarchie in den Doppelstaat Österreich-Ungarn verwandelte, wobei die östliche Reichshälfte einschließlich Siebenbürgens den Ungarn überlassen wurde, ist in Hermannstadt die römisch-katholische Schule in eine Staatsschule mit ungarischer Unterrichtssprache umgestaltet worden. So kam Mauritius in die im Aufbau befindliche evangelische Oberrealschule, die er im darauffolgenden Jahr absolvierte. Danach widmete er sich einem technischen Studium in Wien, woher er im Jahre 1873 heimkehrte, um die Verwaltung des umfangreichen Grundbesitzes seiner Eltern zu übernehmen.

Mauritius (Moritz) von Kimakowicz.
Foto: Archiv Hans PLATTNER/Nolly PLATTNER
Dabei legte er seinen Vornamen ab und nannte sich nunmehr nach der in Siebenbürgen geläufigen Bezeichnung: Moritz. Beide Namen haben die gleiche Bedeutung: „Mohr”, also dunkelhäutiger Afrikaner. Dabei erinnern beide Namen an die gleiche Begebenheit aus längst vergangenen Zeiten. Da war im Jahre 302 ein Mauritius der Anführer einer Legion aus der römischen Provinz Thebais in Ägypten, die aus Christen bestand, als Kaiser Maximinian befahl, sie sollen Agaunum erobern. Das gelang allerdings nicht. Der Kommandant der Legion und seine Stellvertreter wurden sogar gefangen genommen und umgebracht. An der Stelle, wo sich einst Agaunum befand, also an der Mündung der Rhône in den Genfer See, befindet sich nun eine Ortschaft, die in Erinnerung an die einstige Schlacht Saint Maurice heißt.
In seiner freien Zeit widmete sich Moritz von Kimakowicz zunächst dem Studium der Naturwissenschaften, den „Verein für Naturwissenschaften zu Hermannstadt” fördernd, in welchem er seit dem Jahr 1882 Kustos der zoologischen Sammlung war. Als 1894 nach Plänen von Carl Wilhelm Friedrich Maetz der Bau des naturwissenschaftlichen Museums begann, hatte Kimakowicz als Ingenieur die Bauleitung inne, wurde nach der Einweihungsfeier vom 12. Mai 1895 mit der Einrichtung des Museums betraut sowie gegen eine geringe Entlohnung zum ersten Direktor des Museums ernannt. Aus diesem Amt zog er sich nach der Jahrhundertwende zurück, um sich im Brukenthalmuseum den archäologischen Sammlungen zu widmen, die er ordnete und für die er Bestandverzeichnisse anlegte.

Das große Fresko an der Nordseite des Chores der evangelischen Stadtpfarrkirche. Foto: Hermann FABINI
Dabei schloss er sich an jene Kunstkritiker an, die sich mit dem großen Fresko an der Nordseite des Chores der evangelischen Stadtpfarrkirche beschäftigten. Auch er untersuchte das Wandgemälde und veröffentlichte seine Schlussfolgerungen im Jahre 1913. Im Unterschied zu der Mehrheit der Kritiker stellte er erhebliche Unstimmigkeiten fest zwischen den bekannten Erweiterungen des Chorsaumes vom Jahre 1474 und dem durch die Wiedergabe der Inschrift nach dem Wiener Gelehrten Theodor von Frimel: „Hoc opus fecit magister Johannes de Rozenaw. Anno domini millesimo qua-dringentesimo XIV”. Im Einzelnen bemängelt Kimakowicz die fehlende Harmonie bei der Ausführung der Zahl „XLV”, dass die Wappenschilde auf dem Fries über dem Hauptbild und an den Randsäulen in ihrer Ausführung gegen die Regeln der Gotik verstoßen und zusammen mit den Inschriften HVMILITAS sowie GLORIA eher dem Barockstil des 18. Jahrhunderts angehören. Übermalungen im Wandgemälde müssen nicht nur Georg Hermann aus dem Jahre 1650 zugeschrieben werden. Moritz von Kimakowicz starb am 5. März 1921 in Hermannstadt.
Eine besondere Sicht über den mittelalterlichen Kirchenbau verdanken wir dem Kronstädter Architekten Gustav Treiber. Er wurde am 1. Januar 1880 in Kronstadt geboren. Nach dem Studium an der Technischen Hochschule in Zürich und nach der Diplomprüfung, 1906, an der Technischen Hochschule in Braunschweig war er bis zu seinem 1940 erfolgten Antritt in den Ruhestand als Architekt im Bürgermeisteramt Kronstadts tätig. Er war gründendes Mitglied des „Burzenläder Sächsischen Museums”, in dessen leitendem Ausschuss er wirkte. Besonders intensiv war er im Bereich der Denkmalpflege tätig, sowohl für die Honterusgemeinde als auch im Rahmen des zentralen Amtes für Denkmalpflege in Bukarest.
Während seines langen Lebens ging er der Frage nach, wie es im Mittelalter ohne moderne Hilfsmittel möglich war, eine ursprüngliche romanische Pfeilerbasilika während einer längeren Zeit in eine gotische Saalkirche so umzubauen, dass nachrückende Baumeister aus baulichen Zwischenständen sofort die Vorhaben ihrer Vorgänger erkannten und unverändert fortführen konnten. In der Folge hat Architekt Treiber über hundert Kirchen untersucht und vermessen, darunter im Vergleich auch einige ungarische und rumänische Kirchen, um eventuelle ethnische Besonderheiten zu erkunden. Dazu unterhielt er sich zu diesem Thema mit zahlreichen Fachkollegen – etwa besonders häufig mit dem aus Hermannstadt stammenden Lehrstuhlinhaber für Architektur an der einstigen Danziger Technischen Hochschule Hermann Phleps – oder er studierte das aus den Jahren 1391-1392 erhalten gebliebene Gutachten über den bevorstehenden Bau des Mailänder Doms eines der Geometrie kundigen Bürgers namens Gabriel Stornalocho. Gustav Treiber kam zum Ergebnis, dass die Vorfahren – unter ihnen besonders Steinmetzen – nach einem bestimmten Verfahren nach den Regeln des „Goldenen Schnitts” geometrische Figuren eingeschrieben haben.
In Hermannstadt weilte Gustav Treiber im Jahre 1962, wo es bis zum Jahre 1191 eine der Maria geweihte Basilika gab. Von diesem Datum an – nämlich der Gründung der Probstei des heiligen Ladislaus – und bis zum Mongolensturm von 1241 wurden ein gotisches Querhaus und ein gotischer Chorraum ostwärts angebaut. Danach gab es ab 1350 mehrfach Umbauten des Langschiffes sowie des Chorraumes, wobei die Proportionen vom gleichseitigen Fünf- und Zehneck der Basilika beim gotischen Neubau erhalten geblieben sind.

Gustav Treiber
Gustav Treiber wanderte mit einem bedeutenden Teil seiner Unterlagen im November 1963 aus, bündelte diese und veröffentlichte sie im Jahr 1971. Er starb am 16. November 1975 in Gundelsheim am Neckar.
Manfred Wittstock