Über die neueste Theaterpremiere der Deutschen Abteilung in der ,,Promenada Mall“
Ausgabe Nr. 2897

Gruppenbild (mit Hund) der Schauspielerinnen und Schauspieler, die bei der Vorpremiere am 18. Januar aufgetreten sind: (v. l. n. r.) Fabiola Petri, Marc Illich, Johanna Adam, Malena Silberschmidt und Gyan Ros. Foto: Andrei VĂLEANU
Es ist Sonntag, der 19. Januar, kurz vor 19 Uhr. Im ersten Stockwerk der „Promenada Mall“, in der Nähe des Bahnhofes von Hermannstadt bildet sich langsam eine Reihe. Kein Winterausverkauf, sondern eine Theaterpremiere steht an. Zum ersten Mal und in Premiere wird ein Raum unterhalb des Kinos genutzt, um ein Theaterstück aufzuführen. Es handelt sich um „Einfach das Ende der Welt“ von Jean-Luc Lagarce, das in der Regie von Eugen Jebeleanu mit den Schauspielern der deutschen Abteilung des „Radu Stanca“ Nationaltheaters inszeniert wird. Es ist die erste Premiere des Jahres. Unkonventionell und ungewöhnlich wie die düstere Betonhalle ist auch das Theaterstück, in das die Zuschauer zuerst von Hauptdarsteller Marc Illich eingeführt werden.
„Wir haben das Theater ins Einkaufszentrum gebracht, damit wir ein bisschen jüngeres Publikum anziehen. Diese Vorstellung ist wie eine Ausstellung oder eine Installation, d. h. ihr könnt euch frei im Raum bewegen und auch während der Vorstellung den Platz wechseln.”
„Ausgestellt” an verschiedenen Ecken des industriellen Raumes sind die Gestalten, die der Reihe nach von Hauptgestalt Louis vorgestellt werden: der Bruder Antoine, interpretiert von Gyan Ros, die Mutter Martine, gespielt von Johanna Adam, die Frau des Bruders Catherine, verkörpert von Viviane Havrila (in Zweitbesetzung Malena Silberschmidt) und die Schwester Suzanne, gespielt von Fabiola Petri. Alle gehen ihren gewöhnlichen häuslichen Pflichten nach, es wird gebügelt, Rohre werden entstopft und Wände geweißelt. Bis Louis diese banalen Aktivitäten seiner Familie unterbricht: „Ich bin 34 Jahre alt, ein Jahr darauf werde ich sterben” gibt er dem Publikum bekannt. Diese Tatsache soll nun die Familie auch erfahren, die Louis seit 12 Jahren nicht mehr besucht hat. Louis ist durch die Welt gereist und hat, weit weg von der ländlichen Idylle, eine Karriere als Schriftsteller gemacht. In seinem Elternhaus angekommen weicht die Vorfreude seiner Liebsten, und bald schon hört man auf, über Belanglosigkeiten zu sprechen, und Louis wird mit Vorwürfen konfrontiert, die er noch von früher kennt. Louis leidet seit Jahren an AIDS und weiß, dass er bald sterben muss. Da seine Familie jedoch viel zu sehr damit beschäftigt ist, ihm Vorwürfe zu machen und untereinander zu streiten, kommt er nicht dazu, ihnen persönlich diese Nachricht zu überbringen. Auch merkt Louis, dass er sich durch seine lange Abwesenheit emotional sehr von seiner Familie distanziert hat. Wut, Frustration und Bedauern über die Vergangenheit entladen sich. Aber alle Familienmitglieder versäumen es, ihre wahren Gefühle zu zeigen, ihre Liebe zu erklären, ihre Geheimnisse zu enthüllen.

Szenenfoto mit Gyan Ros und Marc Illich. Foto: Cynthia PINTER
Zwischendurch wird die Aufmerksamkeit des Publikums auf die Probe gestellt, so dass die Dialoge oft in den Hintergund geraten. Mal rast Gyan Ros mit seinem Skateboard zwischen die Zuschauer, mal spielt Fabiola Petri mit einem lebendigen Hund, dann laufen Bilder von einer „Act Up”-Demonstration der 1980-er Jahre in den USA im Fernsehen oder es werden Pfannkuchen gebacken und verteilt. Eine Bühne gibt es nicht, sondern mehrere Schauplätze, fast wie bei einem Stationentheater. Zum Schluss führen die Schauspielerinnen und Schauspieler (in Lack, Leder und High Heels) einen einstudierten „Vogue-Tanz” auf, der alle Blicke auf sich zieht. Zum von Oana Micu entworfenen Bühnenbild gehörte noch eine sechs Meter hohe liegende Statue, die am Ende noch einen Flügel eingesetzt bekam.
„Mit diesem Projekt möchte ich über Einsamkeit und Entfremdung in Form von immersivem, sensorischem und viszeralem Theater sprechen. In einem Kontext, in dem Extremismus jeglicher Art rasant ansteigt, möchte ich mit dieser Show die Mechanismen der Gewalt analysieren. Wie können wir Hass und Angst bekämpfen? Kann das Theater (noch) der Ort sein, an dem man mit sich selbst und mit anderen in Kontakt kommt? Was kann aus der Heilung von Traumata und dem bevorstehenden Ende entstehen?“, so Regisseur Eugen Jebeleanu bei der Pressekonferenz, die vor der Premiere stattfand. Die nächste Vorstellung von „Einfach das Ende der Welt” findet am 13. Februar, um 19 Uhr statt. Eintrittskarten können jetzt schon online oder bei der Theateragentur für 40 Lei gekauft werden.
Cynthia PINTER