Mit dem Evangelischen Gesangbuch durchs Jahr 2024
Ausgabe Nr. 2889
Im Alter von zehn Jahren nahmen mich meine Eltern zum ersten Mal mit nach Rom. Ich erinnere mich, wie ich als kleines Mädchen in einer der zahllosen Kirchen in der italienischen Hauptstadt stand und überwältigt war. Nur eine steinerne Mauer trennte mich vom Trubel einer südeuropäischen Hauptstadt, und doch war es, als befände ich mich in einer anderen Welt. Die Malereien, das viele Gold, die unendlich aufwendigen Arbeiten der Steinmetze, all das verschlug mir den Atem.
Mein Vater hatte mir sehr anschaulich beschrieben, wie beschwerlich damals das Leben der einfachen Arbeiter war, es standen keine hydraulischen Kräne, starke Motoren oder elektrische Hilfsmittel zur Verfügung und ich fragte mich: Was bringt Menschen dazu, über Jahrzehnte an einem solchen Gebäude zu arbeiten, es dermaßen prächtig zu schmücken, ihm eine Seele zu verleihn, so dass es noch Jahrhunderte später durch seine Erhabenheit dem Besucher den Atem raubt? Lange fand ich keine Antwort auf diese Frage.
Seit zwei Jahren besuche ich regelmäßig den Gottesdienst in Hermannstadt, und einmal sangen wir das Lied Nr. 257: „Nun danket alle Gott mit Herzen, Mund und Händen, /der große Dinge tut an uns und allen Enden.“
Dankbarkeit – ein Teil der Antwort auf meine Frage! Gerade weil das Leben damals so hart und unsicher war, war die Vorstellung, dass ein gütiger Gott über einen Jeden wacht, elementarer Bestandteil dieses Lebens und brachte Menschen dazu, großartige Dinge zu tun – damals wie heute.
Carolin BOESSNEC