50 Lieder für 50 Jahre

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Mit dem Evangelischen Gesangbuch durchs Jahr 2024

Ausgabe Nr. 2888

Der Kirchenchor probt auf der Empore. Durch die Sakristei betritt der Bräutigam den Chorraum, um für die Hochzeit am nächsten Tag einige Vorbereitungen zu treffen und plötzlich verstummt der Chor. Ein paar Augenblicke später klingt es laut von der Empore: „Tochter Zion, freue dich…“. Der Bräutigam schmunzelt, macht seine Arbeit und verlässt die Kirche. Es ist Mitte Juni.

Zu Hause erzählt er diese lustige Begebenheit, deren musikalisches Ergebnis am nächsten Tag bei der Hochzeit als Überraschung zu Gehör kam.

Jahrzehnte später frage ich mich, war diese „Rettung“ des Kirchenchors nur ein Zufall, weil jeder Chorsänger dieses Lied aus dem Stehgreif auswendig singen kann? In dem Augenblick war es dieses.

Heute überlege ich, warum dieser Choral nur in der Adventszeit gesungen wird, denn seine Entstehungsgeschichte lässt auch andere Überlegungen zu.

Ursprünglich wurde er von Friedrich Heinrich Ranke um 1820 zu Sacharja 9.9 auf einen Chorsatz von Händel geschrieben. Danach sind noch drei Strophen dazugekommen, die das ewige Friedensreich Jesu besingen. Als Choral wurde er unter der Überschrift „Am Palmsonntage“ durch seine Schwägerin Luise Reichardt 1826 in der Liedersammlung „Christliche liebliche Lieder“ populär gemacht. Heute ist er in unserem Gesangbuch in der Adventszeit unter Nr. 441 mit drei Strophen als kleiner Lobgesang zu finden. Der Inhalt des Liedes orientiert sich jedoch am Bibeltext für Palmsonntag, der sich auf den Einzug Jesu in Jerusalem bezieht. Der traditionellen Perikopenordnung entsprechend, wird er aber am 1. Advent gesungen, wenn auch der Bibeltext zum Einzug Jesu in Jerusalem gelesen wird.

Also, was war in der Junimitte vor einigen Jahrzehnten eigentlich los? War es Zufall oder Fügung? Eines weiß ich inzwischen: wir dürfen uns jeden Tag freuen, dass Jesus in unsere Herzen und Seelen einziehen wird, wenn wir es nur zulassen.

Karin KÖBER

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kirche.