Bücher, Antiquitäten und Musik

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Ein normales August-Wochenende in Hermannstadt

Ausgabe Nr. 2878

Die deutsche Band „H-Blockx“ auf der Bühne am See beim „Astra Rock Festival“.                                                                                   Foto: LivePictures Ro

„Wieso ist es in Hermannstadt so überfüllt? Sollten nicht alle im August Urlaub machen?“, fragte mich eine Freundin am Samstag, dem 17. August, während wir durch zähfließenden Verkehr Richtung Stadtmitte fuhren. Die Antwort kam mir ganz natürlich: „Weil alle bei uns Urlaub machen“.

Und tatsächlich fiel mir bei der Parkplatzsuche auf, die meisten Kennzeichen sind nicht aus Hermannstadt. Viele Autos haben deutsche Nummern oder aber rumänische. Manche schienen von weit hergereist zu sein, zum Beispiel aus Konstanza. Aber was zieht alle nach Hermannstadt? Für die Bewohner von der Schwarzmeerküste wird die etwas kühlere Bergluft ein Grund gewesen sein, ein paar Tage in der Stadt am Zibin zu verbringen. Die Besitzer der Autos mit deutschen Kennzeichen werden vielleicht vom Großen Sachsentreffen noch hier verweilt haben. Andere wiederum sind möglicherweise hierher gereist, um an den vielen Veranstaltungen teilzunehmen, die parallel an verschiedenen Orten in der Stadt stattfinden.

Am Wochenende vom 16.-19. August war wirklich viel los und man hatte im wahrsten Sinne des Wortes die Qual der Wahl. Beginnen wir mit dem Zentrum: Auf dem Großen Ring kamen die Literaturliebhaber schon ab Mittwoch, dem 14. August, auf ihre Kosten. Die „Gaudeamus“-Büchermesse war ein Augenschmaus für alle Leseratten. Hier konnte man in 15 Ausstellungspavillons die Produkte der bekanntesten rumänischen Verleger, Vertreiber von Büchern, Spielen, Musik und Bildungsmaterial bestaunen. Die meisten Bücher gab es zu günstigeren Preisen als in der Buchhandlung, oft bis zu 50 Prozent heruntergesetzt. Im Antiquariat „Bookoteca“ konnte man z. B. viele englische Bücher ab 4,99 Lei kaufen. Wie es sich für eine Büchermesse gehört, wurden hier auch viele Neuerscheinungen vorgestellt. Organisiert wurde die Büchermesse „Gaudeamus“ von Radio România in Zusammenarbeit mit Radio România Cluj und mit Unterstützung des Bürgermeisteramtes Hermannstadt.

Die „Gaudeamus“-Büchermesse auf dem Großen Ring war ein Augenschmaus für alle Leseratten. Foto: Astra Bibliothek

Ein paar Meter weiter Richtung evangelische Stadtpfarrkirche warteten andere Händler auf dem Huetplatz auf Kundschaft. Bronzene Statuen, alte Uhren und Münzen, kleine Zinnsoldaten und sogar Rosenthal-Teller wurden ausgestellt, man fühlte sich wie in einer Sendung von „Bares für Rares“. Hier fand die vierte Ausgabe der Antiquitäten- und Handmade-Messe (Târgul de Antichități și Handmade) statt. Über 30 Aussteller aus Klausenburg/Cluj, Konstanza/Constanța, Bukarest, Buzău, Großwardein/Oradea und Hermannstadt erwarteten ihre Kunden mit einer unglaublichen Vielfalt an Produkten – Schmuck, Gemälde, Dekorationen, Stickereien, Möbel, Uhren, Kleidung, Spielzeug und vieles mehr. Im Handmade-Teil der Messe gab es u.a. handgearbeiteten Schmuck, kleine Puppen, Seifen oder Kleidung.

Ortswechsel, Jugendpark: Hier kamen Musikliebhaber der 90-er Jahre auf ihre Kosten. Da stieg beim Festival „Sibiul de odinioară“ (Hermannstadt anno dazumal) Abend für Abend die Party und fast vergessene Erinnerungen an die Diskozeit wurden mit Hits und Ohrwürmer geweckt. Zur Musik von „Akcent“, „L.A.“, „Semnal M“, „Hara“ oder „Geo da Silva“ ließen viele das Tanzbein schwingen. Das Highlight des Festivals, das vom 15.-18. August im Jugendpark veranstaltet wurde, war der Auftritt der Band „No Mercy“ am Samstagabend. Leider war von der Band nur Marty Cintron auf der Bühne zu sehen ohne die beiden Zwillinge Ariel und Gabriel Hernandez. Nichtsdestotrotz schaffte der gebürtige Puerto-Ricaner mit seiner Gitarre eine tolle Atmosphäre und die zahlreichen Zuschauer konnten die Hits „Where Do You Go“, „And When I Die“ und „Kiss You All Over“ genießen. Und für das leibliche Wohl sorgten mehrere Food Trucks, die in der Nähe der Bühne aufgestellt wurden.

Marty Cintron von „No Mercy“.
Foto: Sibiul de odinioară

Kein Fan der Pop Musik? Ein bisschen Heavy Metal, Rock’n’Roll oder Hip Hop gefällig? Kein Problem: Im Astra-Freilichtmuseum konnte man in den Genuss dieser Musikgattungen kommen, und zwar bei der dritten Ausgabe des „Astra Rock Festivals“. Nach „Guano Apes“ (2022) und „Ugly Kid Joe“ (2023) trumpften die Organisatoren heuer mit „H-Blockx“ als Headliner auf. Die Bühne auf dem See war am Samstag der Austragungsort des „Crossover“-Konzerts des Jahres. Die 1990 gegründete deutsche Band um Henning Wehland heizte den Fans bis nach Mitternacht ein. Mitgesungen und mitgetanzt wurden die Hits „Risin‘ High“ und „The Power“. Für die Erwärmung sorgten die norwegische Progressive-Metal Band „Enslaved“ sowie die bekannte rumänische Band „ROA (Rise Of Artificial)“. Auf der kleinen Bühne am sogenannten „Dorfmarkt“ (Târgul de țară) konzertierten „Nimic Întâmplător“ und „Wildchild“. Das „Astra Rock Festival“ begann schon am Freitag, dem 16. August mit Auftritten der Bands „S.A.R.S.“, „Bucovina“, „Zob“, „Folk Frate!“, „Onenightstand“ und endete am Sonntag mit Konzerten der „The Toy Dolls“, „Paraziții“, „Crimena“, „RoadkillSoda“ und „JBLK“.

Ein Volksmusikensemble aus der Maramuresch eröffnete den ersten Abend des Astra Poetic-Poesiefestivals.                         Foto: Beatrice UNGAR

Tagsüber konnte man im Freilichtmuseum am Wochenende übrigens auch einiges erleben. Die Preisträger der Landesphase des Schülerwettbewerbs „Traditionelles Kunsthandwerk“ führten von Handwerkern und Ausbildern begleitet an drei Standorten im Museum demonstrative und interaktive Workshops durch. Außerdem kamen beim „ASTRA Poetic“-Poesiefestival die Lyrik-Liebhaber auf ihre Kosten: Auf der bedeckten Holzbrücke aus Gura Râului gab es eine Ausstellung und davor am frühen Freitagabend die Vorstellung des Bandes „Astra poetic 2024. Histories“, den Ovidiu Baron koordiniert hat. Im Vorfeld der Lesungen bot ein Volksmusikensemble aus der Maramuresch ein Platzkonzert und eine der Sängerinnen schenkte den Anwesenden ein Gläschen Horincă ein.

Ovidiu Baron (Koord.): ASTRA POETIC 2024. Histories. Editura ASTRA Museum 2024, 186 Seiten. Gedichte von Constantin Buduleci, Svetlana Cârstean, Gelu Diaconu, Teodor Dună, Adela Greceanu, Romeo Aurelian Ilie, Robert Șerban, Crina Neacșu, Iulia Pietraru, Vasi Prode. Illustrationen Iulia Teodorescu, englische Fassung: Teodora Verza, deutsche Fassung: Beatrice Ungar.

Parallel zum „ASTRA Rock Festival“ fand der 41. Jahrmarkt der traditionellen Handwerke statt. Man konnte also das ganze Wochenende im ASTRA-Freilichtmuseum verbringen, ohne sich zu langweilen.

Und wer anstelle eines Konzertes lieber einen Film im Freien genießen wollte, war im Erlenpark richtig. Hier konnte man beim „Arini Fest Cinema“ die bekanntesten Filme des mexikanischen Regisseurs Alejandro G. Iñárritu unter freiem Sternenhimmel erleben: Am Freitagabend wurde „Babel“ mit Brad Pitt und Kate Blanchett gezeigt, am Samstag „The Revenant“ mit Leonardo DiCaprio und Tom Hardy und am Sonntag „Birdman“ mit Michael Keaton, Edward Norton und Emma Stone. Freiluftkino vom Feinsten.

Das alles passierte am vergangenen Wochenende in Hermannstadt. Und es geht so bis in den späten Herbst weiter. Kein Wunder, dass es eines der Lieblingsausflugsziele der Touristen aus aller Welt ist. Hier wird es nie langweilig, aber auch nie wirklich ruhig. Urlaub in Hermannstadt zu machen, ist eben ein Erlebnis, sogar für Einheimische.

Cynthia PINTER

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Allgemein, Kultur.