Kalendarische Ausgangspunkte

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Von der ,,Andesit-Sonne“ zum Bestseller ,,Siebenbürgen im Flug“

Die sogenannte „Andesit-Sonne“, zugehörig zu den Ruinen der einstigen dakischen Hauptstadt Sarmizegetusa Regia in den Brooser Bergen.                                       Foto: Bogdan BRYLYNSKI

Ausgabe Nr. 2872

Am 17. und 18. Februar 1989 fand in Klausenburg in englischer Sprache eine Tagung über die Anwendung wissenschaftlicher Methoden in der Altertumskunde statt, zu welcher vorwiegend Vertreter der „Rumänischen Gesellschaft für Physik“ sowie des Forschungsinstitutes von Măgurele bei Bukarest zu Wort kamen.

Hermannstadt war da von einem Angehörigen eines Rechnerdienstes, von einem Unternehmen für Bauwesen und Höhenvermessungen – Florin C. Stănescu – vertreten, der da ausführlich über astronomische Erkenntnisse betreffend der sogenannten „Andesit-Sonne“, zugehörig zu den Ruinen der einstigen dakischen Hauptstadt Sarmizegetusa Regia in den Brooser Bergen, referierte.

Dabei ging er in seinen Erläuterungen vorwiegend von dem Wissen des griechischen Astronomen und Mathematikers Hipparchus aus. Dieser stammte aus Nicaea in Bithynia am Schwarzen Meer und lebte zwischen den Jahren 161-127 vor unserer Zeitrechnung auf Rhodus und in Alexandria.

Entsprechen die heutigen Maße vom Durchmesser der „Sonne“ und von der Länge ihres Strahls den tatsächlichen Vorgaben der Daker von einst, so benötigt man einen hölzernen Stab von 4,22 Meter Länge.

Wenn dieser nun im Mittelpunkt der „Sonne“ aufgestellt wird, so ergeben die Wanderungen seines Schattens nach einer entsprechenden Zeit kalendarische Erkenntnisse. So hatten die Daker einst den Meridian – also die mittägliche Achse – des Ortes ermittelt und den „Sonnenstrahl“ genau nach Norden ausgerichtet.

Recht teilfreudig ist die innere Gliederung des jeweiligen tropischen Jahres, also der jeweiligen Zeiträume zwischen aufeinanderfolgenden Durchgängen der Sonne durch den Frühlingspunkt.

So erkannten sie beispielsweise die Länge der einzelnen Jahreszeiten fast auf die Minuten genau, ohne dass ihnen heutige astronomische Möglichkeiten zur Verfügung gestanden hatten.

Im Jahr 1991 landete da zur näheren Besichtigung ein Hubschrauber des rumänischen Ministeriums der Landesverteidigung, den ein australisch-amerikanischer Verlag gebucht hatte, um ein Flugportrait Europas – einschließlich Rumäniens – anzufertigen. Danach wurde eine Bildfolge über Hermannstadt, Kronstadt, Schäßburg oder anderen Örtlichkeiten Siebenbürgens mit einer kleinen Bildkamera aufgenommen.

Für deren Herstellung war der damals bedeutendste Flugbildner der Welt verpflichtet worden. Es handelt sich um den damals 63 Jahre alten Schweizer, Germanisten und Anglisten Georg Gerster, der sich aber ab 1975 zum Flugbildfotografen ausgebildet hatte.

Nun war er aber vom Überfliegen der Südseite bei der Kirchenburgenlandschaft so überrascht, dass er im Sommer des gleichen Jahres auf eigene Kosten den Hubschrauber für weitere zwei Wochen buchte. Nähere Erkundigungen führten Georg Gerster danach zu einer Kontaktaufnahme zum siebenbürgisch-sächsischen Kulturrat in Gundelsheim am Neckar und zum ehrgeizigen Auftrag, diese Kirchenburgenlandschaft zu erfassen. Dadurch wurden im September 1994 und im März 1995 über 500 Aufnahmen beim Überflug von 241 Dörfern produziert. Es war das erste Mal in der Welt, dass eine ganze Landschaft genauestens porträtiert worden ist. Das 1997 bei Wort und Welt erschienene Album „Siebenbürgen im Flug (mit Texten von Martin Rill) wurde zum Bestseller.

Manfred WITTSTOCK

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Geschichte.