50 Lieder für 50 Jahre

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Mit dem Evangelischen Gesangbuch durchs Jahr 2024

Ausgabe Nr. 2870

Bis 1908 hatte das Gesangbuch bereits die 23. Auflage erlebt und ein Exemplar dieser Auflage war das Konfirmationsgeschenk meiner Mutter. Eingekreist und mit einem Herz versehen steht darin das Lied Nr. 338. Es ist ein Lied, welches meine Mutter zeitlebens begleitet hat. 1980 am Tag meiner Ordination hatten sich mehrere Vikare im Bischofshaus eingefunden, begleitet von Eltern und Kuratoren der zugeteilten Gemeinden. Beim Festessen in der Bischofswohnung gab es noch Dankesworte. Einer der Kuratoren des Nösnerlandes war kein geübter Redner, weswegen er sich auch entschuldigte. Aber dieser Mann sang aus voller Kehle alle 6 Strophen des Liedes 338, als Dank für die Zuteilung eines jungen Pfarrers für das einsame Gebiet der damaligen Diaspora. Und meiner Mutter, die neben mir saß, leuchteten die Augen und ihre Lippen bewegten sich Strophe für Strophe.

Dies war kein anderes Lied als das mit der Nummer 321 aus unserem neuen Gesangbuch: „Wohlzutun und mitzuteilen“. Ein Lied welches der Pfarrer von Braunschweig Johann Ludwig Paulemann (1728-1807) gedichtet hat und das 1680 mit einer Melodie von Joachim Neander versehen wurde. Oft wurde dieses Lied gesungen zu Erntedank, neben dem bekannten „Nun danket alle Gott“. Und wenn die Nachbarväter am Tag vor dem Gottesdienst mit Heiligem Abendmahl zur Versöhnung riefen, war dieses Lied ein Grund, auf Not und Leiden des Nächsten aufmerksam zu machen. Gegenseitige Hilfe war ein Grundprinzip des Zusammenhaltes unserer Gemeinschaft. Angehalten werden wir darin „nicht nur denen, die euch lieben“ Hilfe zu leisten, sondern auch denen „die im Stillen leiden“, was ja oft nicht offenbar wird. Meine Mutter hat dies stille Leiden erlebt und auch gelebt, bis an ihr Lebensende. Weil es zur Zeit von Paulemann viele Sammlungen von geistlichen Liedern gab, jedes Fürstentum hatte eine, war dieser Pfarrer dennoch von Herzog Karl I. von Braunschweig 1689 beauftragt worden, ein „zeitgerechtes, verständliches und vom Geist der Aufklärung geprägtes Gesangbuch“ zu erarbeiten. Es war geschehen, so dass auch 5 seiner Lieder damals gedruckt wurden. Sein Lied „Wohlzutun…“, EG 321, hat Generationen überdauert und auch geprägt, wie die des befangenen Kurators bei meiner Ordination. Ich bin dankbar für dieses Lied, das ich auch bei meiner Konfirmation in einer Strophe auswendig lernen musste. Es hat mich, wie auch meine Mutter und meine Familie stets begleitet.

Kurt BOLTRES

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kirche.