50 Lieder für 50 Jahre

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Mit dem Evangelischen Gesangbuch durchs Jahr 2024 / Von Brunhilde BÖHLS

Ausgabe Nr. 2859

Mein persönliches Gesangbuch der EKR von 1974 ist nicht ganz so vornehm wie das meiner Oma, ein in schwarzen Samt gebundenes, mit goldenen Initialen geschmücktes, das mit Goldstaub überzogene Seitenränder hat. Mein rotes, modernes Gesangbuch hat jedoch den Vorteil, dass es Noten hat. Es ist auch geschmückt, mit gepressten Buchenblättern in einer Klarsichthülle.

In diesen 7 Jahren meiner versuchten Heimkehr lernte ich unseren „Jubilar” ganz gut kennen. Ich machte mir Notizen, wann welches Lied im Kirchenjahr gesungen wurde. Auch bei dem Lied Nr. 322 („Wer nur den lieben Gott lässt walten und hoffet auf ihn allezeit…”) stehen zwei Randbemerkungen: Am 15. Sonntag nach Trinitatis, dem 9. September 2018, sang die Gemeinde es in Michelsberg. Am Sonntag Septuagesimae 2019 stand es auch auf einer siebenbürgischen Texttafel. Lied und Text stammen von Georg Neumark (1621-1681), einem produktiven Dichter und Komponisten des Barock. Vermutlich entstand das Lied mit dieser wunderbaren Melodie in G-Moll, nachdem der Jura-Student auf dem Weg zur Universität überfallen und ausgeraubt wurde und nachdem er trotz allem eine Hauslehrerstelle antreten konnte. Die Erfahrung dieser wunderbaren Fügung hat wohl sein Gottvertrauen bestärkt und ihn veranlasst, dieses Trostlied zu schaffen. Denn, wer den „lieben Gott” schalten und walten lässt, der ist auf der sicheren Seite, könnte den Inhalt zusammenfassen. Auch wenn uns, heute wie damals, schwere Sorgen plagen, hilft es nichts, wenn wir jammern und klagen! Unsere Seele soll sich lieber im Gebet mit Gott verbinden, denn Er „weiß auch am besten, was uns fehlt.” Auch heute wie damals jagen wir in unserer „Drangsalshitze” dem irdischen Glück nach. Die Zukunft erst kann dem Gläubigen das wahrhafte Glück bringen, so wie Gott der Allmächtige den Armen reich und den Reichen arm zu machen vermag. In der letzten Strofe dann die innige Aufforderung, singend Gott anzubeten, voller Zuversicht dem „Wundermann, der bald erhöhn, bald stürzen kann”, unser Schicksal anzuvertrauen. Ausgehend von diesem beliebten Kirchenlied schrieb J. S. Bach die Kantate BWV 9 für den 5. Sonntag nach Trinitatis, den 9. Juli 1724. Neumark schrieb es vor fast 400 Jahren in Zeiten von Krieg, Hungersnot und Seuchen. Ich verstehe es als eine Ermahnung und zugleich einen Trost an die Zeitgenossen von damals und die Menschen von heute, ihren Glauben an Gott nicht aufzugeben!

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kirche.