Samstagmusik zum Thema ,,Ewigkeit” in der evangelischen Stadtpfarrkirche
Ausgabe Nr. 2844
Reich an besonderen Werken, an Musiken, die nur selten zu hören sind, ist die samstägliche Abendmusik in der Stadtpfarrkirche in diesem in der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien ausgerufenen „Jahr der Kirchenmusik“. Dazu gehört auch das Konzert, das man am 25. November erleben konnte. Es war der Tag vor dem „Ewigkeitssonntag“, wie der letzte Sonntag im Kirchenjahr und vor dem 1. Advent genannt wird.
Dem Thema „Ewigkeit“ war das Konzert denn auch gewidmet. Es ging um Tod, Trauer, Vergänglichkeit, aber auch um Hoffnung auf das ewige Leben und die Freude auf das Paradies. Das ist ein Thema, das im Leben der Menschen in der Barockzeit eine große Rolle gespielt hat und von den Kantoren und Komponisten entsprechend aufgegriffen und in Musik gesetzt wurde.
Im Konzert waren dann auch Werke von sechs Musikern aus dieser Epoche zu hören, von Kirchenmusikern, die im norddeutschen Raum in den Jahrzehnten vor 1700 zum Teil eine bedeutende Rolle gespielt haben. Allen voran gehört dazu Dietrich Buxtehude, langjähriger Kantor in Lübeck und Lehrer einer ganzen weiteren Generation von Musikern, nicht zuletzt von Nikolaus Bruhns und dem bekanntesten von ihnen: Johann Sebastian Bach.
In Buxtehudes Kantate „o gütiger, o sanftmütiger, o himmlischer Vater“, geht es um die Bitte eines Menschen an Gott, er möge ihn, den Sünder, gnädig bei sich aufnehmen. Der Text wird abschnittweise vorgetragen und dabei in der Musik ganz unterschiedlich aufgegriffen, je nachdem, was der Text gerade aussagt. Das reicht von schwermütigen bis hin zu jubelnden, Zuversicht ausstrahlenden Teilen, vorgetragen vom Solosopran. Das Orchester besteht aus zwei Blockflöten, einer Gruppe von drei Gambisten und dem Basso continuo aus Orgel und Kontrabass, wobei der dritte Gambist sich diesem Fundament hinzugesellt. Überhaupt spielen die Gamben in Verlauf des Konzertes eine bedeutende Rolle. So auch in den beiden folgenden Musiken von Buxtehude, dem Choral „Mit Fried und Freud ich fahr dahin“, gesungen im Wechsel von den vier Gesangssolisten. Der Text wird umspielt von den Instrumenten, bei denen neben den sonst Cello-ähnlichen Gamben auch eine hohe Diskantgambe eingesetzt wird. Das ganze entspricht einem in dieser Zeit üblichen Choralvorspiel, bei dem der Cantus firmus des Chorals kontrapunktisch mit Motiven aus dem Choral umspielt wird. Der Einsatz der Gamben ist hier sehr berührend. Diese Instrumente klingen verhaltener als Geigen oder Celli, was von den deutschen Komponisten der damaligen Zeit gern für Trauermusiken genutzt wird. Im Konzert wurde der Kantate noch ein „Klaglied“ angefügt, eine Trauerkomposition, die Buxtehude anläßlich des Todes seines Vaters geschrieben hat.
Auch Nikolaus Bruhns‘ geistliche Kantate „Die Zeit meines Abschieds ist vorhanden“ beschäftigt sich mit dem Tod und der Zuversicht, in den Himmel aufgenommen zu werden. Und ähnlich wie bei Buxtehude werden die Aussagen einzelner Textabschnitte motivisch so von den Instrumenten umspielt, daß ihre Aussage musikalisch verstärkt wird, „Affekte“ erzeugt werden.
Wie so oft bei den samstäglichen Abendmusiken werden auch in diesem Konzert Kompositionen vorgestellt von Künstlern, die nahezu verschwunden sind. Dazu gehören hier eine instrumentale Intrade des Musikers Alessandro Orologiico, der um 1600 herum für dreißig Jahre am Prager Hof gewirkt hat. Dazu gehören auch die beiden anderen Komponisten wie Johannes Bahr, langjähriger Organist in Visby (Gotland), dessen Kantate vorgetragen wurde vor allem vom Tenor, mit „Bestätigung“ der drei übrigen Stimmen, was die Zuversicht auf das Jenseits angeht. Von Jacob Örn, Sänger und Vizekapellmeister am Hof von Kopenhagen, ist neben einem Choral nur noch eine Pavane überliefert, ein ruhiger Schreittanz, der im Konzert als instrumentale Zwischenmusik solistisch von den beiden Blockflöten und einer Diskantgambe, zusammen wie immer mit den Continuo-Instrumenten, vorgetragen wurde.
Das längste Werk und auch der Höhepunkt des Abends war am Schluss zu hören: Eine der frühesten Kantaten von Johann Sebastian Bach, bei der man bereits sein ganzes Können erleben durfte: Es handelt sich um die Kantate „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“, die Bach 1707 oder 1708 geschrieben hat, als er als 22-Jähriger in Mühlhausen als Kantor angestellt war. Der Anlass war ein Trauerfall, möglicherweise der Tod des Bürgermeisters Strecker oder der von Bachs Onkel Tobias Lämmerhirt. Bach verbindet in seiner Kantate Worte aus dem Alten und dem Neuen Testament mit Choraltexten von Luther. Nach einer instrumentalen Einleitung folgen solistisch gesungene Abschnitte und Choralteile im Wechsel. In Teil eins steht das Alte Testament, der „alte Bund“, im Vordergrund, im zweiten Teil geht es über zum Neuen Testament mit der Zuversicht auf das Paradies. Während bei den vorher gehörten Kompositionen die instrumentale Besetzung noch mehr oder weniger beliebig war, so bestimmt Bach hier bewusst die zwei Blockflöten zusammen mit den Gamben als Unterstützung der Affekte, die der Text hervorrufen will. Die Gesangssolisten erhalten bereits hier anspruchsvolle Aufgaben, wie sie später bei Bach (man denke an die großen Oratorien) zur Regel werden. Die Kantate endet mit einem vierstimmigen Choral, einem Lobgesang, kontrapunktisch umspielt von den Instrumenten.
Das Konzept dieses außergewöhnlichen Abends lag wie immer in den Händen von Brita Falch-Leutert, die an der Orgel auch die Leitung übernahm, und Jürg Leutert am Kontrabass. Es wirkten die bewährten Sänger Melinda Samson, Elisa Gunesch, Nicolae Simonov und Horațiu Coman mit, dazu die Flötistinnen Erika Klemm und Monika Robescu. Die drei Gambisten waren Julia Willeitner (Wien), István Csata und Gabriel Silișteanu.
Elisabeth DECKERS