Konzert des Bålder Quartetts im Thaliasaal
Ausgabe Nr. 2775
Langsam nahmen die Zuhörerinnen und Zuhörer im Thaliasaal Platz, auf der Bühne standen vier Stühle und ebenso viele Notenständer bereit und der Hintergrund war vom zugezogenen Vorhang aus rotem Samt koloriert. Die Vorfreude und Neugier des Publikums waren spürbar. Grund dafür war der bevorstehende Auftritt des Bålder Quartetts. Die Formation wurde laut Konzertprogramm 2018 als Teil der Kammermusikakademie im finnischen Kuhmo gegründet.
Das Quartett schrieb, dass Internet, Vergängliches und Lärm in den letzten Jahren die Überhand gewonnen haben. „Wir laden unsere Hörerinnen und Hörer ein, ihre Augen und Ohren von ihren Smartphones zu lösen und mit uns auf eine Reise zu gehen, auf der sie den bedeutenden Platz erkennen werden, den die Kunst in unserer Welt einnimmt“, fuhren sie fort.
Wie das Quartett im Programm erklärte, war der Auftritt am 16. Juni Teil einer Gedenktournee, um der Opfer der Pandemie zu gedenken. „Ihr Ziel ist es, die Menschen zu würdigen, die unermüdlich gegen Covid-19 gekämpft haben, und gleichzeitig den Zuhörern die Möglichkeit zu geben, durch die Musik Erinnerungen an ihre Lieben wiederzuentdecken“, war zu lesen. Auch die Tournee, zu der das Quartett den rumänischen Pianisten Mihai Diaconescu eingeladen hat, blieb von der Pandemie nicht verschont.
Zwischen dem roten Samtvorhang hervor trat nämlich zuerst allein Vadim Grumeza, ein Viertel des konzertierenden Bålder Quartetts. Der Violist, der 2011 den Remember Enescu- und 2012 den Paul Constantinescu- Violinwettbewerb gewann, musste verkünden, dass Emil Hartikainen – der Erste Geiger der Formation – sich mit dem Corona-Virus angesteckt hatte. Auf Hartikainens Stuhl setzte sich daraufhin Ciprian Oraveț, Mitglied des Nationalen Rundfunkorchesters, des Jugendorchesters der Europäischen Union und des rumänischen Jugendorchesters, um einzuspringen.
Für den ersten Programmpunkt des Abends – „Night Prayers“ für Streichquartett und Tonbandgerät von Giya Kancheli – setzten sich der zweite Violinist Andrew Ng Wen Hao, Violist Grumeza und Cellist Tommi Wesslund neben Oraveț auf die Bühne. Im Vorspiel des Werkes aus der Feder des georgischen Komponisten Kancheli (1935 – 2019) bewiesen die vier Musiker beeindruckende Abstimmung aufeinander. Immerwährend im Dialog waren die beiden Geigen, die Viola sowie das Cello von pianissimo zu fortissimo verbunden. Hinzu kam im Verlauf des Stücks ein unterlegender tiefer Ton und Gesang vom Band – eine überraschende Komponente.
Nachdem trotz weniger dicht besetzten Rängen lauter Applaus im Saal verklungen war, trat für die beiden nächsten Werke auch Pianist Diaconescu, der 2013 bis 2014 an der Sibelius-Akademie in Helsinki studierte, auf die Bühne. Zusammen spielten die Musizierenden das Klavierquintett in f-Moll op. 18 sowie die Rhapsodie über moldawische Themen op. 47/1 von Mieczyslaw Weinberg (1919 – 1996), letzteres arrangiert von Vadim Grumeza. Beide Werke zählen zur frühen Schaffensperiode des polnisch-jüdischen Komponisten. Das Quintett entstand 1944 und wurde ein Jahr später in Moskau uraufgeführt. Über die fünf Sätze hinweg waren unterschiedlichste Rhythmik und Melodik zu hören. Die Rhapsodie komponierte Weinberg 1949. Im gleichen Jahr fand die Uraufführung statt. Das Werk besteht aus einem Zusammenzug mehrerer moldawischer – darunter einige typisch jüdische – Folklieder.
Zur Auswahl der Werke schrieb das Bålder-Quartett: „Das Programm der Tour basiert ausdrücklich auf dem Kontrast zwischen Dunkelheit und Licht.“ Sie hätten raue und unvorhersehbare Werke ausgesucht, die sich ekstatisch in intensive Meditationen vertiefen, die ständig in Stille getaucht sind, aber von plötzlichen Fortissimo-Stützen und Höhepunkten mit dramatischen Motiven unterbrochen werden.
Nachdem Oraveț, Hao, Grumeza und Wesslund ihre Bögen abgesetzt und Diaconescu seine Finger von den Tasten genommen hatten, applaudierten die Zuhörerinnen und Zuhörer ebenfalls im Fortissimo.
Carla HONOLD