Die Zwillingsbrüder Gert und Uwe Tobias im Gespräch mit Claus Rehnig
Ausgabe Nr. 2775
Die in Kronstadt geborenen und in Köln lebenden Brüder Gert und Uwe Tobias gehörten zu den drei Nominierten des Prix du Dessin der Fondation d’Art Contemporain Daniel et Florence Guerlain, die beiden anderen waren die Amerikanerin Chloe Piene und die Russin Olga Chernysheva, die den Preis bekam. Aber eine Nominierung ist allein schon eine Auszeichnung, weil die Kunstwelt in Frankreich ein Augenmerk auf die Künstler der Fondation wirft. Die Preisverleihung und die Ausstellung der nominierten Künstler erfolgt jedes Jahr während des Salon du Dessin im Palais Brogniard, einer der prestigeträchtigsten Galerien der französischen Hauptstadt, wo eine unscheinbare kleine alte Zeichnung schon mal einen Millionenwert erreichen kann.
Die oft experimentellen mit seltsamen Gestalten bevölkerten Werke der Brüder Tobias, die mit ihren Eltern nach Deutschland aussiedelten, als sie 12 waren und die an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig studierten, wimmeln nur so von Referenzen an die Kunstgeschichte. Man könnte Dada zitieren oder gar eine Vielzahl von Künstlern der Vergangenheit und Henry Darger fällt einem ein. Die Beiden schaffen eine fantastische Welt, in der sowohl die Mythologie Siebenbürgens ihren Platz hat wie auch ihre eigene Welt.
Mit dem gefeierten Künstlerpaar Gert (G. T.) und Uwe Tobias (U. T.) sprach der Paris-Korrespondent der Hermannstädter Zeitung, Claus R e h n i g.
Sie sind Künstler mit einem ziemlich breiten Spektrum?
G. T.: Grundsätzlich arbeiten wir seit 2001 zusammen und unsere Medien sind die Zeichnung, das Aquarell, der Holzschnitt, dann gibt es auch keramische Arbeiten und manchmal gibt es auch Wandmalereien. Wir gehen dann auch in den Raum.
Für jeden Künstler werden aus Platzgründen nur wenige Beispiele gezeigt, für Sie ein großes Bild und kleineres in schwarz und rot, wo ich mich fragte ob das mit einem Computer gemacht wurde?
U. T.: Was man da gesehen hat mit den Schreibmaschinenzeichnungen, machen wir schon sehr lange Zeit, d. h. auf einer älteren Schreibmaschine werden die getippt. Dazu gibt es natürlich in der Kunstgeschichte Referenzen. Und das Medium der Schreibmaschine an sich ist deswegen interessant, weil es eine Begrenzheit hat, also wir setzen Zeichen an Zeichen und über diesen Weg schaffen wir eine Bildwelt, figurativ oder abstrahiert. Was es ausmacht, ist auch u. a., weil wir uns mit der Ikonographie der Folklore lange beschäftigt haben, dass es so aussieht wie eine Stickerei. Eine Andeutung halt in dieser Richtung.
G. T.: Das große Bild ist gezeichnet mit Buntstift und Kreide, dann Verwischung und es ist auch Teil unserer Arbeit. Wir arbeiten in verschiedenen Medien, die Schreibmaschine habe ich vorhin vergessen, aber sie ist auch Teil unserer Arbeit.
Sie sprechen von Medien?
G. T.: Wir haben generell ein malerisches Denken, also Malerei als solche ist übergeordnet, aber Medien bedeutet: die Zeichnung ist Medium, das Aquarell ist Medium, Öl ist Medium.
Das ist also das, worauf Sie arbeiten?
G. T.: Worauf, das ist der Bildträger, das ist was anderes, auf Papier, auf Leinwand, auf Holz oder auf die Wand, das ist wieder was anderes.
Sie sind Zwillinge, wie funktioniert die Zusammenarbeit?
G. T.: Die Zusammenarbeit funktioniert, das ist ja bei uns das Übergeordnete, wie eine Collage. Zwei verschiedene Typen, obwohl wir Zwillinge sind, sind wir doch unterschiedlich im Charakter. Wir kommen zusammen und versuchen etwas Drittes zu kreieren, das ist dann unsere Bildwelt. Jeder von uns arbeitet jeweils in dem gleichen Medium, d.h. es ist jetzt nicht so, dass Uwe die Holzschnitte macht und ich die Schreibmaschinenzeichnungen mache und wiederum Uwe die Keramik. Nein. Unser Interesse liegt darin, dass wir beide uns mit den ganzen Medien auseinandersetzen und die Werke dann gemeinsam schaffen.
U. T.: Was Gert eben gesagt hat, stimmt: Jeder arbeitet in jedem Medium, wir sind beide gleichberechtigt. Wir teilen uns das nicht auf, jeder bearbeitet jedes Medium.
Sie leben in Köln, wie verkaufen sich Ihre Arbeiten?
G. T.: Das ist unterschiedlich, je nachdem was wir machen. Wir arbeiten mit Galerien zusammen. Hier z.B. hat uns unsere Galerie in Brüssel Rodolphe Janssen begleitet, in Deutschland arbeiten wir mit Contemporary Fine Arts in Berlin zusammen und die sind für den Verkauf zuständig, d.h. wir verkaufen nicht selber. Wir arbeiten mit Berlin zusammen und die kümmern sich darum. Und wir freuen uns, immer mal wieder auch eine Arbeit verkaufen zu dürfen, verkaufen zu können, denn von irgendwas muss man ja leben. Wir sind privilegiert insofern, als wir das Glück haben, es ist so, dass wir bald, im Jahr 2024, das Privileg haben, uns seit 20 Jahren nur mit Kunst beschäftigen zu können und keiner anderen Tätigkeit nachgehen müssen. Da sind wir schon sehr dankbar dafür.
Eine Nominierung auch ohne Preis ist ja doch schon eine Auszeichnung und wichtig für die Zukunft?
U. T.: Natürlich, es geht ja nicht immer um den ersten Preis, sondern… (Gert ruft dazwischen: doch, ich wollt ihn haben!) …sondern, dabei zu sein und dass man Anerkennung bekommt, dass diese Arbeit geschätzt wird, das ist ja auch schon sehr viel.
Sie leben in Köln, sind aber in Rumänien geboren?
G. T. : In Kronstadt in der Geburtenklinik, aber in Neustadt/Cristian aufgewachsen, das ist ein Ort etwa 10 km nördlich von Kronstadt gelegen.
Erinnerungen?
U. T.: Obwohl wir unter Ceaușescu groß geworden sind, die Schulzeit war etwas anders als in Deutschland zu der Zeit, aber ansonsten sind wir in der Familie, einer Grossfamilie groß geworden und das war sehr behütet und mit einer schönen Kindheit, uns fehlte an nichts, vielleicht fehlten im Vergleich materielle Dinge, aber das ist nicht das Wichtigste.
G. T.: Ja ich unterstreich das. Und im Nachhinein finde ich, dass wir so großgeworden sind – ich will das jetzt nicht vergleichen – hat man auch einen anderen Bezug, eine andere Wertigkeit für bestimmte Sachen, die man auch über die Jahre jetzt erfahren hat. Und ich finde, mit beiden Beinen auf dem Boden zu sein, achtsam zu sein und möglichst liebevoll mit anderen Menschen zu sein, das ist erst mal das Wichtigste.
Danke für das Gespräch.