,,Gedruckte Bücher sind attraktiv“

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Interview über den Welttag des Buches mit der Konsulin Kerstin Ursula Jahn

Ausgabe Nr. 2768

Die Deutsche Konsulin Kerstin Ursula Jahn (rechts) im Gespräch mit der stellvertretenden Chefredakteurin der HZ, Ruxandra Stănescu, in der Bibliothek des Deutschen Kulturzentrums Hermannstadt.                                                                                                       Foto: Roxana STOENESCU

Das Deutsche Kulturzentrum Hermannstadt (DKH) hat zum Welttag des Buches, der am 23. April gefeiert wurde, einen Wettbewerb organisiert, der vom Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt unterstützt wurde. Über Bücher und den Welttag des Buches hat Konsulin Kerstin Ursula Jahn mit der HZ-Redakteurin Ruxandra S t ă n e s c u gesprochen, im Anschluss wurden auch die Gewinner ausgelost. Das Interview und die Liste der Gewinner sind auch auf der Internetseite des DKH zu finden.

Inwieweit wird der Welttag des Buches in Deutschland wahrgenommen?

Der Tag wird in den Schulen und in den Grundschulen schon thematisiert. Der Partner meiner Schwester ist unabhängiger Buchhändler, er hat seinen kleinen eigenen Buchladen. Von ihm weiß ich, dass es eine Aktion seitens der Stiftung Lesen gibt, die unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten steht, bei der jedes Jahr zum Welttag des Buches Gutscheine verschenkt werden, die die Schüler gegen Bücher eintauschen können.

Bei Erwachsenen sehe ich das ein bisschen anders. Sicher wird der Welttag des Buches in der einen oder anderen Kultursendung thematisiert, aber ich denke, dass damit lediglich jene Erwachsenen erreicht werden, die schon buchaffin sind.

Sind gedruckte Bücher heute noch attraktiv?

Auf jeden Fall. Ich liebe es, ein Buch in die Hand zu nehmen, daran zu riechen, mir Stellen zu markieren, die ich schön oder wichtig finde. Soweit ich weiß, ist der Gesamtumsatz im Buchhandelswesen seit Jahren relativ stabil in Deutschland geblieben, auch wenn man vor einigen Jahren erwartet hatte, dass das Buch im Verschwinden begriffen ist.

Was denken Sie über die Alternativen,  E-Bücher, Hörbücher?

Ich denke, alles hat so seinen Platz. Wenn ich ganz subjektiv sein darf, liebe ich meine kleine eigene Bibliothek und freue mich an den Büchern, die da drin  stehen.

Es hat in meinem Leben schon eine Phase gegeben, wo ich in einem afrikanischen Land lebte und es im Umkreis von hunderten von Kilometern keine Buchhandlungen gab, und da habe ich den Vorteil des E-Book-Readers und der E-Bücher schätzen gelernt. Das war in meinem Leben tatsächlich die einzige Phase, wo ich darauf zurückgegriffen habe. Bislang schleppe ich noch bei Reisen Bücher mit. Ganz anders beim Hörbuch. Es gibt ganz tolle Vorleser und Vorleserinnen, bei denen es einfach eine riesengroße Freude ist, ihnen zuzuhören. Das finde ich eine wunderbare Ergänzung zum geschriebenen Buch.

Sie sprachen gerade über Ihre kleine Bibliothek. Sie ziehen regelmäßig um, was machen Sie mit den Büchern?

Da gehen mein Mann und ich schon vorher die Bibliothek durch und wir sortieren aus. Die Bücher in gutem Zustand, die wir nicht behalten wollen, verschenken wir. Ein Buch in gutem Zustand wegzuwerfen, das bringen wir nicht übers Herz. Der Rest wird schön verpackt in extra Bücherkisten und kommt mit.

Wie kann man die junge Generation zum Lesen anregen?

Erstens braucht man gute Bücher dafür. Bücher, die für junge Leute interessant sind, die Themen behandeln, die sie interessieren. Dann muss man Kinder oder Jugendliche dafür begeistern. Ich habe eine liebe Freundin, eine Kinder- und Jugendbuchautorin, Antje Leser. Sie hat mir erzählt, dass sie für ein Buch sogenannte Book-Challenges veranstaltet, bei denen die Kinder verschiedene Aufgaben, die mit dem Buch in Zusammenhang stehen, innerhalb von einer Stunde lösen müssen. Solche Initiativen führen die jungen Leute an das Buch und an das Lesen heran.

Gibt es ein Buch oder mehrere, das/die Sie auch öfters in die Hand nehmen?

Ja. Ich nehme immer wieder „Der kleine Prinz” von Antoine de Saint-Exupéry zur Hand. Er hat für jede Altersklasse, für jede Lebensphase Weisheiten und Poesie festgehalten.

Gibt es ein Buch oder auch mehrere, das/die Sie stark beeinflusst hat/haben und das/die Sie auch empfehlen würden?

Ich habe festgestellt, es gibt verschiedene Phasen in meinem Leben und mich haben verschiedene Themen und verschiedenene Autoren und Autorinnen angesprochen. Als ich sehr jung war, hat es zum Beispiel eine wirklich feministische Phase in meinem Leben gegeben. Da gab es Autorinnen, die Frauenrechte und  Frauenthemen beschrieben haben. Das hat mich sicherlich damals und möglicherweise auch auf meinem weiteren Lebensweg beeinflusst.

Etwas später gab es dann eine Phase, da hat mich das Thema Kriegskinder und Kriegskindheit sehr interessiert. Da kann ich mich erinnern an ein Buch von Lily Brett, durch welches ich gelernt habe, dass auch ich kriegstraumatisierte Eltern habe. Das war eine wichtige Erkenntnis. Der Roman „Im Krebsgang” von Günther Grass handelt auch davon. Das war auch so eine Phase in meinem Leben.

Tatsächlich gibt es ein Buch, das außer dem ,,Kleinen Prinz“ immer einen Sonderplatz in meinem Buchregal hat, auch wenn ich nicht mehr ganz genau sagen kann warum eigentlich. Es ist „Jakob der Lügner” von Jurek Becker. Ich finde, es ist ein ganz hervorragendes Buch, das mich beim ersten Lesen schon unglaublich berührt hat. Das Buch sieht zugegeben mittlerweile ziemlich zerfleddert aus.

Empfehlen möchte ich aber ganz was anderes: „Was man von hier aus sehen kann” von Mariana Leky, es ist ein wunderbares Buch. Es ist unglaublich, wie liebevoll die Autorin mit ihren Figuren umgeht, die sie da erschaffen hat. Es ist voller Lebensweisheit, unglaublich und herrlich skurril. Man lacht sehr viel, man weint auch zuweilen. In der Buchform kann man das selber lesen und wenn man das getan hat, dann soll man unbedingt auch das Hörbuch nehmen, weil Sandra Hüller fantastisch liest und man möchte gar nicht, dass es aufhört. Dieses Buch möchte ich wärmstens empfehlen.

In Deutschland ist der Buchmarkt sehr groß, in Rumänien leider noch viel kleiner. Denken Sie, dass es in Deutschland Interesse an der rumänischen Gegenwartsliteratur gibt?

Ja, es gibt immer wieder Übersetzungen. Als Herta Müller den Literaturnobelpreis bekommen hat, hat das in Deuschland ein richtiges Schlaglicht auf die rumänische und rumäniendeutsche Literatur geworfen. In meiner Wahrnehmung war das vorher nicht so ein Thema und ich glaube, dadurch ist man darauf aufmerksamer geworden. Im Nachhinein gab es dann zahlreiche Übersetzungen. Später, 2018, war Rumänien Gastland auf der Leipziger Buchmesse, ein Zeichen, dass es wahrgenommen wird. Ob das breite Publikum erreicht wurde, möchte ich im Moment bezweifeln.

Aus eigener Erfahrung könnte ich sagen, dass man hellhörig  wird, wenn ein Thema mit  einem selbst zu tun hat. In dem Moment, als ich erfahren habe, dass wir nach Hermannstadt versetzt werden, habe ich natürlich einen anderen Blickwinkel eingenommen. Kurz darauf gab es eine Sendung im Deutschlandfunk über das Werk und auch das damals neueste Buch von Iris Wolff, „Die Unschärfe der Welt”. Das habe ich mir natürlich dann direkt gekauft  und mittlerweile besitze ich alle ihre Bücher. Aber ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass es ein großes Publikum erreicht und ich glaube auch, dass es wirklich tolle rumänische und rumäniendeutsche Literatur gibt.

Wie kaufen Sie Bücher ein? Lesen Sie Rezensionen? Nehmen Sie ein Buch in die Hand, weil das irgendwie auffällig ist?

Ja, es kann echt was optisches sein, ein total schön gestalteter Umschlag, der den Blick fängt. Es kann ein Titel sein, zum Beispiel „So tun als ob es regnet”, der mich gleicht anspricht. Es können Rezensionen sein, Empfehlungen von Freundinnen oder Freunden oder der Familie. Es kann der Autor oder die Autorin sein, von dem man einfach schon zwei, drei Bücher hat und man nur darauf wartet, dass er oder sie das nächste schreibt.

Haben Sie ein Genre, dass Sie besonders mögen?

Ich denke, es sind schon Romane, die ich gerne mag. Es gibt auch Theaterstücke, die ich grandios finde. Lyrik spricht mich wahnsinnig an, weil ich das ganz ganz toll finde, wie Lyriker es schaffen, mit den kürzesten Sätzen und mit den wenigsten Worten eine ganze Welt auszudrücken. Allerdings muss ich sagen, dass ich mir sehr selten die Muße erlaube, mich mit einem Gedichtband hinzusetzen. Ich lese hauptsächlich Romane, je nach Lebensphase sind es irgendwie Themen, die mich besonders anziehen. Im Moment ist es rumäniendeutsche Literatur, ganz klar.

Haben Sie sich überlegt, irgendwann ein Buch zu schreiben?

Ja. Tatsächliche habe ich sogar schon einmal angefangen zu schreiben, in einer Phase, als mein Mann in Namibia, im hohen Norden des Landes, berufstätig war. Der Wunsch zu schreiben begleitet mich schon sehr sehr lange, weil ich sehr gerne mit Sprache umgehe. Ich bin nicht so weit gekommen, wie ich es gerne haben würde und im Moment liegt es wieder Brach und es sind tatsächlich zwei. Mal gucken, ob irgendwann noch was wird oder nicht. Es ist nicht so leicht wie ich gedacht habe, es braucht sehr viel Disziplin und natürlich auch Eingebungen, Inspirationen und so weiter. Ich hoffe, irgendwann kann ich diesen Faden nochmal wieder aufnehmen.

Soll das Fiktion, eine Autobiographie oder eine Kombination von beiden werden?

Kombination, ganz klar. Das ist ganz deutlich Erlebtes, was aber einen fiktiven Rahmen bekommen sollte.

Wir drücken die Daumen, dass Sie die Zeit finden, das Buch zu Ende zu bringen und danken für das Interview.

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bücher.