Pianistin Adela Liculescu konzertierte in Hermannstadt
Ausgabe Nr. 2770
Bevor der Konzertflügel am Donnerstag der Vorwoche auf die Bühne im Thalia-Saal gerollt wurde, konnte das Publikum zwei Werke von Zoltán Kodály genießen. Die Musikerinnen und Musiker der Staatsphilharmonie führten unter Dirigent Gábor Horváth die „Tänze von Marosszék“ und die „Tänze von Galánta“ vor. Der ungarische Komponist, der sich das Musizieren auf der Violine autodidaktisch beibrachte, trat 1906 in das Budapester Konservatorium ein, wie die Hermannstädter Philharmonie im Programm beschreibt. Später habe Kodály gemeinsam mit Komponist Béla Bartók als Professor am Konservatorium die ungarische Nationalschule vertreten. „Die Musik von Kodaly ist weniger explosiv als die von Bartók und stellt eine Synthese aus volkstümlichem Modalismus und klassischer Architektur dar, die mit impressionistischen Elementen angereichert ist“, konnten die Zuhörerinnen und Zuhörer in dem Programmheft lesen.
Kodály ist unter anderem für seine Sammlung von Folklore-Musik, worauf viele seiner Kompositionen basieren, bekannt. Die „Tänze von Marosszék“ verfasste er 1927 für das Klavier und arrangierte sie 1930 für Orchester. Im Werk werden Themen aus der siebenbürgischen Volksmusik aufgegriffen. Über das Rondo mit drei Zwischenspielen und einer Coda führten die Orchestermitglieder ihr Publikum durch das lebhafte Stück.
So auch in den „Tänzen von Galánta“, die Kodály gemäß dem Text in dem Programmheft für das 80. Jubiläum der Budapester Philharmonie komponierte, in der Gesamtform einem Rondo nahe und in einer Coda endend. Der Komponist sei in Galánta, in der heutigen Westslowakei, aufgewachsen und nutze Tänze aus der Sammlung des dortigen „Zigeunerorchesters“ als Material.
Nach der Pause begrüßte das Publikum die Pianistin Adela Liculescu mit großem Applaus auf der Bühne. Die Musikerin wurde während ihrer Karriere bereits mehrfach prämiert und hat diverse Wettbewerbe gewonnen. Zuletzt erhielt sie den zweiten Preis der „International Enescu Piano Competition Bucharest“ 2021. Im letzten Programmpunkt des Abends spielte sie gemeinsam mit dem Orchester das 5. Klavierkonzert in Es-Dur Op. 73 von Ludwig van Beethoven. Das Stück, das auch „Kaiserkonzert“ genannt wird, ist das letzte aus der Reihe von Klavierkonzerten des deutschen Komponisten. „Im Jahr der Fertigstellung, 1809, steht der Komponist an der Schwelle zu seinem vierzigsten Lebensjahr, noch nicht ganz als musikalisches Genie anerkannt, aber materiell gefestigt, dank Erzherzog Rudolf, seinem ehemaligen Schüler, dem er auch dieses Werk widmete“, kann man in dem Programmheft zum historischen Kontext lesen.
Über die drei Sätze erlebte die Zuhörerschaft ein beeindruckendes Zusammenspiel mit dialogartigem Charakter zwischen der Solistin, die immer wieder ein Lächeln auf den Lippen hatte, und dem Orchester unter Dirigent Horváth. Formal wird die Originalität des ersten Satzes durch die brillante Kadenz des Soloklaviers, die einer freien Improvisation gleicht, unterstrichen. Im zweiten Satz stimmten die Streicherinnen und Streicher ein Thema religiösen Ernstes an, worüber sich das Klavier in einem Triller steigerte. Seinen Höhepunkt fand der dritte Satz in der Coda.
Auf die Darbietung folgte tosender Beifall. Im Anschluss spielte Liculescu die Toccata der Klaviersuite Nr. 2 Op. 10 aus dem Werk des rumänischen Komponisten George Enescu. Die Zugabe begeisterte die zahlreich erschienenen Musikenthusiastinnen und -enthusiasten.
Liculescu, die als Teil des Pianoquintetts „Philharmonic Five“ regelmäßig Kammermusik in Wien spielt, konzertierte am darauffolgenden Freitag erneut mit Werken von Beethoven und Enescu sowie Franz Liszt. Im Spiegelsaal des Deutschen Demokratischen Forums in Hermannstadt war sie im Solokonzert zu hören. Auch dort kam das Publikum in den Genuss einer Zugabe. Nach Beethovens „Appassionata“-Klaviersonate Nr. 23 in f-Moll Op. 57, Enescus Klaviersuite Nr. 2 Op. 10 und Liszts Ungarischer Rhapsodie Nr. 2 spielte Liculescu die Nocturne Nr. 2 Op. 9 des polnischen Komponisten Frédéric Chopin.
Adela Liculescu ist 1993 in Craiova geboren und erhielt schon ab vier Jahren Klavierunterricht. 2012 absolvierte sie die Kunstschule in ihrem Geburtsort und studierte Klavier an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Sie hat übrigens 2009 den ersten Preis beim ,,Carl Filtsch”-Wettbewerb gewonnen und saß bei dem Wettbewerb 2021 in der Jury.
Carla HONOLD