Lesung mit Jan Koneffke im Brecht-Haus in Berlin
Ausgabe Nr. 2757
Ein großartiger Erzähler ist Jan Koneffke, der Vielreisende. Rom, Bukarest und Wien, ein siebenbürgischer Flecken sind seine Fluchtpunkte. Gerade kommt er mit dem Zug aus Rom angereist und landet pünktlich am 22. Januar d. J. im Literaturforum im Brecht-Haus in Berlin zu der Lesung aus seiner Romantrilogie – ,,Eine nie vergessene Geschichte“ (DuMont Verlag 2008), ,,Die sieben Leben des Felix Kannmacher (DuMont Verlag 2011), ,,Ein Sonntagskind“ (Galiani Verlag 2015) – im Rahmen der vom Deutschen Kulturforum östliches Europa veranstalteten Lesereihe ,,Unerhörte Familiengeschichten aus dem östlichen Europa“. An ideenreichen Geschichten und Geschehnissen lässt er uns teilhaben.
Der Schriftsteller und die Moderatorin, Dr. Ingeborg Szöllösi vom Deutschen Kulturforum östliches Europa, galoppieren mit uns Zuhörern durch die Trilogie, die drei Bände, durch die Familiengeschichte der Kannmachers aus Rügenwalde. Keine Verwechslung mit der berühmten Teewurst soll es geben, so wird der Flecken romanmäßig im Pommerschen zu Freiwalde.
Ins pommersche Heimatland begleitet Jan den Vater 1992, der mit 17 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg im Westen Deutschlands ankommt, wie viele Millionen andere Menschen. Vom Vater hört er wenig über die Vergangenheit, die Mutter erzählt mehr. Eigentlich sind alle Kannmachers Geschichtenerzähler, ist zu hören. Er, der Schriftsteller, hat lange keinen Bezug zu der einstigen Landschaft östlich der Oder, begibt sich endlich auf die Suche nach der Vergangenheit der Familie und Pommerns wechselvoller Geschichte. Siebenbürgen, das Banat und Königsberg fallen im Gespräch, doch Pommerns Historie ist die verheerendste. Jan, der Sohn, wird 1960 in Darmstadt geboren, wächst in einer gesichtslosen Wohngegend auf, umgeben von Flüchtlingsfamilien aus dem Osten, alle sind heimatlos. Für ihn, den Schriftsteller, ist es ein entwurzelter Raum.
Aus dem Polnischen kommt der Name Koneffka, wird in Koneffke verdeutscht und wird prosaisch zu Kannmacher. In Koneffkes Literatur wird eine Doppelhochzeit von dem Großvater und dessen Bruder geplant, doch Felix der Bruder macht sich aus dem Staube. Die Hochzeit ist geplatzt und Felix verschwindet in die Walachei auf Nimmerwiedersehen. Wir erfahren von einem Verkehrsunfall im Goggomobil auf dem Weg zur Beerdigung, die Insassen sind tot, nur der Kranz überlebt, Blitz und Donner folgen.
Die Moderatorin Dr. Ingeborg Szöllösi ist in ihrem Temperament angekommen, hat alle drei Bände intensiv gelesen, kennt die Familienverhältnisse in den Büchern aus dem Effeff, springt ein, wenn der Autor Hilfe braucht. Die beiden parlieren wie zwei Verwandte, werfen sich Namen, Verwandtschaftsverhältnisse, Ereignisse und Erlebtes wie Bälle zu.
„Die sieben Leben des Felix Kannmacher“ ist frei erfunden, eine großartige literarische Fiktion von fünfhundert Seiten. Eine andere Welt, eine utopische. In den fiktiven Geschichten wird die Welt immer besser und für Ingeborg Szöllösi wirkt die gesamte Geschichte wie eine Droge. Der Autor versuchte fiktiv, dem verschollenen Großonkel in die Walachei, nach Rumänien zu folgen. In die vergangene Geschichte, in die Goldene Zeit des Landes, Rumäniens, begibt er sich.
,,Ein Sonntagskind“, der dritte Band, ist eine Rekonstruktion von allem, was bei den Kannmachers im Laufe der verstrichenen Zeit passierte, eher eine Fortsetzung des ersten Romans „Eine nie vergessene Geschichte“. Ein Brief des Vaters von 1945 taucht auf. Jan Koneffke erfährt in eindringlichen Passagen über das Ende des Zweiten Weltkrieges, liest eine sehr traurige Soldatengeschichte, über die der Vater nie gesprochen hat.
Fabuliert und philosophiert wird von den beiden auf dem Podium in großer Heftigkeit und hoher Intensität. Der Schulmeister, der Professor, der Vorfahr, der Kantianer wird in die Mangel genommen, kritisch abgerechnet wird mit der Philosophie.
So könnte es weitergehen am Abend, interessant und spannend sind die Geschichten und Erzählungen allemal, auch wenn die Bücher nicht brandneu sind, sollten sie dringend gelesen werden.
Gleich geht’s zum Bahnhof und ab nach Wien, ins Haus, in dem Joseph Roth, der galizische Schriftsteller 1914 als Übermieter recht und schlecht gelebt hat. Einen Wienroman will der Schriftsteller Koneffke dort zusammenzaubern.
Christel WOLLMANN-FIEDLER
Anmerkung der Redaktion: Der Schriftsteller Jan Koneffke führt in der deutschen Sendung AKZENTE im Rumänischen Fernsehen TVR 1 ab und zu in der Reihe ,,Mein Bukarest“ die Zuschauerinnen und Zuschauer auf launige und geheimnisvolle Weise durch Rumäniens Hauptstadt.