Zu Besuch im Urzelgasthof „Hanul Lolelor“ in Agnetheln
Ausgabe Nr. 2741
Wenn man in Agnetheln von der Hauptstraße in die Str. Horia einbiegt, muss man nicht weit gehen, um zu dem weißen Haus zu gelangen, wo über der Toreinfahrt mit großen Buchstaben „Hanul Lolelor“ (Gasthof der Urzeln) geschrieben steht. Das große braune Tor wird von einer Urzelmaske geschmückt, darunter sind die Öffnungszeiten angebracht. Auf dem Firmenschild ist dieselbe Aufschrift zu lesen, wobei die Urzelmaske zwischen den beiden Wörtern scheinbar als Logo dient. Radu Curcean, der Vorsitzende der Urzelzunft „Breasla Lolelor“ aus Agnetheln, und seine Frau Elena haben nämlich im März damit angefangen, hier ein Gasthaus einzurichten.
Bei unserem Besuch Anfang September, setzten wir uns im Hof auf die geräumige Terrasse, wo die Gäste den warmen Herbstnachmittag bei einem erfrischenden Getränk genossen.
Drinnen, hinter der Bartheke, ist eine große Uhr an der Wand abgebildet, deren Ziffern rund um eine Abbildung der Agnethler Kirchenburg verteilt sind. In den Innenräumen saßen zu dieser Zeit keine Gäste, die Kellnerinnen waren aber dabei, die Tische für eine Veranstaltung vorzubereiten.
Der Überzug der Stuhllehnen erinnert an Urzelkostümteile. Sogar der typische Zopf fehlt nicht. Je eine Maske, eine Peitsche oder eine Kuhglocke schmücken die Wände. Auf einem Foto sind die beiden Initiatoren im Urzelkostüm mit einem kleinen Mädchen auf den Armen zu sehen. „In der Pandemie haben wir uns gedacht, dass wir etwas eröffnen müssen und nicht etwas schließen“, meinte spaßhaft Radu Curcean. Im selben Haus hat übrigens früher Bogdan Pătru gewohnt, der die Wiederaufnahme des Urzellaufs in Agnetheln über das Projekt mit seinen Schülern 2006 initiiert hat. Die Eltern von Pătru sind gegenwärtig weiterhin die Inhaber des Hauses. Hier habe die Aufnahme des siebenbürgisch-sächsischen Brauches angefangen, so müsse man an dieser Stelle auch weitermachen, sind Elena und Radu Curcean der Meinung.
Die Geschichte zur Wiederaufnahme des Brauches wurde übrigens auch in die Speisekarten übernommen. Und was wäre schon ein Urzelgasthof ohne Urzelkrapfen oder Krautwickel? Zu den angebotenen Spezialitäten gehört aber auch die siebenbürgisch-sächsische Krensuppe.
„Als Vorsitzender des Vereins habe ich daran gedacht, eine Verbindung zwischen dem alltäglichen Leben in der Stadt und der Urzelzunft (Breasla Lolelor) zu schaffen“, sagte Curcean. „Die Urzeln existieren zwar im Bewusstsein der Bewohner und vor allem im Bewusstsein derjenigen, die am Urzellauf teilnehmen und Mitglieder des Vereins sind, doch im Laufe eines Jahres befassen sich die Leute im Durchschnitt höchstens zehn Tage damit“. In der Woche davor, oder einige Tage davor fängt die Aufregung mit der Vorbereitung zum Urzellauf an, wobei es um die Beschaffung der Masken oder Peitschen oder um das Backen von Krapfen oder das Zubereiten von Krautwickel geht. „Während diesen Tagen kommen alle nach Hause. Es ist ein außerordentliches Vergnügen, Urzel und Teil eines derartigen Vereins zu sein, danach erlischt aber das Ganze“, sagte Curcean. In den Jahren vor der Pandemie habe der Verein zwar auch im Laufe des Jahres an verschiedenen Veranstaltungen teilgenommen, so z. B. an einer Veranstaltung in Griechenland, es sei aber schwierig, dies lebendig zu halten.
Ein Ziel ist nun, ein siebenbürgisch-sächsisches Tor fertigen lassen, das voraussichtlich im Hof aufgestellt werden soll und hinter dem Präsentationsgegenstände, Broschüren usw, des Vereins „Breasla Lolelor“ und der um den Verein herum entstandenen kleinen Handwerkern ausgestellt werden, die dann beim Öffnen des Tores für die Gäste sichtbar sind. Schließlich gab es bereits Gäste, die nicht wussten, was eine „Lolă“ ist. „Wir wollen es dazu bringen, dass wir damit zufrieden sind, was daraus geworden ist und dass wir die Idee der Urzeln permanent im Bewusstsein der Menschen erhalten“, schlussfolgerte Curcean.
Nach der Implementierung des touristischen Konzepts sollen die Urzeln übrgens auch in der neu sanierten Kirchenburg zum Einsatz kommen. Eine virtuelle Urzel soll dabei durch die Türme führen und die Vergangenheit mit der Gegenwart verbinden.
Elena und Radu Curcean betreiben weiterhin in Schönberg eine Pension, die vor mehreren Jahren mit Hilfe Europäischer Fonds gebaut wurde. Da diese äußerlich so geplant wurde, dass sie eher zu einer Gebirgslandschaft passt, haben sie sich vorgenommen, die Architektur verändern zu lassen. „In dem Projekt, das wir jetzt beantragt haben, geht es um die Veränderung der Architektur. Uns hätte es gefallen, dass es eine typisch siebenbürgisch-sächsische Konstruktion wird, weil diese zur Gegend besser passt“, sagte Elena Curcean.
Radu Curcean ist von Beruf Forstingenieur. Im Laufe der Zeit war er u. a. deutscher Grundschullehrer und in Deutschland war er als Übersetzer unterwegs. Mehrmals tätig war er auch bei der Forstverwaltung. Zwischen 2004 und 2012 war er Bürgermeister von Agnetheln. In dieser Zeit wurde auch der Verein „Breasla Lolelor“ gegründet, und auch andere Vereine. „Ich habe versucht die Leute zu ermutigen Kerne der Entwicklung zu bilden, weil die Menschen vor Ort die Gemeinschaft weiterbringen und nicht die neue Asphaltschicht“, meint Curcean.
Seine Gattin Elena hat früher als Logopädin in der Schule gearbeitet. Gegenwärtig ist sie als Managerin im Verein „Asociația GAL Microregiunea Hârtibaciu“ tätig und ist außerdem auch die Inhaberin der Gesellschaft, die den ,,Urzelhof“ in Agnethlen betreibt.
Werner FINK