Weihnachtsbotschaft von Vikarin Angelika BEER
Ausgabe Nr. 2654
„O du, die Wonne, verkündet in Zion“ klingt es mir noch im Ohr, vom Weihnachtskonzert des Hermannstädter Bachchores letzten Sonntag in der reformierten Kirche. Ein Chorstück aus dem Oratorium „Messias“ von Georg Friedrich Händel. „O du, die Wonne“ – wer oder was aber ist damit gemeint? Wird eine Wonne verkündet oder verkündet eine Wonne etwas? In seinem Oratorium hat Händel Textabschnitte aus der Bibel vertont, die Charles Jennens zusammengestellt hat. Vor allem mit Texten aus dem Alten Testament, der Hebräischen Bibel, wird im ersten Teil des Oratoriums die Ankunft des Messias, des Gesalbten, beschrieben. So blättere ich in den Büchern der Propheten, und finde in Jesaja 40, 9: „Zion, du Freudenbotin, steig auf einen hohen Berg; Jerusalem, du Freudenbotin, erhebe deine Stimme mit Macht; erhebe sie und fürchte dich nicht! Sage den Städten Judas: Siehe, da ist euer Gott.“ Zion, die heilige Stadt Jerusalem also ist die Wonne, die verkünden soll. Verkünden, dass Gott da ist, dass Gott tröstet und die Seinen nicht alleine lässt. „O du, die Wonne“, das klingt nach Freude, nach Zuneigung und nach etwas, das das Herz weit macht, das eine große Wirkung hat.
Mit den Worten und Melodien aus dem „Messias“ gehe ich über den Großen Ring, über den zauberhaften Weihnachtsmarkt, finde hier und da kleine, feine Geschenke und freue mich daran. Und sehe vor dem Brukenthal-Museum Fotos vom Dezember ’89. Blutrote Plakatwände, darauf Fotos und Text in Schwarz und Weiß. 30 Jahre ist das her und die Erinnerung daran, der Schrecken dieser Tage sitzen noch in unseren Seelen. Sieben Jahrealt war ich, als die Hubschrauber mit Scheinwerfern Tag und Nacht über der Stadt kreisten, als es Ausgangssperre gab, Angst, Soldaten, Waffen, Verwundete, Tote. Das weite Herz vom Weihnachtsmarkt wird still. Stumm stehe ich da, lese, dass Fotos, Aufzeichnungen, Utensilien von damals gesucht werden. Das Museum plant eine Ausstellung und will sich dem annähern, wie es damals war, in den Tagen vor und nach Weihnachten 1989. Zeigen, um zu sehen und zu verstehen.
„Verkündet den Städten Juda, seht euren Gott.“ singt der Chor im „Messias“ weiter. Seht euren Gott! Die jüdische Tradition hütet sich davor, zu sagen, hier oder dort sei Gott. Denn Gott, der Heilige, der ganz Andere lässt sich nicht in Worte oder gar in Bilder fassen. Beim Lesen der Heiligen Schriften im jüdischen Gottesdienst wird der Name Gottes nicht ausgesprochen, nicht das, was da steht, wird gelesen, „Adonai“ ist zu hören statt „JHWH“. In der christlichen Tradition sehen wir in Jesus den Christus, den Messias, der sagt „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25, 40) Gott im Anderen sehen, das kennt auch die rabbinische Tradition und diese Ehrfurcht kann die Konfessionen und Religionen verbinden. Alina Pătru, eine Religionswissenschaftlerin und Theologin an der orthodoxen Fakultät hier in Hermannstadt hat gerade eine Festschrift zum 70. Geburtstag von Dorin Oancea herausgegeben mit dem Titel „Meeting God in the Other.“, „Gott begegnen im Anderen, in der Anderen“. „Seht euren Gott“ – als wehrloses, nacktes Kind in der Krippe und seht euren Gott im Gesicht derer, die euch begegnen. So kommt Gott nicht gewaltig von oben, er kommt auf leisen Sohlen, der Friedefürst will mit uns wohnen.
In den Texten der Weihnachtspredigten wird in diesem Jahr viel vom Wohnen die Rede sein: „Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der Herr.“, so beginnt der Text für Heilig Abend (Sacharja 2, 14) und der Spruch für die Weihnachtstage lautet „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.“ (Johannes 1, 14). Gott zeltet auf der Erde, in unserem Alltag, schlägt sein Zelt auf in unserem Hof, in unserem Haus, in unserem Zimmer. Und Gott will auch im Dunkeln wohnen. So hat es Jochen Klepper im Dezember vor 82 Jahren gedichtet. Es ist die letzte Strophe seines Liedes „Die Nacht ist vorgedrungen“ (EG 14): „Gott will im Dunkel wohnen/und hat es doch erhellt.“ 1937 geschrieben, als danach noch manche Nacht gefallen ist: „Noch manche Nacht wir fallen/auf Menschenleid und -schuld./Doch wandert nun mit allen/der Stern der Gotteshuld./ Beglänzt von seinem Lichte/hält euch kein Dunkel mehr;/von Gottes Angesichte/kam euch die Rettung her.“ (4. Strophe) Der Stern der Gotteshuld, die auch im Dunkel wohnen will. Gotteshuld in unserem Hof, in unserem Haus, in unserem Zimmer.
„Die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir.“ Nicht mit Machtgehabe, nicht mit einem großen Scheinwerferlicht. Sondern leicht, still und fein. Das Herz wird weit. „Die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir“ haben wir im Chor gesungen, mit hellen Klängen, mit Koloraturen der Freude, offen, licht und leicht. Auch das war eine Zitat aus dem Buch des Propheten Jesaja: Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir! (Jesaja 60, 1)
Angelika BEER