Er dirigierte ,,mit links“

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Würdigung für Henry Selbing (1912-2000)

Ausgabe Nr. 2643

Die Künstlerin Ileana Selbing (Bildmitte) war bei der Namensgebung-Feierlichkeit dabei und überreichte im Beisein von Christine Manta-Klemens, der stellvertretenden Vorsitzenden des Hermannstädter Kreisrats (rechts) und Cristian Lupeș, dem Direktor der Hermannstädter Staatsphilharmonie der Einrichtung im Thalia-Saal eines ihrer Gemälde, das dem Wunderkind Carl Filtsch und seinen Klavierlehrern – Frederic Chopin und Franz Liszt – gewidmet ist.                                                      Foto: Laurențiu STRĂUȚ

,,Und ich sehe mich später als Schüler bei den wöchentlichen Sinfoniekonzerten mit Henry Selbing (1912-2000), dem einarmigen Dirigenten am Pult der Hermannstädter Staatsphilharmonie, die 1949 aus den Trümmern des ehemaligen Musikvereins wie auch der Stadtkapelle hervorgegangen war. Den Arm soll der Dirigent bei einem Straßenbahnunfall in Wien verloren haben, wo der junge Ernö Schlesinger (alias Henry Selbing), Hermannstädter Spross einer jüdischen Familie, zum Studium weilte und als Synagogen-Sänger wirkte. Ich lasse mich in den Bann der Orchestermusik reißen und leide gleichzeitig mit dem einarmigen ‚Schwerarbeiter‘, der all das auf bemerkenswerte Weise mit einer Hand, der linken, zu bewerkstelligen hat und ich kann noch nicht ahnen, dass ich ihm wenig später als sein Famulus einen Gutteil seiner Arbeit abnehmen werde“. Dies schrieb der Musiker Heinz Acker u. a. in seinen Erinnerungen an die Hermannstädter Philharmonie zum 70. bzw. 180. Geburtstag, die unter dem Titel ,,Zwischen Presto und Andantino“ in der Hermannstädter ZeitungNr. 2630 vom 28. Juni 2019 veröffentlicht worden sind.

 

Acker wird sich wohl auch mit allen freuen, die erfahren haben oder werden, dass seit Freitag, dem 27. September 2019, der Kleine Saal der Hermannstädter Staatsphilharmonie im Thalia-Saal den Namen des ersten Dirigenten dieser Einrichtung trägt.

Die Initiative hatte der Journalist und Künstler Adrian Popescu, der nun schon zum vierten Mal mit seinem LobbyArt-Verein die internationale Konferenz ,,Anthropologie der Kommunikation“ veranstaltet hatte. Popescu hatte auch die Gedenkplatte gestaltet, die nun am Eingang zum Kleinen Saal angebracht worden ist.

Die anwesende Witwe des Dirigenten, die Künstlerin und Kunstpädagogin Ileana Selbing, dankte für die Würdigung ihres Mannes und überreichte als Spende ihr Gemälde ,,Carl Filtsch und seine Lehrer“ an den Leiter der Hermannstädter Staatsphilharmonie, den Dirigenten Cristian Lupeș. Lupeș würdigte seinen Vorgänger und stellte fest: ,,Mag sein, dass in der Hermannstädter Gemeinschaft Selbings Namen nicht so oft erwähnt wird, an unserer Philharmonie wird er fast täglich erwähnt. Oft erinnern wir uns wie Konzerte mit Selbing abliefen und was dabei passiert war“.

Im Namen des Kreisrats dankte die stellvertretende Vorsitzende, Christine Manta-Klemens, den Initiatoren und allen an diesem Projekt Beteiligten. Sie freue sich, dass die Initatoren sich an den Kreisrat gewendet haben und auch, dass dieses Gremium das Projekt finanziell unterstützen durfte.

Zum Abschluss der Zeremonie erinnerte seine Witwe, was den Menschen Henry Selbing ausgemacht hat: ,,Er war eine lichtvolle Gestalt. Er hat nicht gewusst, was Klatsch und Tratsch bedeutet. Er war sehr diszipliniert und er las enorm viel. Er las eigentlich ständig etwas. Die Tatsache, dass er eine Hand verloren hatte, machte ihn nicht rachsüchtig oder neidisch, im Gegenteil, er war sehr stolz darauf, dass er mit einem Arm so viele Dinge schaffte. Er war bescheiden und ehrlich. Ich habe keinen anderen Menschen mit so vielen Vorzügen kennen gelernt. Henry Selbing muss in der Musikgeschichte bleiben“.

Beatrice UNGAR

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Musik.