Zum neunten Mal wieder Kronenfest in Frauendorf gefeiert
Ausgabe Nr. 2631
„Der Johannes-Tag bedeutet auch für uns, dass der Herr gnädig ist, dass der Herr Gnade gegeben hat! Wo uns das bewusst wird, da geht es wieder aufwärts, da geht es weiter, immer wieder und zu jeder Zeit!“ Mit diesen Worten schloss die Ortspfarrerin Hildegard Servatius-Depner ihre Predigt beim 9. Kronenfest in Frauendorf/Axente Sever. Am Tag vor dem Johannes-Tag (24. Juni), wurde in der schönen altehrwürdigen Kirchenburg in Frauendorf das Kronenfest als eine alt-neue Tradition gefeiert. Erst 2011 wurde es wieder ins Leben gerufen. Gerne erinnern wir uns an die damalige gemeinsame Initiative von Gemeindekuratorin Ilse Constantin (heute einziges evangelisches Mitglied in Frauendorf!), von mehreren beherzten Dorfbewohnern, unter anderem Familie Gabor und Familie Vasilescu sowie Frau Stefan, aber auch zu der Zeit in Frauendorf tätige Wandergesellen aus Deutschland, die den schönen Stamm gedrechselt haben. Nun ist das Kronenfest in Frauendorf ein fester Termin im Veranstaltungskalender der Gemeinde und auch der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien, was uns alle natürlich mit Stolz erfüllt.
Heuer waren viele, auch neue Gastgeber, emsig dabei, das Fest gut zu organisieren: Laci Ciocan von „Turist in Transilvania“ ist der ganz neue Verwalter der Frauendorfer Kirchenburg, samt Museum und Gästezimmern. Mit seinem Team hat er unter anderem für das leibliche Wohl gesorgt, es wurden Mici und Würste gegrillt und reichlich Getränke angeboten. So wie jedes Jahr versammelten sich am Vortag um Kuratorin Ilse Constantin mehrere alte wie neue Helfer aus Frauendorf, Arbegen und Mediasch um die Blumenkrone zu binden. Es sind rührende Augenblicke, zu bewundern, wie viele Menschenhände fleißig dabei sind, für das gemeinsame und so beliebte Fest viele Details zu organisieren: die Blumenkrone binden, den Stamm aufstellen, die Musik fürs Ambiente und für den Marsch vorbereiten, zusätzliche Gesangbücher aus Mediasch in die Kirche bringen, den Altar schmücken, Tische (und auch Stromkabel) für die Workshops vorbereiten, zweistimmige Liederhefte für das offene Singen falten, den Grill vorbereiten u.v.a.m.
Das Kronenfest beruht auf einer sehr alten Tradition. Es war und ist ein Fest, das uns Menschen die Schönheit der Natur und unseren wunderbaren Schöpfer bewusst machen will. Durch das Fest danken wir dem Herrn als Schöpfer aller Dinge und dass er im Kreislauf des Jahres uns den Sommer und dessen Gaben schenkt. Früher bestand diese Tradition in den siebenbürgisch-sächsischen Gemeinden aus einem ausführlichen Programm: einen Tag vor dem Fest brachten die Burschen einen geraden Baumstamm aus dem Wald, oft sogar mehr als 10 Meter hoch! Sie schälten die Rinde ab, damit der Stamm möglichst glatt wurde. Die Mädchen sammelten Wintergrün und Blumen in allen Farben und in großen Mengen, so dass es möglichst das größte Blumengebinde im Umland werden konnte. Am frühen Morgen begannen die Mädchen die Blumen in Form von Sträußen an das Gerüst zu binden, während die Burschen eine tiefe Grube aushoben, in die dann der Kronenbaum mit der schweren Krone an der Spitze aufgepflanzt wurde. Nach dem Gottesdienst versammelte sich die gesamte Gemeinde unter dem Kronenbaum. Es wurde mit großer Spannung vor allem das Erklettern des Stammes erwartet. Einer der Burschen hatte bis zur Krone zu steigen, wo es – je nachdem – einen Geschenkkorb zu ergattern gab, der vorher hochgezogen wurde. Wem es gelang, die Krone zu erreichen, dem gehörte der Korb mit den Geschenken. Er musste aber von dort oben noch eine wohlgesetzte Rede („Predigt“) halten. Im Korb warteten Leckereien für den Sieger und Süßigkeiten, die er den Kindern hinunterwarf. Mancherorts war es üblich, dass ein Mädchen dem Sieger einen Blumenkranz um den Hals legte. Die Musik begann zu spielen, und sie forderte den Burschen zum Tanz auf. Die Jugend ringsum klatschte und Anschließend war gemeinsamer Tanz unter der Krone. Das Fest dauerte bis in die Nacht hinein…
Heute feiern wir in Frauendorf das alte Fest in neuer Form. Immer noch wird eine wunderschöne Blumenkrone gebunden – sie soll die Schönheit und die Verschiedenheit der Menschen, die sich unter der Krone versammeln, unterstreichen. Zum Gottesdienst erschienen viele Teilnehmer aus umliegenden Gemeinden des Kirchenbezirks Mediasch. Pfarrerin Hildegard Servatius-Depner begrüßte in zwei Sprachen und hielt die Predigt, als Liturg und Lektor wirkte Dechantstellvertreter Pfarrer Ulf Ziegler und eine kleine Singgruppe aus Mediasch brachte kleine aber feine Lieder zu Gehör. Nach dem Gottesdienst, in dem Edith Toth die gut funktionierende Orgel gespielt hat, hielt Pfarrer Gerhard Servatius-Depner draußen eine zweisprachige Festrede. Danach stieg der in den vorigen Jahren schon eingeübte Jonathan Servatius-Depner auf die Krone, band sich die oben angehängte Flasche um den Hals und ließ reichlich Bonbons auf die versammelten Kinder unter der Krone regnen. Es folgten Frühlingslieder und ein Tanz einer Kindergruppe der Mediascher „Hermann Oberth“ – Schule unter der Leitung von Lehrerin Monica Lup. Für alle leitete dann Pfarrerin Hildegard Servatius-Depner gemeinsam mit ihrem Ehemann – beide in Tracht gekleidet – den Festmarsch um die Krone herum. Erfreulich, wie viele da spontan mitgemacht haben!
Nach dem Mittagessen folgten bis zum Abschluss zwei gut besuchte Workshops für Malerei (Leitung Jeni Roşian, Mediasch) und für Holzarbeit (Mario Lup, Mediasch). Eine Überraschung und etwas ganz Neues war in diesem Jahr der sehr gelungene Auftritt des Alternativpop-Duos „Ela Sol“ aus Mediasch, mit Daniela Depner und Solomon Brezoi, die zum einen moderne Songs aber auch einen mitschwingenden Schlager sangen, so dass viele klatschen oder sogar mitsingen konnten. Großen Anklang fand schließlich auch die Gaumen erfreuende Weindegustation von Tavi Isăilă, der die altbekannten Mediascher Weinmarken „Caspari“ und „Ambrosi“ fachkundig vorgestellt hat und viele Prüfer gewann. Auch eine Tradition, die neu ins Leben gerufen wurde!
Wenn wir heute beim Kronenfest in Frauendorf um uns blicken, erkennen wir, dass wir alle einen sehr bunt gemischten Strauß bieten: es kommen Menschen aus verschiedenen Orten, verschiedenen Kulturen und Sprachen zusammen. Wir können nicht anders, als dafür so sehr dankbar zu sein, dass diese wieder ins Leben gerufene Tradition in Frauendorf auf wunderbarer Weise Alt und Neu miteinander verbindet.
Pfr. Gerhard SERVATIUS-DEPNER