„Wartemit Janiauf einlebenszeichen voneuch.“

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Ausstellung zum Gedenken an die Deportation in der Sakristei

Ausgabe Nr. 2621

Der Luxemburger Fotograf Marc Schroeder in seiner Ausstellung.
Foto: Jan-Christian BREWER

In seiner Ausstellung „Deportation der Rumäniendeutschen. Immer war diese Hoffnung. Ehemalige Russlanddeportierte erinnern sich“ setzt sich der Luxemburger Fotograf Marc Schroeder mit der im Januar 1945 erfolgten Deportation der deutschen Minderheit aus Rumänien in die damalige Sowjetunion auseinander – und spiegelt damit auch die Gefühle der Überlebenden wider.

Zwischen siebzig und achtzigtausend Rumäniendeutsche waren es, die als „Reparation“ für die Kriegsverluste nach 1945 in die Sowjetunion verschleppt wurden. Sie waren Zivilisten, führten normale Leben, hatten Familien und Freunde. Einige Männer und Frauen überlebten die entbehrungsreiche Zeit, schafften es, zurückzukehren.

Der Fotograf Marc Schroeder, der eher zufällig auf das Thema gestoßen ist, wurde sofort davon in seinen Bann gezogen. Nach und nach suchte er die Überlebenden auf, unterhielt sich mit ihnen, hörte ihre Geschichten, und versuchte, Momentaufnahmen auf Bild zu bannen. Seine Bemühungen sollten zwei Jahre in Anspruch nehmen, und am vergangenen Freitag trugen sie mit der Ausstellungseröffnung „Clinging to Hope – Memories of the Deportation“ auch Früchte.

Drei sehr unterschiedliche Arten von Fotos fallen auf, wenn man den Ausstellungsraum betritt.

In die erste Kategorie fallen Farbbilder, die die Menschen, mal einzeln, mal zu zweit, in ihrem Lebensraum zeigen. Der Fotograf hat mit einem Weitwinkelobjektiv gearbeitet, lässt der Umgebung und den Details in der Wohnung viel Raum. Die Aufnahmen beschreiben den Charakter der jeweiligen Menschen und zeigen, wie sie heute leben.

Außerdem wurden Schwarzweißportraits gemacht; es sind emotionale Szenen, die andeuten, wie sehr das Thema die damals Verschleppten noch heute beschäftigt. Sie sind nah an ihnen dran und entstanden, als Schroeder die Menschen nach den Erinnerungen an diese Zeit gefragt hat. Die Gesichtsausdrücke sind ergreifend und mitreißend; hinter jedem steht eine besondere Geschichte.

Zur dritten Kategorie gehören atmosphärische Bilder, die er auf dem Weg zu oder von den Menschen aus dem Zug aufgenommen hat. Sie sehen verschwommen aus und erwecken den Eindruck, die Landschaften der alten Heimat würden davonfliegen oder verblassen. Irgendwie schaffen die Aufnahmen es, anzudeuten, wie es damals für die Deportierten gewirkt haben muss, plötzlich verschleppt zu werden und alles hinter sich lassen zu müssen. Der Fotograf versucht jedoch keineswegs, sich anzumaßen, in die Rolle der Betroffenen zu schlüpfen. Vielmehr spiegeln sie auch seine eigene Reise zu den Menschen, Geschichten und Gefühlen wider.

Die im Text erwähnte Postkarte vom 10. Dezember 1947
Foto: Jan-Christian BREWER

Ergänzend dazu werden Abbildungen von historischen Dokumenten gezeigt. Der Begriff klingt sehr klinisch, jedoch sind es Schriftstücke und Fotos aus jener Zeit, die nur zu gut zeigen, welche Entbehrungen man damals über sich ergehen lassen musste. Ein Beispiel ist die Postkarte, die einer der Deportierten  aus einem der Lager nach Hause geschickt hat. Es sind 25 Wörter auf ihr zu sehen; mehr durften die Gefangenen nicht schreiben. Man erkennt jedoch, dass hier immer mehrere Worte in eines gefasst wurden, wie etwa Wartemit Janiauf einlebenszeichen voneuch. Sindgesund.“. Die russischen Wärter, die kein Deutsch lesen konnten, zählten nur durch und kamen so auf die vorgeschriebene Anzahl.

Schroeder ging natürlich nicht einfach hin und fragte direkt nach den Erlebnissen der Betroffenen, sondern verbrachte oft mehrere Tage mit ihnen. Es ist nicht nur Trauer, die er dokumentiert hat, es sind auch positive Facetten, denn Menschen sind weit mehr als das, was ihnen angetan wurde. Die Bilder porträtieren Überlebende, die es geschafft haben, weiterzumachen.

Die Fotoreihe soll u. a. die Erinnerungskultur an die Ereignisse von damals fördern und ist die erste umfangreiche ihrer Art.

Die Ausstellung ist noch bis zum 7. Juni d. J. in der Sakristei der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt zu besichtigen.

Jan-Christian BREWER

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Geschichte, Kunst.