Kleists „Der zerbrochene Krug“ heute
Ausgabe Nr. 2606

Szenenfoto mit (v. l.n. r.) Emöke Boldizsar (Liese), Marius Turdeanu (Dorfrichter Adam), Cristina Juks (die „schöne Frau“), Daniel Plier (EU-Experte), Viorel Rață (Gerichtsdiener).
Foto: Dragoș DUMITRU
Alle Klischees über den Zustand der Justiz in Rumänien bedient die gehörig aktualisierte Fassung von Heinrich von Kleists Lustspiel „Der zerbrochene Krug“, die nach einem Konzept und Drehbuch von Armin Petras, Schauspielintendant des Staatstheaters Stuttgart, in der Regie seines jüngeren Kollegen Dominic Friedel (Jahrgang 1980) als Kooperation zwischen rumänischer und deutscher Abteilung auf der Bühne des Radu Stanca-Nationaltheaters am 13. Dezember Premiere hatte.
Auf der Drehbühne erkennen die Zuschauer zu Beginn im schummrigen Licht alle möglichen Gestalten, die sich vor dem Schneesturm in den Gerichtssaal eines Dorfes geflüchtet haben und nach und nach beginnen, sich zu regen, sich anzuziehen, bewacht von den Flaggen Rumäniens und der EU. Zuletzt regt sich Richter Adam (fantastisch gespielt von Marius Turdeanu), der auf einem Tisch zusammengerollt gelegen hatte. Man erkennt, er ist verletzt und verwirrt. Kaum ist er erwacht, trifft eine perfekt gekleidete Dame ein, die den Besuch eines EU-Experten für Justiz ankündet, der vorher in einen Verkehrsunfall verwickelt worden war und deshalb verspäten werde. Diese Gestalt ist in Kleists Stück nicht zu finden, Petras nennt sie „die schöne Frau“. Diese entpuppt sich als eine aus Rumänien Ausgewanderte, die die Nase von Rumänien voll hat. Bis rumänische Volkstänze und Volksmusik erklingen und reichlich Zuika angeboten wird. Typischerweise fällt dem Dorfrichter nichts besseres ein, als den Gerichtsdiener zu beauftragen, das Folkloreensemble „Cindrelul Junii Sibiului“ herbeizuzaubern sowie Schnaps und gutes Essen, um den hohen Gast entsprechend empfangen zu können.

Fünf der insgesamt zwölf Tänzerinnen und Tänzer des beliebten Folkloreensembles „Cindrelul Junii Sibiului“, die in der Choreographie von Silvia Macrea das Publikum begeisterten und Szenenapplaus ernteten.
Foto: Dragoș DUMITRU
Tatsächlich treten einige Tänzerinnen und Tänzer des Ensembles auf die Bühne, in Begleitung von vier Instrumentalisten und sogleich ist beste Stimmung angesagt. Die Drehbühne dreht sich und der Gerichtssaal sieht schon etwas aufgeräumter aus, als der hohe Gast (Daniel Plier), mit Halskrause ausgestattet, eintrifft.
Dann treffen nach und nach die Parteien der anstehenden Gerichtsverhandlung ein, das sehenswerte Chaos ist perfekt, denn jeder will gleich seine Meinung vertreten. Gekonnt umschifft der Richter, der das Vergehen selbst begangen hat – er hat die junge Eva zum Beischlaf gezwungen, indem er ihr versprach, dann ihren Verlobten nicht in den Krieg zu schicken – alle Einwände des EU-Experten, alle Regeln einer Gerichtverhandlungen werden gebrochen. Auf das Ende darf man gespannt sein. Die nächste Aufführung findet am 18. Januar 2019 statt.
Die Zuschauer, die nur eine der auf der Bühne gesprochenen Sprachen – Rumänisch und Deutsch wechseln sich manchmal atemberaubend schnell ab – hatten vielleicht Mühe, dem Geschehen zu folgen, aber alle zollten minutenlangen Stehapplaus.
Auch das Bühnenbild ist eine deutsch-rumänische Zusammenarbeit. Karoline Bierner und Alin Gavrilă haben sich selbst übertroffen.
Beatrice UNGAR