„…in einem Moment, in dem das Land gespalten ist“

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DFDR und FCER organisierten Kennenlernaktion für Jugendliche
Ausgabe Nr. 2583

 

Blick auf den jüdischen Friedhof im Lazarett-Viertel, der ein neues Tor hat.
Foto: Werner FINK

19 Jugendliche hatten die Möglichkeit, die jüdische Gemeinschaft in Hermannstadt kennenzulernen und zugleich vergessene Orte in der Stadt, genauer den alten jüdischen Friedhof im Lazarett-Viertel, wieder zu entdecken und etwas für dessen Instandhaltung zu tun, im Rahmen eines Workshops, den vergangene Woche das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR)  in Zusammenarbeit mit dem Verband der jüdischen Gemeinden in Rumänien (FCER) veranstaltete. Zum Abschluss des Workshops gab es am dritten Tag eine Pressekonferenz im Beisein des DFDR-Abgeordneten Ovidiu Ganţ, des DFDR-Landesvorsitzenden Paul-Jürgen Porr und des Vorsitzenden der Hermannstädter jüdischen Gemeinde, Otto Deutsch. Die Initiative hatte Benjamin Józsa, Geschäftsführer des Landesforums.

 

Insgesamt 45 große vollgestopfte Müllsäcke voll Unkraut und ein großer Haufen Äste und wildgewachsener Bäumchen waren das Ergebnis der zwei Arbeitstage. Und nicht nur das, denn der Schwerpunkt wurde auf das Kennenlernen gelegt. Am Vormittag des ersten Tages gab es als Einleitung für die Teilnehmer  verschiedene Vorträge zur Geschichte und Gegenwart der jüdischen Gemeinschaft, darunter auch  einen von Aurel Vainer, dem Vorsitzenden des Verbands der jüdischen Gemeinden in Rumänien. Besucht wurde im Laufe des Tages die Synagoge in Hermannstadt und dann der Friedhof im Lazarett-Viertel, wo es nach Verteilung der Aufgaben an die Arbeit ging. Der Friedhof ist übrigens seit 1905 geschlossen.

„Ich schätze dieses Projekt, weil die Grundidee war, dass die zusammenlebenden Minderheiten sich kennenlernen, hier koexistieren und gegenseitig Respekt zeigen und ich glaube, von diesem Standpunkt aus gesehen hat das Projekt die größte Relevanz”, betonte Otto Deutsch.

Die Hermannstädter jüdische Gemeinde soll in der Zeit um 1880 hier gegründet worden sein. „Die damalige sächsische Verwaltung gewährte es den Juden nicht, dass sie sich in der Stadt niederlassen und spätere Generationen leisten nun diese Arbeit hier, ausgerechnet durch das Deutsche Forum, bemerkte Otto Deutsch und fügte hinzu: „Ich sah zu, wie sie arbeiteten und dachte daran. Es ist ein Beweis, dass dies so normal sein müsste was das DFDR nun vollbracht hat. Es ist getan worden aus menschlichem Gesichtspunkt und mit dem Verständnis, dass wir in der Europäischen Union leben, wo es so zugehen müsste.“

Durch den Workshop soll die jüdische Gemeinde hier auch „sensibilisiert” worden sein und  so hat man ein Stück Zaun ergänzen und ein neues Tor machen lassen. „Wir haben uns also auch in Bewegung gesetzt, als wir das Beispiel dieser Jugendlichen gesehen haben”, betonte Deutsch. Damit die Aktion nicht ein Einzelfall bleibt, möchte er diese Aktion bekanntmachen durch die Publikation der jüdischen Gemeinden, Realitatea Evreiască, die zweimal im Monat erscheint und im ganzen Land vertrieben wird. Außer um den Friedhof im Lazarett-Viertel kümmert sich die Hermannstädter jüdische Gemeinde um weitere zehn jüdische Friedhöfe im Kreis Hermannstadt, davon zwei in Mediasch. Deutsch sagte, diese Friedhöfe würden wenigstens einmal im Jahr besucht, so dass man sehen kann, was zu tun ist. Der größte noch in Nutzung befindliche jüdische Friedhof im Kreis Hermannstadt befindet sich auf dem Gelände des städtischen Friedhofs. Wie Deutsch sagte, gibt es in ganz Rumänien insgesamt 766 Friedhöfe in 679 Ortschaften.

Zum Abschluss gab es Teilnahmediplome für alle 19 Jugendlichen, hier für Oana Balaci. Beifall zollten Ovidiu Ganț, Otto Deutsch, Dr. Paul-Jürgen Porr und Winfried Ziegler (v. l. n. r.).                       
Foto: Werner FINK

In Hermannstadt war es nicht die erste Zusammenarbeit zwischen der jüdischen und der deutschen Gemeinschaft. 2006 hatten ebenfalls Mitglieder des Hermannstädter Jugendforums und Wandergesellen gemeinsam die Synagoge gereinigt bzw. Fenster repariert.

Porr erinnerte daran, dass es bereits in den 90er Jahren in Klausenburg, damals unter dem Bürgermeister Gheorghe Funar, der für seine negative Einstellung gegenüber verschiedenen Minderheiten bekannt ist, eine Zusammenarbeit mit der jüdischen Minderheit gegeben habe. „Wir wollten damals zeigen, wie man die Geschichte hinter sich bringen kann”, unterstrich Porr.  „Diese Geste hier ist ein Symbol, ein Symbol in einem Moment, in dem praktisch das ganze Land gespalten ist, und dieses Symbol verdient die ganze Aufmerksamkeit”.

Ovidiu Ganț unterstrich bei der Pressekonferenz die Bedeutung der Kohäsion in der Gesellschaft und die Anwendung von Werten, die einerseits an die schrecklichen Dinge erinnern sollen, die im 20. Jahrhundert geschehen sind, zur Zeit des Nationalsozialismus und des Holocaust, damit sich diese Dinge nie wieder wiederholen könnten und andererseits, dass sie die Basis einer demokratischen rumänischen Gesellschaft bilden. Seit 17 Jahren als Parlamentarier pflege er gute Beziehungen zu dem Verband der jüdischen Gemeinde, insbesondere zu seinen Kollegen, den FCER-Abgeordneten.

„Unter den Veranstaltungen an denen ich bis jetzt teilgenommen habe, war die Organisierung hier bei weitem die Beste, es war einfach ein Vergnügen mit solchen Leuten zusammenzuarbeiten. Die Verteilung der Aufgaben war ausgezeichnet, wir haben alle als ein Team zusammengearbeitet”, meinte die Schülerin Oana Balaci vom Gheorghe Lazăr-Lyzeum. „Als wir zum ersten Mal den Friedhof betraten, war er wie ein Dschungel. Man konnte nichts sehen. Wir haben uns nicht erschrecken lassen die Sonne vermochte uns nicht umzuwerfen. Zu erfahren, dass man nur in zwei Tagen so vieles verändern kann, das finde ich ausgezeichnet”.                        Werner FINK

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Soziales.