Ausgabe Nr. 2578
Historische Reportagen von Rosi Gräfin Waldeck neu ins Deutsche übersetzt
Rosi Gräfin Waldeck, geboren 1898 in Mannheim, starb 1982 einsam und vergessen in den USA. Obwohl die Journalistin einige Jahrzehnte zuvor unstrittig zu den schillerndsten Erscheinungen ihrer Zeit gehörte. Sie legte am Anfang ihrer farbenfrohen Biografie das Abitur ab, eine Seltenheit für eine Frau von damals, studierte später Kunstgeschichte, liebte gern ältere Männer und heiratete öfters. Zunächst den Gynäkologen Ernst Gräfenberg, nach ihm ist der „G-Punkt“ benannt. Als zielstrebige junge Frau ging sie später eine Beziehung mit dem verwitweten Franz Ullstein ein. Eine Liaison, welche am ausgeprägten Standesdünkel der Verlagsfamilie knallhart scheiterte. Ihr blieb als Erbmasse immerhin eine fürstliche Abfindung. Später ehelichte die Jüdin, welche zum Katholizismus konvertierte, in Amerika den ungarischen Grafen Armin von Waldeck.
Vom Juni 1940 bis zum Januar 1941 weilte sie in Rumänien und schrieb für „Newsweek“ über dieses Land. Aus den Reportagen entstand 1942 das Buch „Athénée Palace“, welches jetzt neu aus dem Amerikanischen von Dagmar Dusil und Gerlinde Roth übersetzt wurde. Während des Aufenthaltes der Gräfin in diesem Balkanland überschlugen sich dort die Ereignisse. Die Lobby mit pittoreskem Publikumsverkehr im Bukarester Hotel „Athénée Palace“ wurde zum Multiplikator der Ereignisse jener Zeit. Dazu zählten die Besetzung Bessarabiens durch die Sowjetunion und die Übernahme Nord-Siebenbürgens durch Ungarn. Der Leser erfuhr Einzelheiten von der Abdankung des rumänischen Königs Carol II. Das Zweckbündnis zwischen General Ion Antonescu und der Eisernen Garde beschrieb die Autorin als ebenfalls Dabeigewesene. Genauso die Ankunft der deutschen Militärmission. Diese „Aufbauhelfer“ sollten Rumäniens Armee auf Vordermann bringen. Aber fragil war das gesamte Land seinerzeit nicht nur durch die kosmopolitische Großwetterlage, sondern auch durch Naturereignisse wie das Erdbeben vom November 1940. Mit voller Breitseite bekam die genau Notierende in Rumänien die Korruption mit. Und das Gesetze in dem südosteuropäischen Land zumeist nur auf dem Papier standen, erkannte die Aufschreibende bei ihren festgezurrten Innenansichten fast schon nebenbei. Politische Morde bestimmten in diesen unruhigen Zeiten genauso das Tagesgeschäft, wie stets spürbare Spannungen zwischen den handelnden Akteuren. Porträts verschiedenster, damals in diesem Land handelnder Persönlichkeiten, verdichten die packende Zeitreise in eine Welt voller Brüche und Veränderungen.
Gräfin Waldeck gehörte zu den letzten Zeitzeugen aus der westlichen Welt, welche die Instandsetzung von Hitlers „Neuer Ordnung“ im Rumänien der Zwischenkriegszeit als neutrale Beobachterin miterlebte. Aufgrund der in den Reportagen erkennbaren authentischen Grundstruktur, wurde das 1942 veröffentlichte Buch zum Bestseller. Und es sollte noch heutzutage mit der nun vorliegenden Neu-Übersetzung zum Selbstläufer für historisch interessierte Mitbewohner werden.
Roland BARWINSKY