HZ-Sonderpreis für Kreativität

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Ausgabe Nr. 2574

Bei der Landesphase des Schülerwettbewerbs im Fach Deutsch als Muttersprache hat die Hermannstädter Zeitungfür jede Klasse einen Sonderpreis für Kreativität vergeben. Außer einem Jahresabonnement, einer Jubiläumsmedaille, einem T-Shirt und einem Buch gehört zum Preis, dass die prämierten Aufsätze in der HZ veröffentlicht werden. In der aktuellen Ausgabe lesen Sie den Aufsatz der Schülerin Sabina-Diana Nechita (7. Klasse, George Coșbuc-Nationalkolleg Klausenburg) zur Aussage: Täglich 1 Million“.

 

Der Lotto-Schein

Es war ein schöner Sommertag in Hermannstadt. Die Vögel zwitscherten und flogen durch die großen Menschenmengen auf den Straßen. Mo hatte seit langer Zeit nicht mehr einen so fröhlichen Tag gesehen. Er saß auf einer Bank neben den alten Stadtmauern und genoss den Sommer. Sein rot-blondes Haar leuchtete im Sonnenlicht. Mo streckte seine langen Beine und ging spazieren. Er wollte sich Eiscreme holen, denn es wurde draußen langsam heiß. Ohne nachzudenken schlenderte er durch die Straßen bis er bei seinem Lieblingsgeschäft ankam. Einige Kinder spielten vor dem Laden, aber als sie Mo auf sie zukommen sahen, liefen sie weg. Mo war in der Stadt bekannt, aber nicht im guten Sinne, denn alle wussten, dass er niemandem traute.

„Gut“, dachte er sich, „vielleicht habe ich ein kleines Problem, aber ich habe niemandem wehgetan!“

Mit dem Gedanken betrat er den kleinen Laden. Es war kühl. Kühl und feucht. Wie üblich stand hinter der Theke ein kleiner, dicker Mann, der auf einem viel zu kleinen Stuhl saß. An dem Tag hielt er mit einer Hand drei Luftballons.

„Guten Morgen. Wie kann ich Ihnen helfen?“, grunzte der Mann fast wie ein Roboter. „Eine kleine Kugel Eiscreme bitte.“ Der Mann reichte Mo die Eiscreme und einen Lotto-Schein. Mo guckte ihn verwundert an: „Ich will keinen Lotto-Schein kaufen. Warum haben Sie ihn mir gegeben?“  „Es ist das 5. Jahr, seitdem MTU geöffnet hat. Sie haben an alle kleinen Geschäfte Lotto-Scheine ausgeteilt und wir müssen sie frei verteilen. Also bitteschön.“ Man sah, dass der Mann einfach in Ruhe gelassen werden wollte.

Mo bezahlte und verließ das Geschäft. Normalerweise hätte er den Schein in den nächsten Müll geworfen, aber an dem Tag fühlte er sich voll mit Glück. Er ging nach Hause, setzte sich in seinen Lieblingssessel und öffnete den Schein. Gelbe Buchstaben auf mohnrotem Papier schienen ihm entgegen. „Täglich 1 Million?“ Ungläubig drehte er den Schein um.

„Wenn Sie dies lesen, haben Sie gewonnen! Um Ihren Preis zu bekommen, warten wir auf Sie Montag um 3 Uhr und 5 Minuten genau, vor unserem MTU- Hauptquartier!“

Mo schaute noch verwirrter als zuvor auf den knallroten Schein. MTU war eine seiner Lieblingsfirmen. Sie stellten alles Mögliche her, von Heizkörpern und Tafeln bis Dächer und Autos.

Vielleicht war dies eine gute Chance seine Bewunderung zu äußern. Mo dachte das ganze Wochenende nach und kam zu der Entscheidung, er würde hingehen.

Am Montag, um Punkt 3 Uhr und 5 Minuten stand er unter dem großen Schild, auf dem groß und gelb MTU stand. Ein Gebäude erstreckte sich hinter ihm und warf einen drohenden Schatten auf den vollen Parkplatz. Bald kamen zwei Damen hinzu und grüßten Mo mit Respekt. Dann fingen sie an zu tratschen.

Als Mo sich schon fragte, ob er die Zeit auf dem Schein falsch gelesen hatte, öffneten sich die Türen des Gebäudes und sie wurden hineingerufen. Das Gebäude war sehr düster. Eine junge Frau in hohen Stöckelschuhen kam auf die Gäste zugelaufen.

„Guten Tag! Mein Name ist Katrina und ich werde euch heute die Preise verteilen. Aber zuerst möchte ich, dass wir einen kleinen Rundgang dieses Gebäudes machen. Bitte hier entlang.“

„Das wird immer besser!“ dachte Mo freudig.

Katrina führte sie voller Energie durch das finstere Gebäude. Sie zeigte ihnen die Fabrik, die Büros wo die Angestellten arbeiteten und noch vieles mehr.

Als der Rundgang fertig war, musste Mo dringend aufs Klo. Er fragte Katrina nach den Toiletten. „Dort entlang.“ Sie zeigte in die Richtung in die er gehen sollte. „Und dann die erste Tür rechts.“

Mo lief los, bevor er das Wort „rechts“ hören konnte. So öffnete er einfach die erste Tür die er sah, ging hinein ins Zimmer und staunte.

Ein großer Aufzug führte nach unten in die Tiefe. Überall standen Kisten, Werkzeug und sonst noch anderes herum. Aber das Schlimmste waren die Aussagen an der Wand. „Täglich 1 Million Experimente an Menschen und Tieren durchgeführt.“ Und „Willkommen zu MTU – die Menschen-Testing-Umwelt.“ Mo stand wie vom Blitz getroffen in der Mitte des Zimmers, mit einer Hand immer noch auf der Klinke. Als er wieder zu Sinnen kam, beschloss er alles zu vergessen, zurück zur Gruppe zu gehen, seinen Preis abzuholen und niemehr wieder etwas von MTU zu kaufen. Er drehte sich um, ging aus dem Zimmer und schaute Katrina ins Gesicht.

„Hallo… .“ Katrinas Augen funkelten ärgerlich.

Zwei kräftige Männer packten Mo an den Schultern und zerrten ihn zurück ins Zimmer. Sie fuhren mit dem Aufzug bis ganz nach unten. Dort angekommen banden sie Mo an einen groben Holzstuhl und ließen ihn dort sitzen. Es verging ein Tag und er saß mutterseelenallein im Erdgeschoss einer verrückten Firma, die mit Menschen experimentierte. „Täglich 1 Million… Hä?“ dachte Mo. „Wer hätte geglaubt, dass es Experimente sind!“

Gegen Abend des zweiten Tages kam Katrina, um ihn auszufragen. „Name?“ „Mo.“ „Alter?“ „36.“ „Sag mir Mo,“ sie flüsterte die Wörter und Mo lief ein Schauer über den Rücken. „Warum bist du hier?“ Er kannte die Antwort: „Weil ich Vertrauen hatte. Weil ich geglaubt habe, dass ihr gut seid. Weil ich blind war. Ich hätte aufmerksamer sein sollen!“ Katrina schaute ihn überrascht an: „Ja, du könntest das sagen. Ich hätte einfach gesagt, du hast die falsche Tür geöffnet. Aber, wie du es möchtest.“

Als sie mit dem Ausfragen fertig war, sperrte sie Mo in ein anderes Zimmer ein. Die Damen, die mit ihm gekommen waren, schauten erschrocken ins Leere. Als Katrina sie alleine ließ, regte sich eine von ihnen. Sie nahm aus ihrer Rocktasche ein kleines Messer und stellte sich vor: „Mein Name ist Maya Caliente, Privatdetektivin. Ich wurde angestellt, um dieser Firma auf die Spur zu kommen und sie der Polizei zu übergeben. Herr Mo?“ Mo war einfach fertig. So viele Überraschungen an einem Tag konnte er sich nicht erklären. Er starrte die Wand an. „Herr Mo?“ „Ja, ja, hier bin ich.“ „Können Sie bitte die Tür öffnen?“ Die Detektivin reichte ihm das Messer. Mo bekam die Tür auf und zusammen schlichen sie durch die Gänge. Sie waren mit dem Aufzug gerade wieder an die Oberfläche gefahren, als Mo Schüsse hinter sich hörte. Dieselben zwei Männer, die ihn gefangengenommen hatten, schossen auf sie. Schnell nahm er Detektivin Caliente auf den Arm. „He! Was tust du da? Lass mich los!“ und rannte auf den Eingang zu. Seine langen Beine ließen ihn schneller laufen als alle anderen und so kamen sie aus dem Gebäude. Dann fühlte Mo einen großen Schmerz in seiner Schulter. Er ließ die Detektivin fallen. Sie stand schnell auf und lief weiter, Mo folgte ihr langsam. Ein Schuss hatte ihn getroffen. Er brach zusammen. Als letztes sah er die Polizisten, die neben ihm knieten. Dann wurde alles schwarz.

Langsam öffnete Mo die Augen. Er lag im Krankenhaus, jemand sprach mit ihm. „… und wir haben Katrina eingesperrt, alles dank dir. Du hast tausenden Menschen geholfen, sie sind jetzt alle frei.“ Mo schloss die Augen. So ein Abenteuer hatte er noch nie erlebt und er wollte sowas auch nie wieder erleben. „Alles hat mit einem Lotto-Schein angefangen…“ dachte er sich und schlief ein.

Sabina-Diana NECHITA

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Schule.