Aven Amentza heißt „Kommt mit!“

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2. Auflage des einzigen Roma-Poesiefestivals in Rumänien

Ausgabe Nr. 2551

Auf der Bühne auf dem Großen Ring begeisterte am Samstag das Ensemble Phenjoripe.                       Foto: Ruxandra STĂNESCU

Die zweite Auflage des Internationalen Poesiefestivals der Roma Romaii Poesia hat vergangene Woche in Hermannstadt stattgefunden. Eingeladen waren Roma-Dichter aus aller Welt, die hier gemeinsam gearbeitet, gefeiert und vorgelesen haben. Den Höhepunkt des Festivals stellte am Samstag eine bunte Darbietung auf dem Großen Ring dar, bei der die Autorinnen und Autoren ihre Gedichte vorgetragen haben, aber auch Musiker und Tänzer aufgetreten sind.

 

Luminiţa Cioabă, die seitens der „Ion Cioabă”-Stiftung für die Kultur der Roma das Festival organisiert hat, hat ein sehr gutes Fingerspitzengefühl bewiesen und nicht nur Dichter, sondern auch Tänzer und Musiker eingeladen, von denen jeder einzelne einen eigenen Auftritt verdient hätte.

Begonnen hat das der ersten Roma-Schriftstellerin aus Polen, Bronislawa Wajs (1908/1909-1987), gewidmete Festival am Donnerstag, mit dem Eintreffen der Dichter, die aus aller Welt angereist sind. In mehreren Workshops haben sie nicht nur gemeinsam gedichtet, sondern auch über die Rolle der Roma-Literatur in der Welt gesprochen, über ihre eigenen Werke und auch darüber, wie sie in den unterschiedlichen Ländern publizieren können.

Die vier Tänzer der Gruppe „Step Romano“ schwebten regelrecht über der Bühne. Foto: Beatrice UNGAR

Allerdings wurde nicht nur gearbeitet, Luminiţa Cioabă war bemüht, den Gästen und dem Publikum eine vollständige Roma-Erfahrung anzubieten. So wurden Gäste und Publikum eingeladen, an unterschiedlichen Workshops teilzunehmen und zu lernen, wie man einen Roma-Rock näht, wie man einen Holzlöffel schnitzt oder wie man einen kupfernen Kessel anfertigt. Auch ein Ausflug nach Răşinari war geplant. Gefahren wurde mit dem Pferdewagen, in der Gemeinde wurden die selbst hergestellten Objekte verkauft, so wie es früher die Roma auch getan hatten.

Für diejenigen, die für solche Arbeiten keine Zeit oder Neigung hatten, wurden natürlich auch fertige Objekte angeboten, auf einem Roma-Markt, der von Donnerstag bis Samstag auf dem Großen Ring stattfand. Bunt gemischt war hier das Angebot, verkauft wurden nicht nur traditionelle Roma-Objekte, sondern auch einige Leckereien und auch kleine, recht kitschige Sachen.

Weil zum Roma-Leben auch Musik, Tanz und gutes Essen gehören, wurde am Freitag zusammen im Jungen Wald vor einem Zelt im Kessel auf offenem Feuer gekocht und gemütlich beim Lagerfeuer zu Abend gegessen.

Mit einer kleinen Gedenkstunde auf dem städtischen Friedhof für den verstorbenen Vater von Luminiţa Cioabă und Namensgeber der Stiftung, Ion Cioabă, ging der erste Teil des Festivals zu Ende.

Samstag Nachmittag wurden die Ergebnisse der Workshops auch dem breitun Publikum vorgestellt, es gab ein reichhaltiges Progamm für die Hermannstädter und Touristen, die den schönen Oktobernachmittag bei einer außergewöhnlichen Show genießen wollte.

Der für 17 Uhr angekündigte Umzug durch die Heltauergasse auf den Großen Ring begann mit einer kleinen Verspätung, da der angeheurrte Pferdebesitzer leider verhindert war und also keine Kutsche und vor allem keine Pferde zur Verfügung stellen konnte. So griffen sich um 17.30 Uhr der Dichter Mircea Dinescu und Organisatorin Luminița Cioabă das Banner der Veranstaltung und gingen los. Vor ihnen tanzten sich die Vier von der Neumarkter Gruppe Step Romano richtig warm. Alle Teilnehmer und auch eine nicht unerheblich große Fan-Gruppe zogen blau-grüne Fähnchen mit dem Wappen der Roma schwingend durch die Heltauergasse und riefen: „Aven Amentza!“ Dies bedeutet soviel wie „Kommt mit!“

Wer sich auf diese Einladung eingelassen hat, sollte es keineswegs bereuen: Santino Spinelli aus Italien erfreute das Publikum nicht nur als Dichter, sondern auch als begabter Akkordeon-Spieler. In seinem Heimatland ist Spinelli nicht nur Musiker, sondern auch Leiter der Gruppe „Alexian”, mit der er die Kultur der Roma vertritt, Hochschullehrer und politisch aktiv, denn er wurde 2001 als einziger Vertreter Italiens ins Parlament der Internationalen Romani Union gewählt.

Genau so berühmt in ihren Heimatländern, aber auch auf internationaler Ebene sind Jessica Reidy (USA) und Bengot Olaf (Schweden), die ihre Gedichte in englischer Sprache vortrugen und das Publikum erfreuten.

Die Schwermut der Gedichte wurde ausgeglichen mit einer kleinen Modeschau von „Phurikano Ciro“, aber auch durch mehrere musikalische Auftritte. Aus Russland kam Vasily Yankovich, der Roma-Musik aus Russland sang, in Begleitung von Angelica Mashatkova, mit der er als „Gypsy Boulevard” auftrat. Da durfte natürlich „Schwarze Augen“ (russisch Очи чёрные, Otschi tschornyje) nicht fehlen, auch wenn es umstritten ist, ob die Musik aus der Roma-Welt stammt oder nicht.

Zum Auftakt sangen die Dichter und Musiker die Roma-Hymne, darunter Jessica Reidy, Delia Grigore, Ioana Crăciunescu, Luminița Cioabă, Katjusha Kozubek, Angelica Mashatkova, Vasily Yankovich und Anna Debicka (v. l. n. r.): Foto: Beatrice UNGAR

Die Neumarkter Tanzgruppe „Step Romano” trat auch mehrmals auf und so richtig energisch tanzten sie, als die Technik versagte und sie sich selber nur durch Klatschen und Klopfen begleiteten.

Auch wenn es gegen Abend kühl wurde, blieben die Zuschauer am Großen Ring sitzend oder stehend, wobei die Kinder die beste Möglichkeit zur Aufwärmung fanden: Sie tanzten vor der Bühne einfach mit.

Da half auch die deutsch-polnische Band „Phenjoripe”, die mehrmals auftrat und für große Begeisterung sorgte. Die deutsche Künstlerin Katjusha Kozubek mit Roma-, russischen und polnischen Wurzeln sang in Begleitung der zwei Tänzerinnen Anna Debicka und Oliwia Nowaczyk. Die drei Damen in den sehr schönen Kostümen hatten wenig Zeit auch in den Pausen, denn hinter der Bühne stand das Publikum regelrecht Schlange, um sich mit ihnen fotografieren zu können. Die Gruppe durfte auch das Festival abschließen, geblieben wäre das Publikum wahrscheinlich noch viel länger.

Seit Anfang des Jahres ist Luminiţa Cioabă bemüht, das Festival in die Aufmerksamkeit des Publikums und der Behörden zu bringen, denn es ist nicht einfach, so ein Vorhaben zu konkretisieren. Von den Behörden gab es positive Antworten, mitfinanziert wurde das Festival vom Lokalrat Hermannstadt durch die diesjährige Kulturagenda, vom Hermannstädter Kreisrat, vom Kulturministerium, von dem Rumänischen Kulturinstitut und von der Partida Romilor Pro-Europa. Im nächsten Jahr wird es natürlich besser, weiß Luminiţa Cioabă. Nicht nur mehr Künstler sollen eingeladen werden, auch mehr Publikum und auch mehr Sponsoren werden erwartet, denn ein Festival dieser Art gibt es in Rumänien kein zweites Mal.

Ruxandra STĂNESCU

Beatrice UNGAR

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.