„Wenn ich sag‘: Er, so mein‘ ich Ihn, Ihn…“

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Premiere von Büchners Woyzeck in Hermannstadt

Ausgabe Nr. 2548

 

Mit Alexa Visarions „Woyzeck“-Inszenierung brachte die deutsche Abteilung des Radu Stanca-Nationaltheaters die erste Premiere der Spielzeit heraus. Unser Bild: Szenenbild mit Woyzeck (Valentin Späth, Bildmitte) und dem Doktor (Daniel Plier, rechts). Foto: Fred NUSS

Am Mittwoch den 20. September fand im Nationaltheater „Radu Stanca“ die Premiere von Büchners Stück „Woyzeck“ statt. Die Regie zu diesem Vormärz-Stück führte Alexa Visarion. Der Regisseur betonte in seiner Eröffnungsrede unmittelbar vor der Aufführung die gute Zusammenarbeit mit den Schauspielern und sprach von einem fruchtbaren gegenseitigen Lernen.

Woyzeck (Valentin Späth) rasiert den Hauptmann (Daniel Bucher). Foto: Cynthia PINTER

Das Stück, das auf wahren Begebenheiten beruht, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts in Leipzig abspielten, besitzt auch für das Heute eine große Aktualität. Der Soldat Woyzeck hat mit seiner Freundin Marie ein uneheliches Kind – das Paar ist mittellos, Woyzeck hält seine Familie und sich selbst mit kleineren Tätigkeiten über Wasser. Unter anderem nimmt er an den Versuchen eines Doktors teil, der ihm eine Erbsenkur verschreibt, um die Effekte auf den menschlichen Körper zu überprüfen. Auch im Verhältnis zwischen Woyzeck und der Figur des Hauptmanns werden die strengen Hierarchien in der Gesellschaft sichtbar. Die Hauptfigur gerät aus verschiedenen Gründen immer mehr unter Druck. Die Dialoge sind durch die Passivität und Zurückhaltung der Hauptfigur geprägt. Marie betrügt Woyzeck schließlich mit dem Tambourmajor – Woyzeck bekommt dies zugetragen und sein Umfeld macht sich über ihn lustig. Die Versuche des Doktors und die herabwürdigende Behandlung durch andere Menschen sowie der Betrug seiner Freundin führen dazu, dass er dem Wahnsinn verfällt: Der Wahnsinn endet damit, dass er seine Freundin ersticht. Das Individuum gerät zwischen verschiedene gesellschaftliche Kräfte und erliegt ihnen schließlich.

Anca Cipariu (im Vordergrund) verkörperte Woyzecks Freundin Marie. Foto: Cynthia PINTER

Die Aufführung von Visarion und seiner Gruppe ist klassisch inszeniert – es erwarten den Zuschauer also keine allzu gewagten Versuche, aus der Zeit gefallene Spielelemente interpretieren zu müssen. Trotzdem ist ein Gegenwartsbezug allgegenwärtig. Valentin Späth gibt einen authentischen Woyzeck, der zwischen die Fronten der Gesellschaft gerät und an dem andauernden Zwang, Geld zu beschaffen, dem damit verbundenen Zeitmangel und der Kommunikationslosigkeit gegenüber seiner Freundin Marie, scheitert. Diese wird durch Anca Cipariu verkörpert, die ihre Rolle überzeugend und mit viel Energie spielt. Einen lauten und grobschlächtigen Hauptmann erlebt der Zuschauer durch Daniel Bucher; den detailverliebten und pseudowissenschaftlich orientierten Doktor verkörpert Daniel Plier. Den stolzen Tambourmajor spielt Robert Fekete; als Andres, Freund und Gegenpol Woyzecks, sehen wir Ali Deac. Das von Alin Gavrilă umgesetzte Bühnenbild wurde der Tatsache, dass das Stück Fragment geblieben ist, mehr als gerecht: Die verschiedenen Szenen scheinen ineinander überzugehen; auf der Bühne zwanglos verteilte „Requisiteninseln“ sorgen durch ihre räumliche Nähe und Simplizität fast für die Gleichzeitigkeit mancher Szenen: Die verschiedenen Bilder gehen nahtlos ineinander über. Die musikalische Untermalung gibt den Szenen eine gewisse Ordnung.

Die nächste Vorstellung, die am 12. Oktober, um 19 Uhr, stattfindet, lohnt in jedem Fall einen Besuch.

Aurelia BRECHT

 

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Theater.