Beim Craft Fest stellten Jungunternehmer das „1717″-Bier vor
Ausgabe Nr. 2547
Auf dem Hermannstädter Craft Fest, das vom 8. bis 10. September an der Oberen Promenade und in der Harteneckgasse/Cetății stattfand, präsentierte sich die alternative Bierszene Rumäniens. Auf ein Bier mit einem der Getränke-Jungunternehmer. Nicht irgendein Bier: für Ionuț ist es keine Nebensache, was er bestellt. Nachdem er die Karte mit zahlreichen Craft-Bieren gewissenhaft studiert, zählt er vor der Kellnerin noch einige andere auf. „Normalerweise haben sie hier mehr Sorten”, sagt er und gibt sich mit einem „Fistfight-IPA” zufrieden. Spätestens jetzt wird klar, dass es sich hier um einen Experten handelt.
Der junge Mann, der das Biertrinken ernst nimmt, heißt Ionuț Ciobota und ist Teil des Teams von „Red City Transylvania”. Das im Februar 2016 in Hermannstadt gegründete Unternehmen widmet sich leidenschaftlich dem Brauen. „1717” nennt sich das abgefüllte Produkt, das lokalen Bezug aufweist. Bereits der einprägsame Name ist eine Anspielung: Im Jahre 1717 eröffneten Sachsen in Hermannstadt die erste Brauerei in Siebenbürgen. Nachgeforscht wurde im Stadtarchiv. Ein Dokument, in dem Karl VI. den Bau der Brauerei 1711 absegnete, belegt die Information.
Das Label des Bieres zeigt sieben Häuser; in minimalistisch-graphischem Stil designt. Sie sollen Siebenbürgen symbolisieren. Gleichzeitig ist es eine Re-Interpretation des Wappens von Hermannstadt. „1717” ein vollständig lokales Produkt werden zu lassen, ist momentan aber noch Zukunftsmusik. „Red City Transylvania” wurde von vier Freunden aus Hermannstadt gegründet, gebraut wird aber in Bayern. Ein Gründungsmitglied, das in München wohnt, machte eine Familienbrauerei ausfindig, die dem Team erlaubt, bei sich Rezepte zu entwickeln und herzustellen. Eine eigene Brauerei in Hermannstadt mit lokalen Produkten wird angestrebt, ist aber ein aufwendiges Vorhaben. Als Gast in fremden Brauereien zu produzieren, ist nicht unüblich in der Craft-Szene. Es macht die Projekte der jungen Unternehmen oft finanziell erst realisierbar.
Aber was genau macht ein Craft-Bier überhaupt aus? „Craft“, das ist Englisch für Kunsthandwerk, und als solches empfinden sich die Hersteller auch. Das Konzept äußerlich: jung, individuell, international. Es geht darum, mit seinem Produkt eine ganz eigene Geschmacksnote zu treffen. Die Label sind frech und auf englisch, denn der junge Kosmopolit, der hedonistische Bildungsbürger, soll angesprochen werden. Grafik-Design und Marketingkonzept sind gleichermaßen durchgestylt. Technisch bedeutet Craft-Bier: unpasteurisiert, in kleinen Mengen lokal gebraut und mit nachhaltigen, hochwertigen Mitteln gemacht. Die wachsende rumänische Szene beherbergt bereits einige Erfolgsgeschichten, wie die von „Zăganu“ und „Hop Hooligans“, die beide auf dem Craft Fest vertreten waren.
Darin besteht der gesamte Unterschied zu den „Industriebieren”, die von etablierten Großunternehmen in riesigen Mengen produziert werden und deren Priorität Effizienz heißt. Da aber das Interesse der Konsumenten an regionalen, hochwertigen Produkten steigt, wächst auch die Popularität der Craftbiere. Man merkt, dass die Micro-Brauer von den Mainstream-Marken als ernsthafte Konkurrenz wahrgenommen werden. Die großen Hersteller bringen allmählich eigene Craft-Sorten auf den Markt. Obwohl sie qualitativ und im Geschmacksvergleich nicht mithalten können, stellen sie dennoch eine große Bedrohung für die kleinen Unternehmen dar. Die Big-Players haben viel Kapital, das, statt in hochwertige Zutaten, in große Marketingabteilungen investiert wird.
Untereinander verhalten sich die Craft-Brauer sportlich. „Ich finde, wir sollten uns [die Craftbiere] nicht als Konkurrenz ansehen. Die einzigen Konkurrenten sind die Industriebiere”, sagt Ionuț Ciobota. Ein Unternehmen auf den Weg zu bringen ist nie leicht: „Unser ,Kind‘ ist noch klein, wir sind noch immer dabei, ihm das Laufen beizubringen.” Allen Anstregungen zum Trotz, liebt Ionuț, was er macht. Er lacht und blickt um sich: „Ich habe die Zeit, um 17 Uhr ein Bier zu trinken. Es ist herrlich. Ich bin, glaube ich, der Glücklichste von allen.”
Ionuț Ciobota war „der letzte in der Kette”, wie er selbst sagt. Damit meint er seinen Einstieg bei „Red City Transylvania“. Er und die anderen Gründer waren eine Weile auf dem Erdball verstreut. Wieder in der Heimat, setzten die Freunde die lange bestehende Idee, eigenes Hermannstädter Bier herzustellen, in die Tat um. Seit Ionuț im Team ist, macht er die Öffentlichkeitsarbeit für das Unternehmen. Auch er hat die nicht zu unterschätzende Wichtigkeit von Social Media erkannt; die Facebook-Seite wird gut gepflegt. Sie zeigt stimmungsvolle Aufnahmen aus dem Astra Freilichtmuseum und zu jedem Event gibt es Posts um die Follower auf dem Laufenden zu halten. Natürlich werden auch Gastronomien und Läden besucht, um die Produkte vorzustellen. Das ist nicht immer leicht, viele ansässige Unternehmen seien nicht offen für neue Produkte. Inzwischen gibt es aber in Hermannstadt mehrere Anlaufstellen, um ein „1717” zu probieren. (u. a. bei „She’s green“, „Weinkeller“, „Atrium“ und „Nod“)
Am meisten gefallen dem 33-Jährigen aber die Veranstaltungen. Dort kann man sich dem Kunden persönlich präsentieren und Gleichgesinnte kennenlernen. Allein in den letzten Wochen war „1717” bei der Sommernachtsparty vom Teutsch-Haus, beim Treppenfestival, beim Transylvanian Brunch, Eat Local und natürlich beim Craft Fest vertreten.
Das Letztere legte den Fokus auf das „bere artizanală”. Nicht als ein Treffen fachsimpelnder Kenner, sondern die Öffentlichkeit einladend, die Produkte kennenzulernen. So war beim Craft Fest für jeden etwas dabei. Kinder konnten sich die Gesichter anmalen lassen, gemütliche Sitzecken aus Paletten überall an der Oberen Promenade luden zum Verweilen ein und von der Bühne aus unterhielten Musikgruppen die Besucher. Und natürlich gab es jede Menge Bier.
Emeli GLASER