„An die Gräber ihrer Lieben zurückgerufen“

Teile diesen Artikel

Gedenken an die Opfer des Lawinenunglücks vom 17. April 1977 am Bulea
Ausgabe Nr. 2526

 

4-buleakessel-hans-koch

Im Bîlea-Kessel wurde am Sonntag ein Skiwettkampf ausgetragen, der vom SV Înainte des Lyzeums Nr. 1 Sibiu in Zusammenarbeit mit der Fachkomission organisiert worden war. Die Sieger erhielten Wanderpokale, die von den Familien Heitz und Gross zum Gedenken an die 1977 verunglückten Skifahrer gestiftet wurden“. Dieser Bildtext erschien in der Wochenschrift Die Woche (heute wieder Hermannstädter Zeitung) vom 9. Juni 1978 unter einem Foto des damaligen Sportredakteurs Hermann Schobel.

 

Das war ein Jahr nachdem das verheerendste Lawinenunglück in Rumänien 23 Lebensläufe geknickt und eine ganze Stadt in Trauer gehüllt hat. Wer den Text heute liest, braucht eine „Übersetzung“. So ist mit dem „Lyzeum Nr. 1 Sibiu“ die Brukenthalschule gemeint und die „verunglückten Skifahrer“ wurden von einer Lawine dahingerafft. Zu den Opfern zählten auch zwei Schüler (eine Schülerin aus Petersdorf bei Mühlbach und einer aus Kronstadt) und eine Lehrerin vom Pädagogischen Lyzeum in Hermannstadt sowie ein 38-jähriger Hermannstädter und zwei Kronstädter Skifahrer, im Alter von 30 bzw. 46 Jahren.

40 Jahre danach werden Erinnerungen wach, mehr oder weniger genaue Erinnerungen, jede und jeder hat die Katastrophe verarbeitet, wie sie oder er es verstanden hat. Der Schmerz ist geblieben. Wie tief der Schock sitzt ist unermesslich. Dass so viele Jahre schon vergangen sind ist einfach unglaublich, wenn man bedenkt, wie unsäglich traurig man damals gewesen ist, wie untröstlich und wie gelähmt angesichts der harten Tatsachen. „Wie sollen wir weiterleben nach diesem Verlust?“ fragten sich nicht nur die Angehörigen. „Indem wir das Gedenken an die Opfer pflegen“, lautete die Antwort damals. Dazu steht die Brukenthalschule auch heute, 40 Jahre danach. Generationen von Schülern, die im Biologie-Labor im zweiten Stock Unterricht hatten, gingen tagein tagaus an der Gedenktafel vorbei, auf der die Namen der 13 Schüler und drei Lehrer geschrieben stehen, die der Lawine zum Opfer gefallen sind.

4-gedenktafel

40 Jahre danach gestalteten die Brukenthalschule und die evangelische Kirchengemeinde A. B. Hermannstadt mehrere Gedenkveranstaltungen zur Erinnerung an die Lawinenopfer. Zunächst beteiligten sich Brukenthalschüler und Jugendliche von der Kirchengemeinde am 1. April an einer Reinigungsaktion auf dem Hermannstädter städtischen Friedhof. Brukenthalschüler und Lehrer begaben sich am Wochenende vom 7. bis 9. April in den Bulea-Kessel, um der Opfer zu gedenken (siehe Bericht „Bei Nebel und Schneesturm“).

Am 13. April fand in der Aula der Brukenthalschule eine Gedenkstunde statt, die der Erdkundelehrer i. R. Friedrich Philippi mit viel Feingefühl und bedächtig wie immer gestaltete. Philippi begrüßte dabei ganz besonders „die Familienangehörigen und Freunde der Lawinenopfer, die dieses Gedenken zum Teil von weither an die Gräber ihrer Lieben zurückgerufen hat“ und ließ zum Auftakt ein Fragment aus dem „Deutschen Requiem“ von Johannes Brahms auf einen Text aus dem 1. Petrusbrief erklingen. Da heißt es „Denn alles Fleisch, es ist wie Gras/und alle Herrlichkeit des Menschen/wie des Grases Blumen./Das Gras ist verdorret/und die Blumen abgefallen./Aber des Herrn Wort bleibet in Ewigkeit!“ Danach verlas er die Namen der Opfer und für jedes Opfer wurde ein Teelicht angezündet und auf einen der beiden Tische gelegt. Die Anwesenden hatten sich erhoben, in der Luft war Rührung und Trauer zugleich zu spüren. Nach der Schilderung der Ereignisse vor 40 Jahren zeigte Philippi Dias zu Lawinen und einen Dokumentarstreifen „Der weiße Tod“. Mit einem weiteren Fragment aus dem „Deutschen Requiem“ (38. Psalm: „Herr, lehre mich doch…“) endete die Gedenkstunde.

1 bruk gedenken

Am Stichtag, dem 17. April, wurde mit Andachten im Bulea-Kessel und auf dem städtischen Friedhof in Hermannstadt der Opfer gedacht. Dank einer anonymen Spende konnten Kränze gekauft und auf die Gräber gelegt werden. 17 in Hermannstadt und jeweils einer in Petersdorf, Neppendorf und Hammersdorf.

Beatrice UNGAR

 

Foto 1: „Die gewaltigen Formen, die ewige Ruhe in dieser leblosen Erstarrung, erwecken in uns das Gefühl, welches das Hochgebirge immer hervorruft, wenn es wie jetzt vom Sonnenlicht überflutet ist, wenn der Mond es mit zauberhaftem Licht umspinnt, die dunkle Nacht darüber lagert, wenn der Sturm darüber fegt, die weißen Nebel in den Schluchten durcheinander wallen, wenn Wolken es umhüllen, ein Gewitter darauf niederrauscht, das Gefühl der heiligen Ehrfurcht vor der Majestät der Natur“.

Diese Zeilen schrieb der Biologielehrer und Bergfreund Richard Schuller einmal in sein Tagebuch, vielleicht einige Tage vor der Katastrophe vom 17. April 1977. Das Bild  entstand an einem der sonnigen Tage im April 1977, geschossen von einem Bergfreund aus Hunedoara, der 1977 mehrmals Gastvortragender an der Hermannstädter Volkshochschule gewesen ist.

Foto: Hans KOCH

 

Foto 2: Auf der Gedenktafel an einer Felswand im Buleakessel, die im Herbst 1977 dort angebracht worden ist, sind alle Opfer der Katastrophe in der Reihenfolge ihres Alters aufgelistet.

 

Foto 3: Gedenkstunde: In der Aula der Brukenthalschule fand am Donnerstag der Vorwoche eine Gedenkstunde für die Opfer des Lawinenunglücks vom 17. April 1977 statt. Mehr zu den Gedenkveranstaltungen auf Seite 4. Unser Bild: Erdkundelehrer i. R. Friedrich Philippi (rechts, stehend) verlas die Namen der Opfer, für die jeweils ein Teelicht angezündet und auf einen der beiden Tische gestellt wurde.                      

Foto: Fred NUSS

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.