Nachruf auf den Bildhauer und Kunsterzieher Kurtfritz Handel
Ausgabe Nr. 2496
Am 20. August verstarb in Frickenhausen-Linsenhofen bei Nürtigen der Bildhauer Kurtfritz Handel in seinem 75. Lebensjahr. Der Tod setzte hiermit den Schlussstrich unter eine Künstlerkarriere, zu deren wichtigsten Positionen das Bekenntnis zur siebenbürgischen Herkunft des Schöpfenden gehörte. Mehr noch – Landschaft und Kultur Siebenbürgens waren für Kurtfritz Handel eine Inspirationsquelle, die es ihm zugleich gestattete, die Traditionsstränge klassisch-akademischer Bildhauerei in zeitgemäße Kunstformen über zu führen.
Kurtfritz Handel wurde 1941 in Râmnicu Vâlcea geboren und wuchs mitten in den Kriegswirren behütet von der Familie auf. Von daher rühre sein lebensafirmativer Ansatz, sein eher integrierendes als ausgrenzendes Wesen, bekannte uns der Künstler einmal im Gespräch.
Der künstlerische Werdegang von Kurtfritz Handel nahm 1961 seinen Anfang in Klausenburg an der damals in Siebenbürgen führenden staatlichen Kunstinstitution, der Akademie „Ion Andreescu“. Er studierte hier bis 1967 Bildhauerei und Kunstgeschichte und wurde Meisterschüler bei Artur Vetro. Dieser Zeit entstammten viele gegenseitig sich befruchtende Künstlerfreundschaften, die der Bildhauer Handel bis zu seinem Lebensende mit beeindruckender Loyalität gepflegt hat. Sein lebensbejahender Charakter, ein ansteckender Optimismus, genährt aus einem unverrückbaren Selbstverständnis der eigenen schöpferischen Kraft, machten es ihm leicht, Zugang zu den Herzen der Menschen seiner Umgebung zu finden. In diesem, seinem Optimismus, den er selbst einmal als „unterschwellig utopisch“ bezeichnete, sah er letztlich auch „das Wesenhafte“ seines Werkes verankert.
In Hermannstadt, wo Kurtfritz Handel 1967 als Kunsterzieher und als freischaffender Bildhauer zugleich seine Künstlerkarriere begann, wurde früh schon die Richtlinie festgelegt, die sein Wirken auf lange Sicht hin prägen sollte: Die Verpflichtung dem Figürlichen gegenüber, sei es im Landschaftlichen, im Porträt, aber auch in der pointiert humorvollen Tierdarstellung, die ihn manchmal in die Nähe der Wiener Brüder Hagenauer bringt.
Als Kunsterzieher hat Kurtfritz Handel in dieser Zeit mit seinem Wirken am Hermannstädter Pionierhaus ganzen Generationen von Kindern die Welt der Kunst erschlossen, er selbst wurde mit diesem weit über das Lehrerdasein hinausgehenden gesellschaftlichen Engagement zu einer Institution in der Hermannstädter Gesellschaft der 1970-er und frühen 1980-er Jahre.
1985 wanderte die Familie Handel in die Bundesrepublik Deutschland aus und fand in Linsenhofen-Frickenhausen in Württemberg eine neue Heimat. Mit den technischen Möglichkeiten, die ihm die bekannte Kunstgießerei Ernst Strassacker in Süßen bot, welche ihn als Bildhauer beschäftigte, fiel es Kurtfritz Handel nicht schwer, sich auch im freien Schaffen hauptsächlich dem Bronzeguss hinzuwenden.
Auf die Frage, was ihn am Bronzeguss so ungebrochen fasziniere, kam die Antwort, es ginge ihm beim Schaffen eines Kunstwerkes zu allererst immer um die Herausforderungen des Materials, das Gesetz der Materie überhaupt. In diesem Spannungspotenzial zwischen dem schweren Bronzematerial und dem sinnlich erlebbaren Unstofflichen einer Kunstidee liegt die Originalität des Handelschen Œuvre.
Im Bewusstsein seiner siebenbürgischen Zeitgenossen bleibt Kurtfritz Handel vor allem durch seine Porträts. Diese zeigen bekannte und berühmte Musiker, Schriftsteller, Wissenschaftler, kirchliche Würdenträger, Publizisten aber auch befreundete Maler – viele aus dem heimatlichen Kulturkreis – und machen literarische und künstlerische Netzwerke sichtbar.
Kurtfritz Handel ist mit seiner Kunst längst auch in der neuen Heimat angekommen. Das Unverwechselbare seiner Porträtkunst, das ihn zum gefragten Porträtisten auch in seiner neuen Heimat machte, liegt in der gestalterischen Tendenz, das Beseelte des Ausdrucks mittels pointiert-ironischer Haltung zu verstärken. Zu seinen jüngsten diesbezüglichen Werken gehören die Standbilder des württembergischen Herzogspaares.
Daneben blieb die siebenbürgische Geschichte als literarisch-poetischer Topos oder aber greifbar im hinterlassenen Objekt konserviert, auch in der Ferne, dem Künstler immer wieder ein Quell der Inspiration. Hierher gehören Handels „Kirchentür“-Objekte, wie er sie 2011 für die große Schau im Kleihues-Bau in Kornwestheim schuf. „Abwehr“, „Zeitenpendel“, „Elegie“ oder ganz direkt auf das protestantische Weltbild der siebenbürgischen Dorfgemeinschaften zielend („Ein‘ feste Burg ist unser Gott“), verraten die Werktitel, die streiflichtartig die Auseinandersetzung des Künstlers mit den Befindlichkeiten siebenbürgischer Existenz im Karpatenbogen.
In den letzten Jahrzehnten hat Kurtfritz Handel sich verstärkt der Landschaft zugewendet. Zwischen glaubhafter Realitätsspiegelung und Imagination sind sie anzusiedeln, die mal direkt sensualistisch mal beinahe graphisch wiedergegebenen Ausschnitte aus einer Natur, die sich der Künstler im direkten Erlebnis eroberte. „Wiese“, „Gartenhaus“ und „Allee“ aber auch topografisch Bestimmbares, wie „Die kleine bayerische Landschaft“ oder „Die Eibesdorfer Berge“ vermitteln dem Betrachter jenseits der Suche nach dem Überzeugenden einer Wiedergabe des Landschaftsausschnittes eher etwas unaussprechlich Magisches, Geheimnisvolles („Hinter dem Berg“), eine Art neuer Romantik, von der man nicht annehmen sollte, dass sie im Milieu des Klassisch-Akademischen Bestand haben könnte.
Ich würde mir wünschen, dass die vielen Freunde Kurtfritz Handels und all jene, die sein Werk zu schätzen vermögen, dieses Œuvre im Zusammenhang mit den Originalorten seiner Inspiration neu erleben. Im Spaziergang auf den Hohen Neuffen oder aber über die Hügellandschaft bei Mediasch gelänge es, dem Künstler über die Pfade seiner Inspiration auch jenseits des Todes nahe zu kommen.
Irmgard SEDLER
Kurtfritz Handel (links) mit Edith Strassacker, der Geschäftsführerin der Kunstgießerei Strassacker in Süßen, wo u. a. das von Handel entworfene Bambi gegossen wird, vor einem seiner Werke in der Werkschau 2011 im Museum im Kleihues-Bau in Kornwestheim. Mit dieser Werkschau, die dessen künstlerisches Schaffen der letzten drei Jahrzehnte umfasste, würdigte das Museum den Träger des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises 2009 anlässlich seines 70. Geburtstages. Die Kuratorin der Ausstellung war Irmgard Sedler.
Foto: Werner SEDLER