„Wir haben eine Bildungsaufgabe“

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Ausgabe Nr. 2465
 

Gespräch mit Daniel Plier, Leiter der deutschen Abteilung des RST

 

Daniel Plier wurde 1968 in Luxemburg geboren. Am Conservatoire de Luxembourg und an der Ecole Supérieure d´Art Dramatique Pierre Debauche studierte er Schauspiel.  Er hat an Theatern in Esch, Maskénada, Schloss Niederweis, Luxembourg (Theatre National, Kapuzinertheater, Theatre du Centaure), Neumünster, Steinfort eine Vielzahl von Rollen übernommen und auch in Filmen mitgewirkt. Daniel Plier inszenierte am Radu-Stanca-Nationaltheater (RST) „Tagebuch eines Wahnsinnigen“, „Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt)“, „Ossis Stein“ und „Panik“. Mit Daniel Plier sprachen Iuliana Popescu, Elena Proșac und Cristina Sava (Hermannstadt), Andra Popa und Mirela Râșnovean (Kronstadt), Maria Prăștean (Deva) und Anca Daniela Săroiu (Mediasch), koordiniert von Ioana Ruga (Hermannstadt).

Sie haben sich als Luxemburger entschlossen, nach Hermannstadt zu ziehen. Was steckt dahinter?

Wie die Franzosen sagen „Cherchez la femme!“ („Sucht die Frau!“). Anlässlich des Theaterfestivals 2007, als Hermannstadt und Luxemburg Kulturhauptstädte waren, lernte ich meine zukünftige Frau kennen, die auch am Radu-Stanca-Theater arbeitet. Dabei habe ich erfahren, dass es da auch eine deutsche Abteilung gibt. Weil eine Stelle damals gerade frei war, fasste ich den Entschluss, sie auch anzunehmen – ein Schritt, den ich bis zum heutigen Tag nicht bereue.

Wie fühlen Sie sich in Ihrer neuen Rolle als Leiter der deutschen Abteilung?

Es ist alles sehr schnell gegangen. Ich habe erfahren, dass meine Vorgängerin nicht mehr im Haus tätig sein wird, das Telefon hat bei mir geläutet und ich bin gebeten worden, die Stelle zu übernehmen. So wurde ich im März 2015 stellvertretender Abteilungsleiter. Zurzeit bin ich sehr präsent auf der Bühne, es gibt sehr wenige Stücke, in denen ich nicht spiele und ich bin auch als Regisseur tätig. Die Leitung der Abteilung ist eine neue Erfahrung für mich, es braucht aber einen gewissen Adaptationsprozess. Ich habe zwar etwas Erfahrung, was Theaterorganisation betrifft, aber ich komme aus der freien Szene Frankreichs, was schon etwas anderes ist, als eine leitende Funktion in einem staatlichen Haus eines anderen Landes. Die Gepflogenheiten administrativer Natur sind in Frankreich und Rumänien total verschieden. Ich habe aber nette Kollegen, die mich darauf hinweisen, dass es gewisse Wege gibt, die man nicht verlassen soll. Die gute Seite ist, dass ich auch vieles verändern kann. Es ist schön, dass man lernt, Ideen in den gegebenen Rahmen zu integrieren.

Wie wählen Sie die Theaterstücke aus, um Anklang beim Publikum zu finden?

Alles wird für ein Jahr geplant – mit Rücksicht auf die Besetzung, da wenig Personal da ist und mehrere Projekte gleichzeitig laufen. Natürlich muss die Gestaltung flexibel sein. Vorteilhaft sind die Theaterstücke mit kleinerer Besetzung, von guter Qualität. Ich möchte auch versuchen, sämtliche Schauspieler zu fördern und zu fordern und Texte zu finden, die junge Leute begeistern können. Wir haben natürlich die Verantwortung, alle Schauspieler zu bedienen.

Wie läuft Ihre Zusammenarbeit mit den Kollegen, die in der deutschen Sprache nicht so sicher sind?

Wir haben vom IfA (Institut für Auslandsbeziehungen Stuttgart) für drei Monate einen Sprecherzieher im Haus. Er hat mit den Schauspielern von der deutschen Abteilung gearbeitet, was wir als Investition für die Zukunft sehen, da auch zwei Studenten mitgemacht haben.

Wir waren schon mal ein noch internationaleres Team als jetzt: Bis vor zwei Jahren waren sieben verschiedene Nationen an der deutschen Abteilung vertreten, jetzt sind es leider nur noch drei. Wir werden demnächst noch einmal „Ossis Stein“ und zum allerletzten Mal „Millionenschwere Seniorin sucht Erben“ mit dem Österreicher Wolfgang Kandler und der Schweizerin Natalie Sigg spielen, die nicht mehr bei uns sind. In „Ossis Stein“ sind Schauspieler aus fünf verschiedenen Nationen zu sehen: ein Rumäne, ein Deutscher, ein Österreicher, eine Schweizerin und ein Luxemburger.

Sie spielen nicht nur Theater, sondern haben auch Filme gedreht. Worin besteht, Ihrer Meinung nach, der Unterschied zwischen einer Theater- und einer Filmrolle?

Die Arbeitsweise ist ganz anders. Beim Film sind die Szenen immer zerstückelt, man muss im richtigen Moment bereit sein, es gibt Sequenzen von einer Minute, die man zusammenstellt. Ein Vorteil ist, dass man statt den Zuschauern Kollegen dabei hat und dass man die schlechten Szenen immer wieder neu filmen kann. Im Theater ist alles immer live und jederzeit kann etwas schief laufen.

Haben Sie eine Lieblingsrolle?

Wenn ich wählen müsste, würde ich sagen, dass meine liebsten Rollen, seitdem ich in Hermannstadt bin, Salieri und Goldberg sind. In Luxemburg fand ich die Rolle des Joseph Merrick aus „Der Elefantenmensch“ sehr spannend. Das Stück „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“ hat als Thema Agnosie, d.h. Hirnverletzungen, die zum Sprachverlust führen, was ich besonders interessant fand. Ich finde die Aufklärungsrolle und die erzieherische Rolle des Theaters sehr wichtig.

Welche Voraussetzungen sollte ein Kandidat für eine Schauspielschule mitbringen?

Offenheit, Neugier, die Bereitschaft zu teilen, sich selber mitzuteilen und zu lernen. Sicher sind alle künstlerischen Fähigkeiten willkommen, man kann auch daran arbeiten, aber ein gewisses Talent muss schon da sein. Ebenso eine gewisse Empathie, sich in den anderen hineinfühlen zu können und das wieder herzugeben. Man braucht auch Lust und den Wunsch, es machen zu wollen. Es gibt Leute, die dafür geeignet sind und wiederum solche, die eine längere Zeit brauchen, um sich zu entwickeln. Das Theaterspielen ist ein Kunsthandwerk. Irgendwann machst du dein Meisterstück und dann bist du Meister.

Arbeiten Sie auch mit Schülern?

Wir haben als deutsche Abteilung eine Bildungsaufgabe: Die Deutschlernenden, die zu uns kommen, sollen ein sauberes Deutsch hören und sich auch daran orientieren können. Wir haben an der Brukenthalschule einen Workshop geboten und möchten das weiterführen. Die Zusammenarbeit mit den Schulen ist sehr wichtig und mein Wunsch ist es, dass wir immer mehr auf die Schulen zugehen und theaterpädagogisch tätig sind. Eine pädagogische Aufbereitung der Stücke, wie zum Beispiel „Die Goldberg Variation“, wo sehr viele Themen angeschnitten werden, wäre eine Bereicherung. Auch müssen wir unser zukünftiges Publikum trainieren.

Welches sind Ihre Zukunftspläne?

Ja, kleinere Projekte, Schulpädagogik, Workshops, Klassenzimmerstücke, so wie auch ein kleineres Kabarett mit verschiedenen Nummern: Eine Produktion, die sehr flexibel einzusetzen ist und mit der man leicht auf Tournee fahren kann.

Danke für das Gespräch.

 

Gruppenbild mit Gesprächspartner vor dem Sitz des Radu-Stanca-Nationaltheaters Hermannstadt (v. l. n. r.): Iuliana Popescu, Elena Proșac, Cristina Sava, Andra Popa, Daniel Plier, Mirela Râșnovean, Maria Prăștean, Anca Daniela Săroiu und Ioana Ruga.                                        

Foto: RST

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Persönlichkeiten.