Ausgabe Nr. 2460
Lutz Hübners „Die Firma dankt“ an der deutschen Abteilung des RST
Er heißt Adam Krusenstern, Herr Adam Krusenstern. Und er wird als Einziger zu einem Wochenende in das Landhaus der Firma gebeten – doch wozu? Die Firma, für die er 19 Jahre lang als Abteilungsleiter gearbeitet hat, wurde übernommen, die leitenden Angestellten sind alle entlassen. Außer Krusenstern. Doch was soll Krusenstern im Landhaus machen? Soll er die neue Firmenleitung kennenlernen? Wird er weiter beschäftigt? Oder ist dies ein letzter Test?
Adam Krusenstern, außerordentlich gut gespielt von Daniel Bucher, wird von Mayumi, der attraktiven Assistentin der neuen Geschäftsleitung, interpretiert von Anca Cipariu, umsorgt. Krusenstern ist verunsichert. In den Begegnungen mit John (Ali Deac), dem neuen Personalchef, und Ella (Johanna Adam), Personal-Coach, verhält er sich ungeschickt, und Sandor (Valentin Späth), ein junger Schnösel, geht ihm zusätzlich auf die Nerven.
Arbeitsmoral, Strukturen, gute Umgangsformen, das ist das Credo von Krusenstern, doch hier scheint es nicht gefragt. Oder ist er gerade deswegen hier? Soll er das Heft in die Hand nehmen und etwas organisieren? Ein Arbeitstreffen? Oder eine Party? Verspielt Krusenstern gerade seinen Job durch mangelnde Flexibilität? Oder durch überangepasstes Verhalten? Wer ist sein Gegner? Hat er überhaupt einen, oder ist das Spiel schon aus? All diese Fragen lassen ihn halb wahnsinnig werden. Und gerade seine Ausraster scheinen bis zum Schluss Sandor, der frühere von Krusenstern geringgeschätzte Praktikant, der sich als neuer Firmenchef entpuppt, umzustimmen. Er wird nachdem er fristlos gekündigt wird, wieder eingestellt. Aber bleibt er bei der Firma?
Daniel Bucher ist wieder einmal unglaublich authentisch, teilweise auch komisch in seiner Rolle des überforderten, zu müden Mittvierziger, der sich in der wandelnden Arbeitswelt nicht mehr zurechtfindet.
In dem Stück „Die Firma dankt“ von Lutz Hübner wird der Wandel in der Wirtschaftsordnung übertrieben dargestellt, in der es nicht mehr darum geht, sinnvolle Produkte herzustellen, sondern nur ein Profil zu erschaffen, indem man einen Laden möglichst billig kauft, um ihn später wieder zu verkaufen. Die jungen Angestellten sind Individualisten, die keinen Deut auf die Tradition der Firma geben. Sie bleiben dort, wo sie besser bezahlt werden. Krusenstern symbolisiert die Menschen, die mitten in ihrer Karriere stehen und für die Arbeitsmoral und Loyalität groß geschrieben werden. Der Zusammenstoß der zwei Welten ist unterstrichen durch die Figur Andy Warhols, selbst ein Schöpfer von Kontroversen auf dem Gebiet der Kunst. Er verkörpert das radikal Neue, das für seine Vorgänger nicht leicht zu akzeptieren war. Seine Figur wirft auch die kontroverse Frage nach dem Stellenwert des Neuen auf, zwischen Genie und Scharlatan.
Cynthia PINTER
Foto 1: Mayumi (Anca Cipariu) und Sandor (Valentin Späth) liefern sich nach dem Sauna-Besuch ein kleines „Duell".
Foto 2: Gut inszeniert hat das neue Team die feierliche Verabschiedung von Adam Krusenstern: Ali Deac, Anca Cipariu, Daniel Bucher und Johanna Adam (mit Blumenstrauß)
Fotos: Cynthia PINTER