Ausgabe Nr. 2461
Wort zum Christfest / Von Klaus Martin UNTCH
„Ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.“ (2. Korinther 8, 9)
Welches kleine Mädchen wird wohl nie geträumt haben, eine Prinzessin zu sein? Oder welcher kleine Junge hat sich noch nie gewünscht, es seinen Lieblingshelden aus den Märchenbüchern oder aus den Zeichentrickfilmen nachmachen zu können? Nun, das Fest der Geburt des Herrn ist vielleicht gerade die Zeit, wo viele Wünsche gehegt werden und viele Träume auf ihre Erfüllung warten. Und das nicht nur bei den kleinen Kindern, nein, auch bei uns Erwachsenen.
Von den Erwartungen her, hat das Weihnachtsfest viele Gesichter: Kirchgänger freuen sich auf besondere Gottesdienste; Romantiker lächeln wehmütig beim Gedanken an den Duft von Weihnachtsgebäck, Tannennadeln oder Kerzen; Musikliebhaber erfreuen sich an den Meisterstücken der Weihnachtsmusik; Händler reiben sich geschäftseifrig die Hände; andererseits greifen sich vielleicht die Ärzte, die an den Feiertagen Wachdienst haben, an den Kopf; Hausfrauen, die sich zu viel Stress auferlegen, vielleicht auch; dem Pfarrer beschert das heilige Fest neben einer gut gefüllten Kirche wohl auch viel Arbeit… Diese vielen Gesichter beziehen sich auf die menschliche, die weltliche Seite des Festes.
Aber was den Kern dieses großen christlichen Festes eigentlich ausmacht, bringt der Apostel Paulus in diesem einen Satz auf den Punkt: Ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet. (2. Korinther 8, 9)
Obwohl es hier nicht einmal um Christi Geburt geht, sondern um die Kollekte, die in den christlichen Gemeinden für die Gemeinde in Jerusalem gesammelt wurde, (die zu jener Zeit besonders arm war) wird hier die Frage nach der Nächstenliebe konkret. Paulus berichtete davon, dass viele Arme viel gespendet haben, manche sogar mehr, als sie es sich hätten leisten können. Nun sollen die (wohlhabenden) Christen in Korinth unter Beweis stellen, wie groß die Liebe zu den christlichen Geschwistern ist. Sie sollen in die Tasche greifen, für Menschen, die völlig anders sind, anderer Herkunft, die eine andere Sprache sprechen, die aber denselben Herrn anbeten. Dazu erinnert Paulus die Korinther daran, dass sie selbst aus ihrer Armut befreit worden sind durch den Reichtum eines anderen: Menschen ohne Gott, ohne Vergebung, ohne Zukunft, gefangen in ihren Ängsten, ihrer Hinfälligkeit und Vergänglichkeit, wurden befreit, durch Christus, der den Zorn Gottes, seines Vaters, auf sich genommen hatte.
Christus, der sich um unsere Seelen arm gemacht hat, das ist das einzigartige am Christfest. Ein Gott, der auf seine Macht, seinen Reichtum, sein Reich verzichtet, um Mensch zu werden, um unsere Armut und Ohnmacht zu teilen, der bereit ist, seine Heiligkeit gegen unsere Sünde und Schuld einzutauschen. Er hat alles gegeben, was er hatte, sogar sein Leben.
Beim Liederdichter Nikolaus Hermann heißt es: „Er wird ein Knecht und ich ein Herr; das mag ein Wechsel sein!“ So groß ist seine Liebe zu uns!
Der Heilige Abend mit seinem Zauber, mit dem Kind in der Krippe, mit den Hirten und Engeln ist eigentlich nur ein Teil des Christfestes. Im anderen Teil stirbt ein geschundener Mensch blutig am Kreuz: nicht für sich, sondern für uns, damit wir Kinder Gottes werden können. Dieses Geschenk ist größer als alles was wir unter dem Christbaum je finden könnten, größer als alles, wovon wir je geträumt haben. Amen